Dr. Karl Lion, 18., Starkfriedgasse 25: Dr. Heinrich Moser, 18., Währingerstraße 93


Gleich nach dem „Anschluss“ wurden jüdischen Ärztinnen und Ärzten die Krankenkassenverträge gekündigt und sie verloren sukzessive ihre Posten in den Spitälern. Am 30. September 1938 erfolgte das endgültige Berufsverbot. „Arische“ Ärzte und Ärztinnen und bald auch „arisches“ Pflegepersonal durften jüdische PatientInnen nicht behandeln. Dies galt auch für Krankenhäuser. Das Rothschildspital  war das einzige Krankenhaus Wiens, das Jüdinnen und Juden offenstand. Daneben erhielt eine kleine Zahl jüdischer ÄrztInnen, die sich nun „Krankenbehandler“ nennen mussten, die Genehmigung, jüdische PatientInnen weiter zu behandeln. Die Zionistische Rundschau bzw. das Jüdische Nachrichtenblatt, welche die jüdische Bevölkerung über die ständig neuen gesetzlichen Einschränkungen und Vorschriften informierten, publizierten die Namen und Adressen von „Krankenbehandlern“, an die sich jüdische PatientInnen wenden konnten.


Bis zum „Anschluss“ wohnten 114 Ärzte und Ärztinnen in Währing. Davon hatten 67 auch ihre Praxis hier. Laut Zionistischer Rundschau ordinierten 1938 nur mehr vier „Krankenbehandler“ in Währing: der Allgemeinmediziner Dr. Heinrich Moser in der Währingerstraße 93 und Dr. Alois Wertheimer in der Köhlergasse 1, der Dermatologe Dr. Isidor Knossew in der Gentzgasse 7, und der Zahnarzt Dr. Bruno Klein in der Scheidlstraße 55. Im Juli 1939 gab es laut Jüdischem Nachrichtenblatt nur mehr zwei Ärzte in Währing, nämlich Dr. Heinrich Moser und Dr. Karl Lion. Darüber hinaus ordinierte hier noch eine Zahnärztin, nämlich Dr. Charlotte Grieshaber, in 18., Semperstraße 41. Die Verlautbarungen im Jüdischen Nachrichtenblatt waren in einer Zeit, da die jüdische Bevölkerung verzweifelt versuchte, Österreich so rasch wie möglich zu verlassen, nur Momentaufnahmen. So ordinierte der bekannte Urologe Dr. Karl Lion nur mehr sehr kurze Zeit in Währing, da ihm und seinen Töchtern Frieda und Ilse noch die Flucht nach Großbritannien gelang. Dies war nur vor Kriegsbeginn am 1. September 1939 möglich, danach schloss Großbritannien seine Tore für Flüchtlinge aus dem deutschen Machtbereich. Dr. Karl Lions Frau, Dr. Gisela Lion, geb. Meitner (1879-1966), die ebenfalls Ärztin und die Schwester der Kernphysikerin Lise Meitner (1878-1968) gewesen war, konnte ebenfalls nach Großbritannien flüchten. Es ist anzunehmen, dass auch den anderen „Krankenbehandlern“ die Flucht gelang, da ihre Namen nicht in der Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes aufscheinen. Einer von ihnen war Dr. Isidor Knossew. Der Zahnarzt und Universitätsprofessor Bruno Klein (1879-1954) überlebte in einer Mischehe in Wien.

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