Vereinbarkeit von Wissenschaft, Innovation und Vorsorge durch das Einbeziehen von Interessengruppen

Das Vorsorgeprinzip sieht vor, dass die potentiell negativen Auswirkungen neuer technischer Entwicklungen berücksichtigt werden. Das Innovationsprinzip dagegen möchte den technischen Fortschritt bestmöglich unterstützen. Das Projekt RECIPES beschäftigt sich mit den rechtlichen und politischen Ansätzen beider Prinzipien und bindet dabei Interessengruppen mit ein. Am Projekt beteiligt sind elf europäische Partner; das ITA wird die Ausarbeitung der Fallstudie zum Thema Nanotechnologie durchführen.

In Situationen wissenschaftlicher Unsicherheit, besonders wenn unsere Gesundheit oder die Umwelt gefährdet sein könnten, müssen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden. Dafür steht das Vorsorgeprinzip („Precautionary Principle“), das heute als allgemeines Prinzip in der EU anerkannt ist und sich im EU-Vertrag sowie in diversen EU-Verordnungen und Richtlinien, in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen und in mehreren internationalen Verträgen findet.

Vorsorge und trotzdem Fortschritt?

Das Vorsorgeprinzip wird allerdings oft als ein "Anti-Wissenschaftsprinzip" dargestellt, das zu übermäßiger Vorsicht führt und die wissenschaftliche Kreativität und technologische Innovation behindert. Es könnte eine ungerechtfertigte oder zumindest unverhältnismäßige Angst der Bevölkerung vor der technologischen Entwicklung und der Zukunft unserer Gesellschaft fördern und Innovation unterdrücken. Um dieser Annahme entgegen zu wirken wurde das Innovationsprinzip als ergänzendes Element zum Vorsorgeprinzip entwickelt. Damit immer dann, wenn Vorsorge in Betracht gezogen wird, auch potenzielle Auswirkungen auf Innovationen berücksichtigt werden.

Das Projekt „RECIPES – REconciling sCience, Innovation and Precaution through the Engagement of Stakeholders“ wird die rechtlichen und politischen Ansätze zum Vorsorgeprinzip auf internationaler, auf EU- und nationaler Ebene analysieren sowie das Aufkommens des „Innovationsprinzips“ beschreiben. Das Vorsorgeprinzip wird anhand von acht Einzelfall-Studien dargestellt welche sich mit viel diskutierten Themen wie Nanotechnologie, Glyphosat, endokrine Disruptoren, Gene-Editing-Techniken etc. befassen.
 

Beteiligung der Öffentlichkeit

Darüber hinaus soll in dem Projekt ein neues Instrumentarium für die Anwendung des Vorsorgeprinzips unter Berücksichtigung des Innovationsprinzips entwickelt werden. Dazu gehört die Einbeziehung der Interessengruppen in allen Phasen der Forschung. Daher sollen Mechanismen für die Beteiligung der Öffentlichkeit an Forschung und Innovation entwickelt werden. Die Interessengruppen werden Szenarien für die künftige Anwendung des Vorsorgeprinzips entwickeln und neue Instrumente und Konzepte für das Vorsorgeprinzip mitentwickeln, um politische Entscheidungsträger und andere Interessengruppen bei der Bewertung von Risiken und Unsicherheiten zu unterstützen und von Fall zu Fall Entscheidungen zu ermöglichen, die auf die Frage antworten, wie sie verantwortungsbewusst über Vorsorge und Innovation entscheiden können.

Nach den Kontroversen um gentechnisch veränderte Lebensmittel wurde die Notwendigkeit eines anderen Ansatzes zur Regulierung schwer zu antizipierenden neuen Technologien deutlich. Dies erfordert einen Ansatz zur Regulierung neuer Technologien mit nicht vollständig charakterisierbaren Risiken. Dafür steht das Vorsorgeprinzip „precautionary principle“. Ein Beispiel für die gelungene Umsetzung des Vorsorgeprinzips bietet das nationale Projektes NanoTrust, welches seit 2007 läuft und ein sich zu einem kontinuierlichen Begleitprozess entwickelt hat, da die Technologie wie auch die regulatorische Situation sich im Laufe der Zeit ändern. Durch den Aufbau und die Pflege eines interdisziplinären Netzwerks aus Experten, Regulatoren und Stakeholdern ist NanoTrust ein fixer Bestandteil der österreichischen Nano-Risiko-Governance-Landschaft und dient der Nanocommunity als Katalysator, Initiator und unabhängige Plattform für den Sicherheitsdiskurs.
 

Partner

Das Konsortium besteht aus 11 Partnern aus allen geographischen Regionen Europas. In diesem Projekt wird die akademische Expertise zum Vorsorgeprinzip von drei führenden Forschungseinrichtungen gebündelt, nämlich der Universität Maastricht, der Universität Bergen und der Humboldt-University zu Berlin). Außerdem sind drei der wichtigsten Institute für Technikfolgenabschätzung an diesem Projekt beteiligt, das Rathenau Institute, das Danish Board of Technology und die Österreichische Akademie der Wissenschaften, vertreten durch das Institut für Technikfolgen-Abschätzung.  Die übrigen Partner kommen aus dem Bereich Non-Profit-Organisationen, Dialogik, Ecologic, IASS-Potsdam, ARC-FUND and K&I.

Das ITA wird die Ausarbeitung der Fallstudie zum Thema Nanotechnologie durchführen und die gelungene Governance neuer Entwicklungen, anhand des langjährigen NanoTrust Projektes, darstellen.

Publikationen

Publikationen

  • ITA [Hrsg.],. (2023). Vorsorge für Innovation. ITA Dossier Nr. 72 (Dezember 2023; Autor:innen: André Gazsó, Anna Pavlicek). Wien. doi:10.1553/ita-doss-072
  • Riedlinger, D. (2022). RECIPES: EU-Leitfaden zur Risikobewertung neuer Technologien veröffentlicht. Ita-Newsfeed. Retrieved from https://www.oeaw.ac.at/ita/detail/news/recipes-eu-leitfaden-zur-risikobewertung-neuer-technologien-veroeffentlicht
  • Riedlinger, D. (2020). Vorsorge als Mühlstein für die Innovation?. Ita-Newsfeed. Retrieved from https://www.oeaw.ac.at/ita/detail/news/vorsorge-als-muehlstein-fuer-die-innovation
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Konferenzbeiträge/Vorträge

Konferenzbeiträge/Vorträge

Laufzeit

01/2019 - 06/2022

Projektteam

Finanzierung