Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 113 (2000)


Stavros Tsitsiridis, Platons Menexenos: Einleitung, Text und Kommentar. Stuttgart-Leipzig: Teubner 1998. 439 S. (Beiträge zur Altertumskunde. 107.) ISBN 3-519-07656-X.

Kaum ein anderer Dialog Platons hat ähnliche Verwirrung hervorgerufen (Friedländer, Platon, 1964, II 202) und soviel Anlaß zum Zweifel an seiner Echtheit gegeben wie der Menexenos. Weder das evozierte Sokratesbild, noch die schwer erkennbare philosophische Absicht des Dialogs ermöglichen ein leichtes Verständnis. T.s Kommentar, die überarbeitete Fassung seiner unter R. Kassels Betreuung entstandenen Dissertation, bietet plausible Lösungsvorschläge für sämtliche umstrittene Fragen an. In fünf einleitenden Kapiteln werden die Probleme der Datierung, des Aufbaus, der Deutung, der Textüberlieferung und der Echtheit aufgegriffen. Dabei plädiert T. für eine Anerkennung des Menexenos als originär platonisch. Das ergeben Untersuchungen der Sprache, des Inhalts und der historischen Gegebenheiten der Schrift. Die Sprache erweise sich als "einwandfrei platonisch" (37f.), den Inhalt betreffend gebe es eindeutige Parallelen zu Gorgias, Apologie, Phaidon und Politeia (40f.). Der Anachronismus - Sokrates hält die Rede immerhin 13 Jahre (386) nach seinem Tod (399) - ist durchaus eine "platonische Eigentümlichkeit" (23). Dem Text ist ein kritischer Apparat beigegeben, und textkritische und historische Fragen bilden den Hauptteil des ausführlichen Kommentars. Einzig vermißt man die Diskussion um die Beziehung des Dialoges zu vergleichbaren thukydideischen Stellen, doch verweist der Autor auf eine spätere Arbeit, die sich mit eben diesem Thema befassen wird. Der vorliegende Kommentar ist die erste umfassende Arbeit zum Menexenos seit Ilse von Loewenclaus Schrift zu demselben Thema (Der platonische Menexenos, Stuttgart 1961).
Maria-Christine Leitgeb
 

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