20.03.2023

Wir können von Tieren viel über Menschen lernen – aber klappt das auch umgekehrt?

Marisa Hoeschele, Gruppenleiterin und Wissenschaftlerin am Institut für Schallforschung (ISF) und ihre Kollegen geben Einblicke in ihre jüngste Veröffentlichung, eine Übersichtsarbeit über den Vergleich akustischer Kognition von menschlichen und nicht-menschlichen Tieren.

SCHRITT 1: Eine Idee generieren in dem wir unsere Alltagserfahrung nutzen. SCHRITT 2: Die Idee entwickeln indem wir die objektive Perspektive von ausserirdischen Forschenden einnehmen. SCHRITT 3: Die Idee auf andere Tierarten anwenden. Die Graphik ist Abbildung 1 aus dem hier zitierten Artikel. Indem wir uns vorstellen, wie wir ein bestimmtes Verhalten untersuchen würden, wenn der Mensch eine andere Spezies wäre, können wir neue Ansätze entwickeln, um scheinbar komplexes menschliches Verhalten auf andere Spezies zu übertragen. Wir haben diese Methode verwendet, um die menschliche Sprache so zu untersuchen, als wäre sie eine tierische Vokalisation, und sie auf die komplexen Vokalisationen angewendet, die bei seltenen nicht-menschlichen Arten zu finden sind. Auf diese Weise können wir vielleicht etwas finden, das der Sprache im Tierreich ähnelt.

In unserem Fachbereich Biologie ist uns besonders bewusst, dass wir Menschen Hochinteressantes über uns selbst lernen können, indem wir andere Spezies untersuchen. Aber wie sieht es umgekehrt aus? In dieser Übersichtsarbeit zeigen wir, wie das Einsetzen des Menschen als Modell für andere Tierarten genauso faszinierende Einsichten ermöglicht wie der üblichere umgekehrte Zugang.

Unser Argument bezüglich der Vorteile dieses Zugangs basiert auf einer Vielzahl an Beispielen aus unseren Studienfeldern. Das beinhaltet z.B. Rhythmus, Tonhöhen-basierte Musikalität und Einheiten der Lautproduktion bei nicht-menschlichen Tieren. Indem wir analysieren, wie unser Zugang in früheren Studien funktioniert hat können wir hier ein generalisiertes System beschreiben das hilft Tierarten für Studien auszuwählen und Tests für sie zu entwickeln.

Wir beschreiben, wie wir trotz unseres Insider-Wissens über unsere eigene Spezies die Perspektive eines unbeteiligten/außerirdischen Wissenschaftlers einnehmen können. Das hilft uns dabei, die Merkmale zu identifizieren, die an uns als Spezies am vielversprechendsten für vergleichende Studien erscheinen. Der Vorteil dabei, Menschen wie jede andere Tierart zu behandeln, ist, dass wir dadurch die maximale Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Spezies erreichen. Dadurch werden die Einsichten, die wir gewinnen können nicht nur solider, sondern oft auch origineller. Wir nennen den in dieser Arbeit vorgestellten Zugang den „objective human-centric approach“ (objektiver Mensch-zentrierter Ansatz“).

Durch unsere Publikation dieser Arbeit in „Animal Cognition“ hoffen wir, andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die tierische Kognition erforschen, anregen zu können, einen ähnlichen Ansatz zu benutzen um möglichst großen Gewinn aus unserer Zugehörigkeit zum Tierreich zu ziehen, und zeitgleich eine distanzierte wissenschaftliche Perspektive auf die Spezies Mensch zu bewahren. Wir sind überzeugt, dass auf diese Weise viele spannende Einsichten gewonnen werden können, die mit herkömmlicheren Ansätzen nicht erreichbar sind.

Hoeschele, Marisa; Wagner, Bernhard; Mann, Dan C.: „Lessons learned in animal acoustic cognition through comparisons with humans”, in: Animal Cognition, 2022, vol. 26, pp 97-116. Doi:10.1007/s10071-022-01735-0