Das NS-Regime hatte für die Jüdinnen und Juden, denen es bis 1941 nicht gelungen war, den deutschen Machtbereich zu verlassen, die Vernichtung vorgesehen. Nach Abschluss der großen Deportationen im Oktober 1942 aus Wien lebten hier knapp 8000 Personen, die gemäß den „Nürnberger Rassegesetzen“ als jüdisch galten. Die Mehrheit dieser Überlebenden, 5.564 Personen, waren durch eine/n nichtjüdische/n Ehepartner/in vor der Deportation geschützt, lebten also in sogenannten „Mischehen“, die anderen waren Angestellte der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, die im November 1942 aufgelöst und in den „Ältestenrat der Wiener Juden“ umgewandelt wurde. Von den als Juden Verfolgten, die im Frühjahr 1945 in Wien ihre Befreiung erlebten, lebten 4.853 in „Mischehen“, hatten die NS-Zeit also unter dem Schutz eines nichtjüdischen Partners oder einer nichtjüdischen Partnerin überlebt, sowie 813 „Geltungsjuden“, welche durch einen nichtjüdischen Elternteil geschützt waren. Lediglich 219 Jüdinnen und Juden, die für den „Ältestenrat“ gearbeitete hatten oder durch eine ausländische Staatsbürgerschaft geschützt gewesen waren, überlebten die NS-Zeit in Wien. Daher ist festzustellen, dass es vor allem „Mischehen“ waren, die ein Überleben der NS-Zeit in Wien für Jüdinnen und Juden möglich machten. Dies war der Tatsache zu danken, dass die nichtjüdischen EhepartnerInnen trotz erheblichem behördlichen Druck, gesellschaftlicher Ausgrenzung und schwerwiegender wirtschaftlicher Schlechterstellung sich nicht zur Scheidung hatten überreden lassen und ihren jüdischen Partner/innen und Kindern treu geblieben waren.


Einige Jüdinnen und Juden versuchten, sich den drohenden Verhaftungen oder Deportationen zu entziehen, indem sie untertauchten. Manche kamen bei nichtjüdischen Bekannten, Freunden und häufig auch bei Fremden unter. Viele Helfer/innen versteckten sie unentgeltlich, andere gegen Bezahlung. Untertauchen war nicht nur gefährlich für U-Boote, wie die Untergetauchten genannt wurden, sondern auch für ihre Helfer/innen und deren Familien, da das Verstecken von Jüdinnen und Juden mit schweren Strafen bis hin zur KZ-Haft bestraft wurde. Außerdem war es kostspielig, da Nahrungsmittel, Medikamente und auch Kleidung rationiert waren. Wer keine behördlich ausgestellten Marken besaß, musste sich auf dem Schwarzmarkt versorgen, was teuer und auch mit hohen Strafen belegt war. Die Zahl der U-Boote in Wien war daher gering: Die Historikerin Brigitte Ungar-Klein hat 1.634 Personen erfasst, die ein Überleben im Verborgenen versuchten, sowie sechs WiderstandskämpferInnen. Etwa ein Drittel der Untergetauchten wurde von der Gestapo ausgeforscht und ermordet. Im Zuge ihrer Recherchen fand Ungar-Klein 53 U-Boote mit einem Bezug zum Bezirk Währing (entweder als Fluchtort oder als ehemaliger Wohnort). Dabei handelte es sich um Personen, die entweder vor dem „Anschluss“ in Währing gelebt hatten oder sich in der NS-Zeit zumindest zeitweise hier verstecken konnten. Bisweilen waren U-Boote auch in mehreren Bezirken untergetaucht. Eines dieser „U-Boote“, die nur in Währing versteckt waren, war die 1888 geborene Marie Steinbach.

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Unter jenen, die versuchten, U-Booten das Überleben zu ermöglichen, waren auch Jüdinnen und Juden. Dr. Heinrich Neuhaus (geb. 1891) gehörte zu den wenigen Ärzten des Rothschildspitals, die auch nach den großen Deportationen in Wien bleiben und weiterarbeiten konnten. Doch nachdem die Gestapo herausgefunden hatte, dass er U-Boote versteckt hatte, wurde er zusammen mit seiner Frau Wanda (geb. 1892) und Sohn Herbert (1923-2016) im November 1943 nach Theresienstadt deportiert. Die Familie überlebte in Theresienstadt und kehrte nach Wien zurück. Herbert Neuhaus studierte Medizin in Wien und wanderte danach in die USA aus, wo er in Chicago lebte.

Zu den jüdischen Helfer/innen gehörte auch die Fürsorgerin der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Franzi Löw (1916-1997). Sie war in Währing aufgewachsen und hatte zusammen mit ihrer Mutter in 18., Währinger Straße 167 gelebt, bis sie nach dem „Anschluss“ delogiert und in eine schlechtere Wohnung in 2., Untere Donaustraße 33 umgesiedelt wurde. Bei ihrer Tätigkeit für verfolgte Jüdinnen und Juden unterstützten sie auch nichtjüdische Regimegegner. So überließen ihr zwei Währinger Bäcker täglich zehn Liter Milch und zwanzig Kilogramm Brot.


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