PREDIGTHANDSCHRIFTEN IM FRÜHMITTELALTERLICHEN BAYERN


Das Projekt setzte sich mit der Frage nach Predigten und Predigtsammlungen des frühen Mittelalters auseinander, deren Stellenwert für den sozialen Raum und das politische Umfeld, in denen sie entstanden sind, näher untersucht wurde.

Ein wesentlicher Aspekt war dabei das Verhältnis zwischen dem Autor bzw. Kompilator von Predigtsammlungen und deren Auftraggebern bzw. Widmungsträgern und dem intendierten Publikum, wodurch sich spezifische Entstehungs- und Verwendungssituationen, sowie bestimmte Verwendungszwecke für unterschiedliche Predigtsammlungen unterscheiden lassen.

Weiters wurden Fragestellungen nach den Beziehungen von Predigtsammlungen untereinander, zu patristischen Texten, die oft als Vorlage herangezogen wurden, exegetischen Traktaten und Hagiographie, sowie zu Liturgie und normativen Texten untersucht. Dabei kam dem Spannungsfeld von Réécriture, Kompilation und Adaptation eine große Bedeutung zu, sind doch einerseits die Predigten bekannter Autoren, wie z.B. des Augustinus, in zahlreichen Handschriften und weiträumig überliefert, aber auch unter ihrem Namen andere Predigten verbreitet worden, deren anonyme Verfasser oft zu wenig Beachtung finden. Die in mittelalterlichen Kompilationen überlieferten Predigttexte wurden meist nur in Hinblick auf den Autor der Vorlage untersucht, selten aber die besondere Anwendung und Aneignung dieser Texte für einen spezifischen Kontext, worin sehr viel Eigenständigkeit und „Originalität" der anonymen Kompilatoren zu entdecken ist.

Besonders interessant erschien die Frage nach der Positionierung und Rolle des Sprechers in Zusammenhang mit Predigten, für die verschiedene Strategien und Ressourcen herangezogen wurden. Diese wurden im Vergleich mit anderen Genres, die der Predigt nahe stehen (z.B. Exegese, Hagiographie), untersucht und spezifiziert, wodurch die besonderen Kommunikationssituationen, in denen Predigtsammlungen stehen und entstehen, aufgezeigt werden konnten.

Die angesprochenen Fragestellungen, wie Autor und Kompilator, Vorlage und Réécriture, Publikum und sozialer Raum, Vielfalt der Einsatzbereiche und Funktionen, Nähe und Überschneidung mit anderen Genres, wurden anhand ausgewählter Predigtsammlungen bzw. Autoren exemplarisch untersucht, wie z.B. Hrabanus Maurus, Paulus Diaconus, Alanus von Farfa u.a. Der bayerische Raum bot aufgrund der guten Überlieferungssituation solcher Sammlungen in diesem Bereich eine günstige Ausgangslage für diese Untersuchungen. Auch die Überlieferung anderer Texte in diesem Raum, die über soziale Gemeinschaften, ihre Wahrnehmungen und möglichen Gestaltungen Auskunft geben (z.B. hagiographische Texte, Urkunden, Besitzverzeichnisse oder Memorialüberlieferung), ermöglichte eine genauere Einordnung von Predigtexten und ihrem möglichen Beitrag zur Gestaltung sozialer Gemeinschaften.

Projektleiter: 

Herwig Wolfram 

Mitarbeiter/innen:

Marianne Pollheimer

Maximilian Diesenberger

Projektnummer: P 17708

Laufzeit: 01.04.2005 - 31.03.2009