Personale Strukturen informeller Entscheidungs- findungsprozesse an den Höfen des Spätmittelalters

FWF-Projekt I 4076

Projektleiter:PD Dr. Andreas Zajic
Projektmitarbeiter/innen:
Dr. Sonja Dünnebeil
Dr. Jonathan Dumont
MMag. Dr. Daniel Luger (bis Febr. 2022)

Laufzeit: 3/2019-2/2022

Forschungen zur Ausbildung politischer Eliten und zu den für eine Integration von Personen an den als “points of contact”, Schauplatz politischer Entscheidungsfindungsprozesse und als soziales ebenso wie symbolisches System aufgefassten Höfen des Spätmittelalters treibenden Kräften sind seit längerem etablierter Gegenstand europäischer Mediävistik. Ebenso lange wurde die Rolle debattiert, die einflussreiche Einzelpersonen bei Hof bei der Konturierung der Politikgestaltung ihrer Fürsten spielen konnten. Meist wurden dabei die mächtigsten Räte und Amtsträger als Günstlinge ihrer Herren betrachtet, die eigennützig von ihrer unverhältnismäßigen Gunst bei den Herrschenden profitierten; eine Eigenschaft, die sie stets einem Sturz und einer Entfernung vom Hof aussetzte. Erst in den letzten Jahren wurde in der Literatur die Bedeutung von Vertrauen und Freundschaft sowie von Loyalität als zentrale Faktoren wechselseitiger Bindungen von Fürsten und jenen außergewöhnlich herrschernahen Personen betont, die als secundi a rege gelten.
Das Projekt setzt sich zum Ziel, eine kleine Gruppe von an den Höfen der spätmittelalterlichen Könige und Kaiser verankerten Personen zu untersuchen, die in einem Ausmaß Einfluss auf die Politik ihrer Herren (und bisweilen unmittelbar auf die Person des Herrschers) ausüben konnten, das nicht (in erster Linie) in ihrer formalen Position in der Hierarchie des Hofs oder in Funktionen und Ämtern in Rat und Kanzlei begründet lag. Durch die Beleuchtung der Karrieren und Biographien des böhmischen Unterkämmerers König Wenzels, Sigmund Huler, des Italieners Brunoro della Scala, Schlüsselfigur einer italienischen “Partei” am Hof König/Kaiser Sigismunds, Sigmund Prüschenks, Rat Kaiser Friedrichs III., und Zyprians von Northeim, genannt Serntein, Hofkanzler Maxmilians I., und deren Vergleich mit der zentralen Rolle, die Kaspar Schlick als Reichskanzler und Spitzendiplomat König/Kaiser Sigismund im Dienst dreier aufeinanderfolgender Römischer Könige und Kaiser spielte, versucht das Projekt eine neue Typologie von “Grauen Eminenzen” bei Hof zu erarbeiten, die ältere Konzepte von Günstlingen als Vertraute des Fürsten zurechtrücken und teilweise ersetzen soll. Aus der Untersuchung von Fallstudien außergewöhnlich einflussreicher Höflinge und engster fürstlicher Ratgeber und deren Karrieren und Strategien der Teilhabe an der Macht sollen Aufschlüsse über allgemein wirksame personale Strukturen als Grundlagen informeller Entscheidungsfindungsprozesse an spätmittelalterlichen Höfen gewonnen werden.
Das international angelegte Projekt wird in enger und integrativer Kooperation zwischen Forschergruppen des IMAFO und dem Institut für Historische Hilfswissenschaften und Archivistik an der Universität Brünn durchgeführt: Šedé eminence v akci: neformální personální struktury na pozdně středověkých dvorech (GREMIA).

Projektleiter: Mgr. Petr Elbel, PhD
Projektmitarbeiter: Mgr. Stanislav Bárta, PhD / Mgr. Ondřej Schmidt