29.06.2022 | Digitalisierung

Post-Pandemisches Coworking liegt am Land im Trend

Coworking Spaces verbindet man in der Regel mit dem urbanen Raum. Dabei sind auf dem Land zuletzt zahlreiche Projekte entstanden - und zwar bereits vor der Pandemie. Auch, um junge Unternehmensgründer/innen zu halten. Die ÖAW-Regionalforscherin Elisabeth Gruber erzählt, wie das gemeinschaftliche Arbeiten in ländlichen Bereichen funktioniert.

Coworking Spaces sind vor allem für Ein-Personen-Unternehmen und Gründer/innen attraktiv.
Coworking Spaces sind vor allem für Ein-Personen-Unternehmen und Gründer/innen attraktiv. © Pexels/CoWomen

Zumindest eines muss man der Pandemie zugutehalten: Sie hat Tendenzen, von denen in der Arbeitswelt schon seit Jahren gesprochen wird, beschleunigt. Von Homeoffice zu Zoom-Konferenzen, die Digitalisierung hat einen kräftigen Schub bekommen. Trotzdem denken wir, wenn von Coworking Spaces die Rede ist, zuerst an Städte. Dabei sprechen kürzere Arbeitswege, Co2-Einsparmöglichkeiten und günstigere Wohnmöglichkeiten abseits der Metropolen oftmals verstärkt für digitales, ortsunabhängiges Arbeiten.

Ein Forscherinnenteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bestehend aus den Regionalexpertinnen Stefanie Döringer, Elisabeth Gruber und Carina Wagner, hat in dem Projekt „Digitale Transformation als Chance für ländliche Räume? Sozialräumliche Effekt von Coworking Spaces“ mit zahlreichen Menschen in ländlichen Gebieten gesprochen, die remote arbeiten. Warum haben sie einen Coworking Space gegründet? Welche Erwartungen knüpfen sich daran? Welche lokalen Player braucht es, um eine geeignete Immobilie zu finden? Das Forschungsprojekt ist am Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW angesiedelt wird gefördert durch die COVID-19 Sonderförderung der Kaiserschildstiftung.

Regionale Aufwertung

„Für regionale und lokale Initiativen zeigte sich das Ziel, Unternehmer/innen zu halten oder zurückzugewinnen sowie Unternehmertum zu fördern - mit einer langfristigen Perspektive von 10, 15 Jahren“, so Elisabeth Gruber im Gespräch. Das ist der Grund warum Coworking in ländlichen Räumen oft durch regionale oder lokale Initiativen unterstützt wird.

Wie sind Sie auf das Thema Coworking Spaces gekommen?

Elisabeth Gruber: Wir haben in der Pandemie beobachtet, dass viele Innovationen, die wir generell aus dem urbanen Bereich kennen, auch in ländlichen Räumen aufgetaucht sind. Es war plötzlich auch im Bauernladen möglich, an einer digitalen Kasse selbst zu zahlen. In Sachen Coworking Spaces haben sich ab 2018 viele neue Standorte entwickelt, die wir kontinuierlich in eine Datenbank aufgenommen haben. 

Also eigentlich begann der Trend schon vor der Pandemie?

Gruber: Ja, medial wird zwar durch die Pandemie verstärkt über digitales Arbeiten gesprochen. Aber bei vielen Coworking Spaces wurde Covid-19 auch als Bremse begriffen. Euphorie und Nachfrage wurden durch Lockdowns und Home Office-Appelle unterbrochen.

„Coworking Spaces in ländlichen Regionen leben von Netzwerken, die aktiv beworben werden müssen.“

Wie sehen diese ländlichen Coworking Spaces konkret aus?

Gruber: Wir dachten, dass wir Coworking in Orten finden, welche bereits eine zentrale Funktion übernehmen. Aber es hängt letztendlich immer von den Eigeninitiativen mehrerer Akteur/innen ab. Jemand muss die Idee haben, und es muss eine passende Immobilie geben. Oft sind es Leerstände, die genutzt werden können und das Ziel, keine Wohnungen oder klassische Büros umzusetzen, sondern etwas Neues zu wagen. Es muss der Wille da sein, weil Coworking Spaces Fluktuation brauchen. Ein Kommen und Gehen ist normal, dafür braucht es aber auch eine Community. Coworking Spaces in ländlichen Regionen sind keine Selbstläufer, sie leben von Netzwerken, die aktiv beworben werden müssen.

Wegfall von Pendelzeiten

In den letzten Jahren ist ein neues Selbstbewusstsein der Provinz entstanden. Wohnungen in der Stadt werden immer teurer, die Lebensqualität am Land steigt. Merken Sie das auch bei Ihrer Untersuchung?

Gruber: Uns ging es tatsächlich vor allem um diese gesellschaftlichen Implikationen: Was hat eine Region davon, wenn sie Coworking-Initiativen fördert? Es ist durchaus so, dass es hier klare Erwartungen gibt. Durch Coworking Spaces soll eine regionale Aufwertung entstehen - und zwar langfristig. Für regionale und lokale Initiativen zeigte sich das Ziel, Unternehmer/innen zu halten oder zurückzugewinnen sowie Unternehmertum zu fördern. Mit einer langfristigen Perspektive von 10, 15 Jahren. Nicht nur klassische Regionalentwicklungsagenturen sind aktiv, sondern auch Sponsoren, regionale Banken oder Kommunen, weil diese Investition für die Gemeinden und Regionen Wohlstand bedeuten können. Aber auch die Unternehmer/innen selbst sind wichtige Akteur/innen. So gibt es auch Coworking Spaces auf dem Land die von Privaten initiiert wurden.

Man pendelt nicht mehr, lässt daher auch mehr Geld im Ort?

Gruber: Pendelzeiten sind ein riesiges Thema, ebenso wie die Work-Life-Balance. Wir haben Geschichten gehört von Menschen, die nicht mehr eineinhalb Stunden täglich im Auto sitzen, sondern mehr Zeit mit der Familie verbringen und zum Mittagessen heimfahren. Was wir noch nicht so stark beobachten konnten ist, dass die regionale Gastronomie profitiert. Aber das braucht vielleicht noch Zeit.

„Coworking Spaces sprechen vor allem Firmengründer/innen an, die im weitesten Sinn einen digitalen Job haben, also mit einem Computer auskommen.“

Work-Life-Balance ist also nicht nur bei Millennials eine zentrale Forderung?

Gruber: Coworking Spaces sind zum Großteil für Ein-Person-Unternehmen attraktiv. Sie sprechen vor allem Firmengründer/innen an, die im weitesten Sinn einen digitalen Job haben, also mit einem Computer auskommen. Eine Zielgruppe besteht aus jungen Uni-Absolvent/innen, die sich noch nicht für einen fixen Wohnort entschieden haben. Aber genauso gibt es die Familiengründer/innen, die überlegen, aufs Land zu ziehen. Und Pendler/innen, die ihre Situation verbessern möchten. Coworking Spaces sind ideal für Umbruchszeiten im Leben. Zudem haben wir beobachten können, dass in ruralen Gemeinden Frauen zentrale Akteurinnen bei der Einforderung dieser flexiblen Arbeitsplätze sind. Für sie sind lange Pendelzeiten zu Orten fernab der Familie eine große Herausforderung. Aber ebenso der Job zu Hause, wo ein professionelles Arbeiten schwerfällt.

 

Auf einen Blick

Elisabeth Gruberist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der räumlichen Bevölkerungsentwicklung und der Konsequenzen für die Raumentwicklung.

Projekt: Coworking Spaces im ländlichen Raum