Wiener Studien- Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen


Jean Soubiran, Prosodie et métrique du Miles gloriosus de Plaute. Introduction et commentaire. Louvain - Paris: Éditions Peeters. 1995. 311 S. (Bibliothèque d'Études classiques.) ISBN 2-87723-193-3

Dieses Buch, in dem S. gleichsam die Thesen seines "Essai sur la versification dramatique des Romains" erprobt, stellt insgesamt ein Novum dar: es handelt sich um einen umfangreichen metrischen Kommentar zu einem Plautusstück, wofür sich der 'Miles gloriosus' schon deshalb anbietet, weil er bloß Sprech- und Rezitationsverse enthält. Vorangestellt ist ein Abriß über die plautinische Prosodie und Metrik, der sich ebenfalls auf besagtes Drama beschränkt. S. weist richtig auf die Bedeutung der Metrik für die Textgestaltung bei Plautus hin, dessen Überlieferung ja viele Mängel und Lücken aufweist. Als Textgrundlage dient ihm die Belles-Lettres-Edition Ernouts; doch werden auch die anderen Ausgaben regelmäßig zitiert.

In den Ausführungen zur Prosodie und Metrik orientiert sich S. im wesentlichen an der 'Introduzione' C. Questas, berücksichtigt aber auch die Forschungen H. Drexlers. Auf S. 35 wird eine Sonderform des Luchs’schen Gesetzes angeführt, die der Rez. nicht akzeptieren kann (Typus 488 n v(a) hsptm [besser übrigens invitam in Codex A]; 105 daher nach S. nicht r(i)  lcïƒÝ ); ebenso erscheint es zumindest kapriziös, Wendungen wie 113 phsm vnt (mit der bekannten Ausnahme vom Luchs’schen Gesetz) mit syllaba indifferens im Locus Jacobsohn (also: n) zu erklären. An der Darstellung des trochäischen Septenars stört wie im 'Essai' die Gleichbehandlung von Zäsur und Dihärese (36); nur letztere trennt doch die Versteile! In seiner Darstellung der "métrique verbale" (51ff.) beschränkt sich S. auf die aufgelösten Elemente und ihre Anordnung im Vers.

Der Kommentarteil strebt ganz offenkundig Vollständigkeit an. Er behandelt das gesamte Drama Vers für Vers, und dies hat unweigerlich Abundanzen zur Folge (ich erwähne nur die oftmaligen Hinweise auf die Prosodie von ego und ähnliche Bemerkungen, die S. selbst als "banal" bezeichnet). Offenkundig wird hier zu viel Rücksicht auf den Anfänger genommen; die Angabe der Zäsuren hätte man auf strittige Fälle beschränken können. Zweckmäßig erscheinen hingegen die wiederholten Hinweise auf archaische Longae (Vers 4 praestringt) sowie auf die Einhaltung des sog. Meyer’schen Gesetzes. Im gesamten Kommentarteil werden immer wieder die verschiedenen Möglichkeiten der Skansion vorgeführt, sodaß sich der Leser ein gutes Bild von den Schwierigkeiten der Materie machen kann.

Zu einigen Details: Vers 39 versucht S., der Ausnahme vom Bentley-Luchs’schen Gesetz in der Tradition P mittels des stilistisch weit schwächeren Textes in A zu entkommen; Vers 96 wird mit Drexler die Skansion qudo d hnc bezweifelt (also nc?); Vers 136: Daß in solchen Fällen s(ua) hspiti und nicht s(a) hspiti zu skandieren ist, gehört noch deutlicher gesagt, ebenso 210 m(i) illaec; 214 erscheint eine Synizese quscet nicht plausibel, zu Vers 144 steht eine interessante Abhandlung über Brevis vor sc-. Will man sich rasch ein Bild von der sorgfältigen Arbeitsweise Soubirans machen, lese man z. B. die Ausführungen zu Vers 222ff.

S. zeigt ein gewisses Faible für Stilistica und weist z. B. immer wieder auf 'Verse ohne Auflösungen' hin (gelegentlich handelt es sich um Verse 'ritu Graeco' wie 388 und 634, dieser mit einer Auflösung; beide möglicherweise paratragisch zu verstehen). Übertrieben sind die zahllosen Hinweise auf 'Heterometrie' (eine große Zahl dieser Fälle entsteht einfach durch Synaloephe: z. B. 415; 459; 506; 583). - Noch eine Anmerkung zum Text: 783 könnte man pectus corque schreiben (vgl. die Abfolge in Vers 786). Insgesamt läßt sich feststellen, daß durch die vollständige und eindringliche Behandlung der metrischen Probleme des 'Miles' die Arbeit am Text dieses Dramas gefördert wurde. Insbesondere aber hat hier auch der Anfänger die Möglichkeit, sich in die Probleme der plautinischen Metrik einzuarbeiten.

Walter Stockert

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