Wiener Studien- Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen


Mario Puelma, Labor et Lima. Kleine Schriften und Nachträge. Herausgegeben von Irène Fasel. Mit einem Geleitwort von Thomas Gelzer. Basel: Schwabe 1995. 589 S. ISBN 3-7965-0976-2.

In diesem Band ist, abgesehen von seiner bekannten Monographie 'Lucilius und Kallimachos' und einigen Rezensionen, das gesamte Werk des Autors auf dem Gebiet der Klassischen Philologie gesammelt. Diese 'Kleinen Schriften', eingeleitet von einem lesenswerten Geleitwort Thomas Gelzers über P.'s Leben und Werdegang, decken ein erstaunlich weites Spektrum ab: griechische und lateinische Literatur und Sprache sowie Beiträge zum Weiterwirken der Antike. Die teilweise recht umfangreichen Aufsätze sind durch ausführliche Addenda - eine Besonderheit dieses Buches - auf den neuesten Stand gebracht; auch die umfangreichen Literaturverzeichnisse und anderen Dokumentationen sind von großem Nutzen.

Vom 1. Teil ("Griechische Sprache und Literatur", 23ff.) sei insbesondere der umfangreiche Beitrag zum Alkman-Partheneion genannt; auch in seiner völlig neu bearbeiteten Abschiedsvorlesung "Der Dichter und die Wahrheit in der griechischen Poetik von Homer bis Aristoteles" vermittelt P. wichtige Erkenntnisse zur Geistesgeschichte. Sein besonderes Interesse gilt auch den Alexandrinern und ihrer Beziehung zu Rom: Erwähnt seien hier die Beiträge zu Text und Interpretation des Proömiums und des Epilogs der Aitia des Kallimachos (vgl. auch 360ff. zum Vorbildcharakter der 'Aitia' für die römische Amores-Elegie). Im 2. Teil ("Lateinische Literatur und Sprache", 259ff.) schlägt P. im Casina-Prolog (Vers 34) Latine Plautus cum fragranti nomine vor, doch erscheint mir fragranti (anstelle von latrante) trotz der möglichen Beziehung zum Titel 'Casina' nicht überzeugend. Besonders hervorgehoben seien in diesem Abschnitt die sprachlichen und textkritischen Erörterungen zu Catulls c. 64 sowie der reich dokumentierte Aufsatz zu Cicero als Platon-Übersetzer. Der umfangreiche Beitrag "Dichter und Gönner bei Martial" stellt die wesentliche Neuveröffentlichung im Rahmen des Buches dar (415ff.): P. beleuchtet hier insbesondere das Verhältnis zwischen dem Dichter-Klienten und seinem Förderer-Patron, das im Idealfall in der amicitia mündet. Mit Recht warnt er dabei vor einer Auswertung des einzelnen Gedichtes für die (konkrete) Biographie Martials; es müßten stets die Topik des Genre und die verschiedensten künstlerischen Aspekte (insbesondere die Gesamtkonzeption des Werkes) berücksichtigt werden, ehe man Rückschlüsse auf das (reale) Leben des Dichters wagen dürfe.

Vom 3. Teil ("Fortleben der Antike zur Neuzeit", 467ff.) seien die großartigen Ausführungen zum Begriff spectrum hervorgehoben, welche den Zeitraum von Ciceros Briefen bis hin zu Renaissance und Neuzeit umspannen (im gleichen Zusammenhang steht ein Originalbeitrag zur Kreuzinschrift CE 920). Im abschließenden Artikel zur Situation der Alten Sprachen in der Schule (1959) entwirft P. ein ungewöhnlich negatives Bild vom "Nutzwert" des Altsprachlichen Unterrichtes und sieht einen Ausweg aus diesem Dilemma nur in Elite-Schulen ersten Ranges, in denen außergewöhnlich begabte Schüler die Möglichkeiten des 'klassischen Unterrichts' noch entsprechend zu nützen vermöchten.

Walter Stockert

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