Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 113 (2000)


Peter Riemer, Das Spiel im Spiel. Studien zum plautinischen Agon in Trinummus und Rudens. Stuttgart und Leipzig: Teubner 1996. 216 S. (Beiträge zur Altertumskunde. 75.) ISBN 3-519-07624-1

Dieses interessante Buch ist ein nicht unbedeutender Beitrag zu der diffizilen Frage nach dem "Plautinischen im Plautus". R. geht von Hinweisen aus, durch die der Dichter selbst sein Publikum auf wichtige Neuerungen aufmerksam macht. Durchaus originell ist der Gedanke, Plautus deute schon durch die vom Vorbild abweichenden Titel in zwei Fällen (Trinummus und Rudens) auf jene Szenen hin, in denen er entscheidend in den Handlungsgang des Vorbildes eingegriffen hat (24ff.). Besonders offenkundig tue er dies Trin. 20f. nomen Trinummo fecit; nunc hoc vos rogat ut liceat possidere hanc nomen fabulam (hier ist auch auf das stilistische Phänomen der ungewöhnlichen Sperrung der entscheidenden Worte hoc … nomen hinzuweisen).
In seiner ausführlichen Abhandlung zum Trinummus (28ff.) will R. beweisen, daß die Titelszene erst von Plautus eingefügt wurde. In dieser überbringt ein für drei nummi gedungener Sykophant dem jungen Lesbonicus das für die Mitgift der Schwester dringend benötigte Geld samt einem Brief, der angeblich von seinem Vater, in Wirklichkeit aber von dem wohlmeinenden Callicles stammt. Diese Szene, in welcher der kleine Gauner durch den überraschend heimkehrenden Charmides gestellt wird, ist von teilweise überwältigender Situationskomik. Und R. will nun zeigen, daß Plautus damit seinem Publikum das moralisierende Philemonstück schmackhaft machen und zugleich in einen Wettstreit mit seiner Vorlage eintreten wollte. Doch reichen die Indizien, die R. für seine These anführt, meiner Meinung nach nicht aus, um hier die plautinische Eindichtung zu beweisen. Ich sehe etwa das erfolglose Klopfen an der falschen Tür im Kontext nicht als signifikanten Störfaktor an (Callicles ist alleine im Haus, vgl. 798ff., und gräbt gerade den Schatz aus; der Sykophant weiß um die genaue Lage des Hauses nicht Bescheid). Kleinere Widersprüche im Detail (z. B. bezüglich der genauen Aufträge des Sykophanten) müssen nicht auf eine Umdichtung größeren Ausmaßes zurückgehen. Zuzugeben ist aber, daß so mancher Handlungsstrang im Finale liegen gelassen bzw. ungenügend entwickelt erscheint (z. B. die Rolle, die der Sklave Stasimus in der Exodos spielt). Dies weist zweifellos darauf hin, daß hier geändert wurde. Stasimus als Träger der 'Geldintrige' im griechischen Vorbild (so R. in seinem Rekonstruktionsversuch) wäre zwar an sich plausibel; doch könnte er im Gegensatz zu der Figur des Sykophanten nicht als direkter Bote des Charmides fungieren. Die Analyse Riemers bleibt trotz wichtiger Erkenntnisse insgesamt doch hypothetisch.
Auch in der Abhandlung zum Rudens (133ff.) will R. den Einschub jener Partie erweisen, auf die der plautinische Titel hinweist. Er zeigt, wie diese ganze Sequenz um den Sklaven Gripus nur mangelhaft in das Drama integriert ist; in diesem Kontext ist etwa die Altarflucht der Mädchen recht unbefriedigend gestaltet. Doch geht bei einer Streichung der gesamten Sequenz mit der bühnenwirksamsten Szene auch die Voraussetzung für die Anagnorisis verloren, die auf dem wiedergefundenen Koffer mit den γνωρίσματα beruht.
Abschließend steht ein "Exkurs" zum Phormio (162ff.), dessen Titel ebenfalls vom Römer geändert wurde (wie Terenz selbst im Prolog sagt). Erst Terenz habe, so R., den Titelhelden derart ins Zentrum der Handlung gestellt, während im Vorbild der Sklave Geta als servus callidus agiert habe.
Walter Stockert
 

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