29.04.2020 | Tag gegen Lärm

Wenn Lärm krank macht

In der Coronakrise ist es vielerorts stiller ist als gewohnt. Doch sobald die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden, nimmt auch der Lärm wieder zu. Das ist nicht nur lästig, sondern kann auch zu massiven Gesundheitsproblemen führen, erklärt ÖAW-Schallforscher Bernhard Laback.

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“Lärm ist eines der großen Zivilisationsprobleme. Zusammen mit Luftverschmutzung ist er die Hauptursache von umweltverursachten Herz-Kreislauferkrankungen. 50 Prozent der Menschen im urbanen Europa sind gesundheitsschädigenden Lärmpegeln ausgesetzt und das Problem nimmt weiter zu”, sagt Bernhard Laback vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Das Institut nimmt jedes Jahr am internationalen Tag gegen Lärm teil, der auf die Gesundheitsgefahren durch Lärmbelastung aufmerksam machen will.

Problematisch ist Lärmbelastung vor allem während der Ruhephasen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO setzt den Grenzwert bei 50 bis 55 dbA fest. “Das ist leiser als manches Gespräch und entspricht einer mittellauten Straße. Ab diesem Wert verengen sich bei länger andauernder Belastung die Blutgefäße und es werden Stresshormone ausgeschüttet, der Körper kann sich nicht mehr entspannen”, erklärt Laback.

Kurzzeitig können Menschen auch deutlich höhere Lärmpegel ohne Probleme aushalten. Vor allem die dauerhafte Belastung kann aber zum Problem werden. “Als Quelle ist vor allem der Verkehr zu nennen. Früher war auch die Industrie ein Treiber, hier hat sich die Situation aber deutlich verbessert. Freiwilliger Lärm, etwa beim Hören von Musik, kann zwar Gehörschäden verursachen, stresst den Körper aber nicht so wie die Dauerbelastung durch Autolärm”, sagt Laback. Ruhige Flecken sind in Österreich gar nicht mehr so leicht zu finden. In der Stadt ist das Verkehrsaufkommen hoch, am Land gibt es viele Autobahnen. “In der Stadt ist die Belastung im Schnitt vielleicht höher, aber Österreich ist als Transitland insgesamt überproportional betroffen. Die Bahn verursacht auch Lärm, aber deutlich weniger als der Straßenverkehr”, sagt Laback.

48.000 Tote pro Jahr

Wie stark Lärm eine Person belastet, ist auch von psychologischen Faktoren abhängig. “Nachts ist man empfindlicher, die meisten Leute wissen, dass ein tropfender Wasserhahn dann plötzlich sehr laut wirken kann. Hier kann es schon stören, wenn alle paar Minuten ein Auto vorbeifährt. Psychologische Faktoren spielen eine wichtige Rolle und entscheiden, wie stark sich ein Mensch des Lärms bewusst ist. Solange eine Person selbst das Gefühl hat, gut zu schlafen, sind negative Folgen eher unwahrscheinlich”, sagt Laback. Statistisch ist die Korrelation zwischen Lärmbelastung und negativen Gesundheitsfolgen jedenfalls klar belegbar. 

“Das Herausrechnen anderer Faktoren ist oft schwierig, weil ja auch Stress oder sozio-ökonomische Einflüsse eine Rolle spielen. Aber das haben die Forscher/innen gut im Griff”, sagt Laback. Auf Basis der verfügbaren Daten schätzen die Wissenschaftler/innen, dass in Europa etwa 48.000 Menschen pro Jahr an den Folgen von Lärmbelastung sterben. Deshalb gibt es in der EU auch Vorgaben, um den Lärm zu reduzieren. “Es gibt Programme, aber die Länder hinken hinterher, oft liefern sie nicht einmal die Daten, die die Forschung braucht. Die Luftverschmutzung hat in den vergangenen Jahren zudem oft Priorität genossen”, sagt Laback.

Vorübergehende Coronaruhe

In der Coronakrise ist die Lärmbelastung zuletzt deutlich zurückgegangen, weil weniger Verkehr rollt. Hier wird es wohl bald erste Studien zur Reduktion geben. “Für einen Effekt auf die Gesundheit ist die Ruhepause aber wohl zu kurz. Sobald der Verkehr wieder anschwillt, kommt auch der Lärm zurück. Wir können aber die relative Ruhe bewusst wahrnehmen und uns dafür einsetzen, dass es auch in Zukunft ruhiger bleibt”, sagt Laback. 

Wer unter Lärm leidet, sollte nach Möglichkeit versuchen, Maßnahmen zu ergreifen. “Schallschutzfenster und Ohrenstöpsel können helfen. Im Notfall ist auch ein Zimmerwechsel ratsam. Lieber verzichte ich im Schlafzimmer auf die gute Aussicht und schlafe dafür ruhiger”, rät Laback.

 

AUF EINEN BLICK

Der Tag gegen Lärm ist ein weltweiter Aktionstag, an dem über die Gefahren durch Lärmbelastung aufgeklärt wird. Heuer wird der Tag am 29. April begangen. Das Institut für Schallforschung der ÖAW hätte an diesem Datum ein Open House mit interaktiven Stationen zum Thema Schall und Lärm veranstaltet, der aufgrund der Coronakrise nicht stattfinden kann. Geplant ist aber, das Open House im Herbst nachzuholen.

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