In diesem Assessment wurde die aktuelle wissenschaftliche und organisatorische Situation der prädiktiven genetischen Diagnostik für hereditäre Brust- und Dickdarmkrebserkrankungen aufgezeigt und der Blick auf zukünftige Entwicklungen gelenkt.
Denn die vorausschauende genetische Diagnostik wird auch bei anderen Erkrankungen an Bedeutung gewinnen und die Frage nach der Finanzierung der Diagnostik und Beratung in einem solidarisch organisierten Gesundheitssystem wird an Aktualität zunehmen. Kritisch werden die Aussagekraft der genetischen Testmethoden, Früherkennungsuntersuchungen sowie der Nutzen prophylaktischer Interventionen analysiert und gesellschaftliche Folgen interpretiert.
Mamma- und Kolorektalkarzinome zählen zu den häufigsten Krebserkrankungen weltweit. Die meisten basieren auf einer zufälligen Häufung von Risikofaktoren und entstehen auf einer nicht familiär bedingten Basis. Nur 5–10 % der Mamma- und Kolorektalkarzinome sind auf hereditäre Faktoren zurückzuführen. Ein vererbtes verändertes Gen ist hauptverantwortlich für das deutlich erhöhte Krebsrisiko. Wegweisend sind eine hohe Tumorfrequenz, junges Erkrankungsalter sowie multiple primäre Tumore in diesen Familien. Deshalb nimmt die Familienanamnese eine Schlüsselposition in der genetischen Beratung ein und führt zu einer Risikoabschätzung, einer effektiven genetischen Beratung und zu angemessenen Folgeuntersuchungen und Interventionen.
Bei der genetischen Diagnostik können Mutationen in den Brustkrebsgenen (BRCA 1 und 2) bei hereditärem Mammakarzinom, in Reparaturgenen bei hereditärem nicht-polypösen Kolorektalkarzinom (HNPCC) sowie im APC-Gen bei familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) detektiert werden. Die Identifizierung des verantwortlichen Gendefekts bei einem erkrankten Familienmitglied ist wesentlich. Die Sequenzanalyse stellt den Goldstandard dar. Als rasche, zuverläßige Alternative ist die „Denaturing High Performance Liquid Chromatography“ (DHPLC) etabliert. Der Proteintrunkationstest sowie die Beurteilung der Mikrosatelliteninstabilität werden zur Mutationsentdeckung vorwiegend bei den hereditären kolorektalen Karzinomsyndromen eingesetzt.
Bei positivem Testbefund bestehen auf Grund der Geno-/Phänotyp-Korrelationen Unsicherheitsfaktoren, ob die Erkrankung auftreten wird, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß. Die Folgerungen der Testresultate sind wahrscheinlichkeitstheoretisch und ermöglichen eine individuelle Risikoab-schätzung. Das Testergebnis hat nicht nur Auswirkungen für die betreffende Person sondern auch für die Familie und nachfolgende Generationen.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Organisation der genetischen Beratung und Testung sind für Österreich im Gentechnik-Gesetz festgelegt. Beim Mammakarzinom wird die genetische Diagnostik zentral vorwiegend an der Univ.-Frauenklinik Wien und die Beratung dezentral in speziellen regionalen Beratungsstellen durchgeführt. Für die hereditären kolorektalen Karzinomsyndrome erfolgt die genetische Beratung sowie Diagnostik zentral an der Chirurgischen Univ.-Klinik Wien. In Deutschland, Schweiz, Niederlanden und Österreich ist ein gemeinsamer Trend in Richtung genetische Beratung im interdisziplinären Team an speziellen Zentren, definierte Zugangskriterien für eine prädiktive genetische Testung sowie Diagnostik in spezialisierten Labors zu verzeichnen.
