Noch in der Nacht des 11. März 1938, als die ersten deutschen Truppen in Österreich einmarschierten, begannen Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden. Mitglieder von SA und SS aber auch Zivilisten schlugen die Scheiben von jüdischen Geschäften ein und plünderten diese. Jüdinnen und Juden wurden tätlich angegriffen, erste „wilde Arisierungen“, also Aneignungen von jüdischen Betrieben, Geschäften, Autos usw., durchgeführt. Die Polizei unternahm nichts dagegen, im Gegenteil, sie bedrohte Juden, die es wagten, Anzeigen zu erstatten. Die jüdische Bevölkerung war über Nacht rechtlos geworden. Zusammen mit Gegnern des NS-Regimes wie Vertretern des autoritären „Ständestaats", Kommunisten und Sozialisten wurden auch Juden festgenommen. Ein Teil von ihnen, wie der in Währing lebende prominente Rechtsanwalt und zionistische Politiker Jakob Ehrlich, wurde in Konzentrationslager überstellt. Die Angst vor einer Verhaftung sowie die Verzweiflung über ihre völlige Rechtlosigkeit und der Verlust ihrer Existenz trieben viele Jüdinnen und Juden in den Selbstmord. Andere zogen wie Hertha Pauli sogleich die Konsequenzen und verließen Österreich umgehend, was für sie Jahre der Flucht, Unsicherheit und auch Lebensgefahr bedeuten konnte.


Demütigung, Verhaftung und Beraubung

In den Straßen Wiens waren nach dem „Anschluss“ Demütigungsrituale an der Tagesordnung. Große Beliebtheit bei Wiener Schaulustigen genossen die „Reibpartien“, bei denen jüdische Männer und Frauen aus ihren Wohnungen und Geschäften geholt oder unterwegs auf der Straße angehalten wurden, um österreichpatriotische Parolen von den Straßen zu waschen. Besonders schmerzlich für die Jüdinnen und Juden war dabei, dass die meisten ihrer Nachbarn und Bekannten ihr Leid teilnahmslos hinnahmen oder nicht wagten, ihnen zu helfen.