14.12.2021 | Krebsforschung

Wirkstoffe, die den Stoffwechsel von Krebszellen charakterisieren

Krebszellen scheren dank eines intensivierten Stoffwechsels aus der Entwicklung gesunden Gewebes aus. Diesen „Hochleistungs-Stoffwechsel“ besser zu verstehen, war das Ziel eines breit angelegten Wirkstoff-Screenings an der ÖAW, in dessen Fokus die Sensitivität mehrerer Leukämie-Zelllinien stand.

Tea Pemovska and Giulio Superti-Furga © Klaus Pichler/CeMM

Krebszellen zeigen ganz allgemein einen sehr intensiven Stoffwechsel, durch den sie gesunde Zellen in Wachstum und Reproduktionsfähigkeit übertreffen. Dieser „Hochleistungs-Stoffwechsel“ stellt sich als ein komplexes Netzwerk von Prozessen und beteiligten zellulären Akteuren dar und zeigt zudem eine große Bandbreite. Je nach spezifischer Krebszellen-Linie weist die Maschinerie gewisse Variationen auf. Diese Vielfalt im komplexen Zusammenspiel auf molekularer Ebene zu verstehen, ist eine der Voraussetzungen, um effiziente Therapien entwickeln zu können.

Giulio Superti-Furga und seine Forschungsgruppe am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben nun in einer Studie, die in Nature Communications publiziert wurde, das komplexe Stoffwechselgeschehen ausgeleuchtet. Der Direktor des CeMM und Professor an der Medizinischen Universität Wien und sein Team haben insgesamt 243 Wirkstoffe der neuen Substanzbibliothek CLIMET (CeMM Library of Metabolic Drugs) getestet und dokumentiert, wo sie im Stoffwechsel unterschiedlicher Krebszellen-Linien andocken. Dadurch konnten die Forscher/innen die Sensitivität von 15 Zelllinien myeloischer Leukämie ermitteln und darüber hinaus wichtige pharmakologische Ansatzpunkt für zukünftige Krebstherapien liefern.

Wirkstoffsensitivität und Therapieansätze

Für die Wirkstoffbibliothek CLIMET griff Erstautorin Tea Pemovska auf Substanzen zurück, die auf acht zentrale Prozesse und Signalwege des Zellmetabolismus abzielen. Um ein besseres Verständnis der molekularen Prozesse zu erhalten, die am Zellstoffwechsel von Krebszellen zentral beteiligt sind, wurden verschiedene Blutkrebs-Zelllinien sowie Patientenproben verwendet. Die erhaltenen Profile der Wirkstoffsensitivität gliedern die Zelllinien bzw. Patientenproben der myeloischen Leukämie in fünf funktionelle Gruppen, die jeweils durch ihre Sensitivität gegenüber 18 verschiedenen Substanzen definiert wurden. Studienleiter Giulio Superti-Furga erklärt: „Die Sammlung chemischer Wirkstoffe, die verschiedene Aspekte des Krebsstoffwechsels beeinflussen, stellt ein Instrumentarium dar, mit dem Zelllinien, Primärproben von Krebspatientinnen und -patienten sowie Tiermodelle auf vielseitige Weise und mit unterschiedlichen Dosierungen untersucht werden können, um metabolische Abhängigkeiten zu identifizieren und therapeutische Strategien abzuleiten. Damit zeigen wir exemplarisch einen praktischen und auch umsetzbaren Weg, wie diese Schwachstellen der Krebszellen therapeutisch genutzt werden können, typischerweise in Kombination mit anderen Medikamenten."

„Antrieb“ und „Schwachstellen“ des Zellmetabolismus identifizieren

Tea Pemovska, die derzeit Wissenschaftlerin in der Functional Precision Hematology Group an der MedUni Wien ist, und ihre Kolleg/innen konnte im Rahmen der Studie zeigen, dass bestimmte menschliche Leukämie-Zelllinien besonders sensitiv auf den PI3K-Inhibitor Pictilisib, den Fettsäure-Synthase-Inhibitor GSK2194069 und den SLC16A1-Inhibitor AZD3965 reagierten. Sie erklärt: „Bei einige Zelllinien der myeloiden Leukämie, vor allem bei zwei Zelllinien mit Chronischer Myeloischer Leukämie, zeigte sich eine hohe selektive Sensitivität auf den Inhibitor AZD3965, der den wichtigen Laktattransporter SLC16A1 hemmt. Dadurch lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, welche Zelllinien bzw. Patientinnen und Patienten am besten auf diesen Wirkstoff ansprechen könnten.“ Gleichzeitig bestätigt die Studie erneut den hohen Nutzen einer fokussierten metabolischen Wirkstoffbibliothek in phänotypischen Screening-Plattformen, die die Identifikation von Stoffwechselabhängigkeiten ermöglichen. „Unsere Studie belegt die Durchführbarkeit dieser Strategie und unterstreicht die Bedeutung des ‚Aufspürens‘ metabolischer Schwachstellen in Krebszellen mittels funktioneller Tests", so Superti-Furga.

 

Auf einen Blick

Publikation:
„Metabolic drug survey highlights cancer cell dependencies and vulnerabilities“ erschien in der Zeitschrift Nature Communication am 14. Dezember 2021. DOI: 10.1038/s41467-021-27329-x.

Autor/innen:
Tea Pemovska, Johannes W. Bigenzahn, Ismet Srndic, Alexander Lercher, Andreas Bergthaler, Adrián César-Razquin, Felix Kartnig, Christoph Kornauth, Peter Valent, Philipp B. Staber, Giulio Superti-Furga;

Förderung:
Die Studie wurde mit Unterstützung des Europäischen Forschungsrates (695214 und 677006), des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (SFB F4711), des European Molecular Biology Organization (EMBO) Long Term Fellowship 733-2016, und des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) im Rahmen des Projekts LS16-034 finanziert.