Primäre Prävention ist aktuell bei hereditären Mamma- und Kolorektalkarzinomen nicht möglich (Ausnahme FAP). Die sogenannten Vorsorgeprogamme entsprechen Früherkennungsuntersuchungen (z. B.: Mammographie, Sonographie, MRI sowie Kolonoskopie) in kurzen Zeitabständen. Primäres Effektivitätsmaß für jedes Früherkennungsprogramm ist die krankheitsspezifische Mortalität. Für die kolorektalen Karzinome liegt eine bessere Evidenz bezüglich Früherkennungsscreening und früher Therapie vor als für Mammakarzinome.
Durch prophylaktische Mastektomie (PM) wird das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, gesenkt. Die relative Risikominimierung wird mit 90 % angegeben. Die PM bietet keinen 100 % Schutz. Ob die PM darüber hinaus einen Einfluß auf die Mortalität hat, ist fraglich. In der wissenschaftlichen Literatur wird die PM kontrovers diskutiert. Die Akzeptanz der PM ist kulturabhängig und wird z. B. in Österreich und Deutschland nur in geringem Maße in Anspruch genommen.
Bei klassischer FAP ist nach Auftreten von Polypen eine prophylaktische Kolektomie die Methode der Wahl. Bei HNPCC wird derzeit keine Empfehlung zur prophylaktischen Kolektomie abgegeben. Das Krebsrisiko bleibt auch nach prophylaktischen bzw. therapeutischen Operationen erhöht, fortlaufende Kontrolluntersuchungen sind vorgesehen.
von hereditären Krebssyndromen stellen auf Grund der raschen neuen Informationsgewinne eine Herausforderung dar. Die Beweislage ist oft unvollständig und von begrenzter Qualität. Zur objektiven Ergebnispräsentation sind u. a. Angaben zu Sensitivität, Spezifität sowie positiv prädiktivem Wert (PPW) der jeweiligen Labortestmethode bzw. Früherkennungsuntersuchung sowie die Angabe der „Number Needed to Treat“ (NNT) für chirurgische Interventionen erforderlich.
Weitere Mutationsidentifizierungen und Assoziationen mit bestimmten Erkrankungen sowie auch der Trend zur Bedarfsweckung wird in den nächsten Jahren zu einer Ausweitung der prädiktiven genetischen Beratung und Diagnostik führen. Problematisch erweist sich die größer werdende Kluft zwischen möglicher genetischer Diagnostik und den begrenzten Vorhersage, -Präventions-, Früherkennungs- bzw. Therapieoptionen. Dies erfordert eine vorausschauende Strategieplanung mit einem Konzept und klaren Rahmenbedingungen. Denn den besonderen Chancen, die durch die prädiktive Diagnostik realisiert werden können, stehen hohe Qualitätsanforderungen und die Gefahr von Missbrauch gegenüber. Das Aufzeigen von unterschiedlichen Interessen und deren Konsequenzen erscheint wichtig.
Auch Journalisten tragen wesentlich zur Information und Stellenwertbesetzung der prädiktiven genetischen Diagnostik in der Gesellschaft bei. Die (heutige) Betonung der genetischen Testung beruht auf falschen Metaphern über die Rolle, die der DNA und den Genen zukommt. Mitbestimmen setzt ein gewisses Maß an Mitwissen voraus! Eine aktive Beteiligung der Bevölkerung an gesellschaftspolitischen Entscheidungen wäre in Österreich ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer differenzierten Ausseinandersetzung mit den Konsequenzen der Gentechnologieforschung.
Dieses Projekt wurde vom "Fonds Gesundes Österreich" teilfinanziert.
