ERC Consolidator Grant für Alejandro Burga
Wie frühe Entdecker, die sich mutig auf See wagten, können auch Gene außergewöhnliche Reisen unternehmen. Weit entfernt von den sicheren Ufern ihres heimischen Genoms haben einige Gene unbekanntes Terrain erobert – neue Arten. Dieses Springen von Genen von einer Art zur anderen, bekannt als horizontaler Gentransfer (HGT), ist ein weit verbreitetes natürliches Phänomen bei Bakterien und Archaeen. Doch auch Eukaryoten – die Domäne des Lebens, der alle Mehrzeller angehören – eignen sich Gene von anderen Arten an: Von antiparasitären Toxinen bei Schmetterlingen bis hin zu Frostschutzproteinen bei Fischen wurde HGT in allen großen eukaryotischen Linien beobachtet. Dennoch bleibt einer seiner faszinierendsten Aspekte, nämlich der Mechanismus hinter diesem „Genspringen“, trotz jahrzehntelanger Forschung ein Rätsel. Wie kann DNA die Spenderart verlassen, in engen Kontakt mit der Keimbahn einer zweiten Art kommen – die außerdem durch physische und molekulare Barrieren geschützt ist – und sich in das Genom ihres neuen Wirts integrieren?
Alejandro Burga, Gruppenleiter am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), erhielt nun einen ERC Consolidator Grant, um genau zu erforschen, wie Gene die Artengrenze überwinden und wie diese Gensprünge die Evolution neuer Eigenschaften einen Anschub verleihen. Dies ist bereits der zweite prestigeträchtige ERC-Grant für Alejandro Burga, der derzeit von einem ERC Starting Grant gefördert wird.
In seinem ersten ERC-geförderten Projekt erzielte das Burga-Labor einen Durchbruch im Verständnis des horizontalen Gentransfers, der nun experimentelle Untersuchungen ermöglicht. Das Team entdeckte, dass Mavericks, uralte eukaryotische Transposons, die mit Riesenviren und Adenoviren verwandt sind, für den Transfer von Genen zwischen verschiedenen Nematodenarten verantwortlich sind. Die genetische Sequenz der Mavericks legt nahe, dass sie einen doppelten Lebensstil haben: Sie agieren sowohl als Transposons als auch als infektiöse, von einer Hülle umgebene Viren. Wie Mavericks jedoch auf molekularer Ebene HGT ermöglichen, ist noch ungeklärt.
Nachdem das Team den ersten HGT-Vektor bei Tieren entdeckt hat, wird es nun im TOP-GUN-Projekt die molekularen Grundlagen von HGT entschlüsseln und die Auswirkungen von HGT auf die Evolution untersuchen.
„Wenn wir das Wort ‚Virus‘ hören, denken wir fast automatisch an Krankheiten. Doch Viren sind weit mehr als das: Sie sind mächtige Treiber von Veränderungen, so alt wie das Leben selbst. Wir beginnen erst, ihren tiefgreifenden Einfluss auf die Evolution des Lebens zu verstehen“, erklärt Alejandro Burga.
Burga und sein Team wollen einen entscheidenden Beweis erbringen, der bisher schwer greifbar war: die Isolation infektiöser Maverick-Viruspartikel und den experimentellen Nachweis von HGT unter kontrollierten Laborbedingungen. Gleichzeitig untersuchen sie, wie Mavericks und ihr genetisches Frachtgut die Genom-Evolution beeinflussen und molekulare Innovationen katalysieren. Mithilfe computergestützter Analysen möchte das Team zudem systematisch weitere HGT-Vektoren in Eukaryoten aufspüren, um allgemeine Prinzipien des HGT aufzudecken.
Das TOP-GUN-Projekt hat das Potenzial, HGT als neues experimentelles Forschungsfeld zu etablieren und die Entwicklung innovativer Gentransfertechnologien für Nematoden voranzutreiben. Solche Technologien könnten genutzt werden, um parasitäre Nematoden – ein großes Problem für Gesundheit und Landwirtschaft – genetisch zu verändern. Dadurch könnten Gen-Drives entwickelt werden, um diese Krankheitsüberträger gezielt zu kontrollieren.
„Für uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa, die sich der Grundlagenforschung widmen, ist der ERC von entscheidender Bedeutung. Er gibt uns die Möglichkeit, mutig zu sein und großen Ideen nachzugehen, die nicht nur unsere Neugier auf die Natur stillen, sondern oft auch auf überraschende Weise die Lebensqualität der Menschen verbessern“, erklärt Burga. „Mit meinem großartigen Team und mit der erstklassigen Unterstützung von IMBA und der ÖAW freue ich mich darauf, dieses Projekt zu starten – und bin gespannt, welche Entdeckungen uns erwarten.“
Über Alejandro Burga
Alejandro Burga ist seit 2019 Gruppenleiter am IMBA. Er promovierte an der EMBL-CRG Systems Biology Unit und der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. Anschließend absolvierte er ein Postdoc bei Leonid Kruglyak, zunächst in Princeton, dann an der UCLA. Alejandro Burga wurde in die Junge Akademie der Wissenschaften Österreichs (2022) und das EMBO Young Investigator Program (2023) gewählt.
Über den ERC
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und ist das führende europäische Förderinstrument für herausragende Grundlagenforschung. Der ERC hat die Mission, durch wettbewerbsorientierte Förderungen Spitzenforschung in Europa in allen Bereichen zu ermöglichen. Der ERC bietet vier Hauptförderprogramme: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Alejandro Burgas ERC Consolidator Grant ist der 24. ERC-Grant, der an einen Gruppenleiter oder eine Gruppenleiterin des IMBA verliehen wurde.