Predictive Genetic Testing for Hereditary Breast and Colorectal Cancer An Assessment Aim and Methods • The aim of this health technology assessment was to analyse the current scientific and genetic counselling situation about predictive genetic testing for hereditary breast and colorectal cancer. Predictive genetic testing will be possible for several common diseases in the future and questions related to financial issues and quality standards will be raised. • This report is based on a systematic literature research using several databases (e.g. EmBase, Medline, Cochrane Library) and on a specific health technology assessment (CCOHTA) resp. review (American Gastroenterological Ass.). Laboratory test methods, early detection methods and the benefit from prophylactic interventions were well directed analysed and social consequences were interpreted. Background • Breast and colorectal cancer are counted among the most frequently cancer diseases. Most of them are based on random accumulation of risk factors, 5-10% show a familial determination. A hereditary modified gene is responsible for the increased cancer risk. In this families high tumour frequency, young age at diagnosis and multiple primary tumours are remarkable. Results and Reflection • Genetic diagnosis: The sequence analysis is the gold standard. Denaturing high performance liquid chromatography is a quick alternative method. The identification of the responsible gene defect in an affected family member is important. If the test result is positive there is an uncertainty about if the disease will occur, when and in which degree founded in the geno-/phenotype correlation. The individual risk estimation is based upon empirical evidences. The test results have effects on the whole family. • Prevention/early detection: At the moment primary prevention is possible for familial adenomatous polyposis (celecoxib, prophylactic colectomy) and for hereditary mamma carcinoma (prophylactic mastectomy). The so-called preventive medical check ups are early detection examinations. For colorectal cancer the evidence about early detection methods is better than for breast cancer. • Prophylactic surgical interventions: Prophylactic mastectomy (PM) reduces the relative breast cancer risk by approximately 90%. The question is if PM influences on mortality. The acceptance of PM depends on culture. Colectomy can be used as a prophylactic (FAP) and therapeutic method. After operations the cancer risk remains high and so early detection examinations are still necessary. • Evidence based statements: The evidence is often fragmentary and from limited quality. For objective test result presentations information about sensitivity, specifity, positive predictive value, and number needed to screen resp. treat are necessary. • Reflections: New identifications of mutations and demand creation will result in an increase of predictive genetic counselling and testing. There is a gap between predictive genetic diagnosis and the prediction, prevention, early detection and surgical interventions. These circumstances require a basic strategy. Since predictive genetic diagnosis is a very sensitive issue it is important to deal carefully with it in order to avoid inappropriate hopes. Thus, media, experts and politicians have to consider opportunities and limitations in their daily decision-making processes.
Immunoglobulins in Transplant Medicine Prevention and Therapy of Cytomegalovirus Infections An Assessment Background Cytomegalovirus (CMV) infections are one of the most common infection complications of transplant recipients. In immune competent persons CMV infections are usually asymptomatic but in immune compromised patients there can be fatal consequences. CMV infections are linked to graft dysfunction and graft loss. The most favourable prophylactic treatment/therapy regime and the starting point of the intervention are under long lasting discussion. Aim and Methods The aim of this health technology assessment (HTA) was to analyse the clinical effectiveness of immunoglobulins (IG) for prevention/therapy of CMV infections in transplant recipients and to compare IG with other prevention/therapy regimes (virustatica, e.g. Ganciclovir) with regard to clinical effectiveness and cost efficiency. This assessment is based on a systematic review and a meta analysis. Additionally basic knowledge on CMV infection, frequency of transplantations and cost issues are analysed. Results • With IG there is a significant reduction of CMV infections and diseases in comparison with placebo or no prophylactic treatment/therapy. • A comparison of effectiveness based on a systematic review and meta analysis gives no evidence that IG are more effective than virustatica. There is also no evidence for additional effects of IG in antiviral therapy. • A review of cost-efficieny/clinical effectiveness studies shows that virustatica are the most cost efficient option for prophylactic treatment/therapy of CMV infections. Conclusio Before clinical symptoms appear the avtive CMV infection can already be diagnosed by laboratory tests. This allows for a combined CMV management consisting of risk adapted prophylactic treatment in high risk groups and the start of preemptive therapy. For risk evaluation the most important citeria are: CMV antibody constellation between donor and recipient, the type of immune suppressive therapy and the transplanted organ itself. Despite lower toxicity of IG this added value is only marginal because of the many times higher price and the similar, inclining lower clinical effectiveness in comparison to virustatica (e.g. Ganciclovir). From the clinical and economical point of view systematic decisions in the CMV management are necessary: analysis of the actual situation, compilation of working papers for concrete internal standards founded on evidence based guidelines with documentation, including patients in well designed, multicentric studies and considering the establishment of a CMV co-ordinator.
10/2001 - 03/2002