Kommentierte historisch-kritische Edition: Ernst Freiherr von Feuchtersleben.

Sämtliche Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Text. Apparat. (KFA)
Projektabschnitt KFA Band III/1.2. Kritische Schriften und Aphorismen

Das Editionsprojekt KFA Band III, Teil 1 und 2, orientiert sich an den Editionsprinzipien und wissenschaftlichen Vorgaben der Gesamtedition.

Unter dem Titel „Kritische Schriften“ kollationiert das gegenständliche Projekt sämtliche Aufsätze, Rezensionen und Berichte zu Literatur, Theater, Kunst und Musik sowie zur Philosophie und Naturwissenschaft, die Feuchtersleben verstreut in Journalen publiziert hat, und die nicht in die Buchpublikationen seiner kritischen Schriften, die „Beiträge zur Literatur, Kunst- und Lebens-Theorie“ (1837) sowie die „Lebensblätter“ (1841), Eingang gefunden haben. Einen gesonderten Forschungsbereich mit eigener editionsmethodischer Problematik bildet das umfangreiche aphoristische Werk Feuchterslebens.

Einen Schwerpunkt der Kritischen Schriften bildet die Rezeption Goethes, zumal seines Spätwerks (Aufsätze über Goethes Faust, über Rahel Varnhagen und Bettine von Arnim; Rezensionen zu Enk, Deycks, Kannegießer, Wurm, Löwe, Zauper). Demgegenüber steht eine – mit der österreichischen Zensur in Gestalt von Metternich höchstpersönlich in scharfen Konflikt geratene – Auseinandersetzung mit den (verbotenen) Schriften des „Jungen Deutschland“ (Wienbarg, Gervinus). Auffallend ist die Tendenz Feuchterslebens, im zeitgenössischen, von der Tendenzliteratur beherrschten Diskurs weitgehend vernachlässigte, speziell österreichische literarische Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu fördern (Prechtler, Bauernfeld, Senn, Schober, Sedlmayr). Unter den Besprechungen mundartlicher Dichter (u.a. Kaltenbrunner) zeichnet sich die publizistische Beachtung Franz Stelzhamers besonders aus, die der bekannten Rezension von Adalbert Stifter noch vorausging.

In ihrer spezifischen Rezeption der zeitgenössischen deutschen Literatur zeigen die Schriften Feuchterslebens signifikante Differenzierungen und Abgrenzungen des österreichischen ‚Point of view’ gegenüber der literarischen Romantik und dem Jungen Deutschland. Diätetische Postulate eines ausgewogenen Affekthaushaltes regieren dabei die Kategorie einer ‚pathologischen Literaturkritik’, aus der die Rezeption der Weimarer Klassik, namentlich des Spätwerkes Goethes, hervorragende Bedeutung gewinnt. Diese Rezeptionsdominanten bilden wichtige Anhaltspunkte für eine Differenzierung des soziokulturell anders determinierten kulturellen Systems der Donaumonarchie.
Einen eigenen gelehrten Bereich bildet die Rezeption der zeitgenössischen Orientalistik, insbesondere des Werks Hammer-Purgstalls, das Feuchtersleben mit umfangreichen Besprechungen begleitete (Hammer-Purgstalls „Osmanische Dichtkunst“ I und II, 1836/37; „Duftkörner, aus persischen Dichtern gesammelt“, 1837). – Feuchterslebens Schriften zum Theater und zur Musik gelten vor allem Wiener theatralischen Erscheinungen (Bauernfeld, Shakespeare-Deklamationen Holteis) und dem Gedenken Franz Schuberts, dessen Kreis auch Feuchtersleben angehörte.

Unter Feuchterslebens Schriften zur Kunst ragen umfangreiche Besprechungen der viel beachteten Wiener Kunstausstellungen hervor; daneben zeigt er sich auch auf diesem Gebiet als ein publizistischer Förderer einzelner Künstler (Carl Rahl, Peter Cornelius, Eberhard von Wächter, Georg W. Fasel). Auseinandersetzungen mit kunsttheoretischen Schriften belegen Feuchterslebens Orientierung an der klassischen Ästhetik. – Den Abschluss der Kritischen Schriften bilden eingehende Auseinandersetzungen mit zeitgenössischen Werken zur Philosophie und Naturwissenschaft, die (ebenso wie die Orientalistik) ihr wichtigstes publizistisches Forum in den gelehrten, von Johann Ludwig Deinhardstein herausgegebenen Wiener „Jahrbüchern der Literatur“ gefunden hatten. Innerhalb dieses Wissenschaftsdiskurses nimmt Feuchterslebens Besprechung der Abhandlung des Bolzano-Schülers Robert Zimmermann über „Leibnitz’s Monadologie. Deutsch, mit einer Abhandlung über Leibnitz’s und Herbart’s Theorieen des wirklichen Geschehens“ (1847) eine zentrale Stellung ein.

Ein so umfangreiches wie editorisch kompliziertes Kernstück des Projekts bildet die editorische Aufarbeitung des Aphorismenwerkes Feuchterslebens, der in der Nachfolge Lichtenbergs unzweifelhaft zu den bedeutendsten und produktivsten europäischen Exponenten des Aphorismus zählt. Im Zentrum steht die von Feuchtersleben (um 1849) selbst besorgte Sammlung „Confessionen“, die unter den Rubriken „Wissen – Kunst – Leben“ insgesamt 479 Einzelaphorismen anordnet. Bis kurz vor Lebensende geführt, vereinigt Feuchtersleben hier jene Aphorismen, die nicht in die gnomischen Sammlungen seiner drei vorangegangenen Buchpublikationen (Beiträge zur Literatur, Kunst- und Lebens-Theorie, 1837, Zur Diätetik der Seele 1838, Lebensblätter, 1841) aufgenommen worden sind. Zuzüglich der Ausbeute einer Erstdruckrecherche in österreichisch-ungarischen und süddeutschen Vormärzjournalen umfasst das gesamte aphoristische Textcorpus exakt 1513 Einzelaphorismen. Die zuvor zu digitalisierenden gnomischen Texte sollen einen komplexen Text-Abgleich (Buch-Aphorismen vs. Journal-Aphorismen) ermöglichen, so dass im Apparat eine Dokumentation der gattungsspezifischen Textgenese lakonisierender Optimierungsstufen geboten werden kann: Vom Quelltext über sentenzartig extrahierende Textvorstufen bis zur ‚gemeißelten‘ rhetorischen Verknappung auf die autonomisierte Sentenz und ihre semantisch wohlkalkulierte Kontextuierung in Aphorismen-Gruppen.

Die Aufgliederung des im Projekt bearbeitenden Textbestandes erfolgt in zwei Bänden:
Teil 1.
Schriften zu Literatur, Theater und Musik (1834–1848)
   Aufsätze
   Rezensionen
   Herausgegebene Schriften
Schriften zur Kunst (1835–1846)
 
(Text, Apparat) Umfang (nur Textteil): ca. 385 Druckseiten

Teil 2.
Schriften zur Philosophie und Naturwissenschaft (1840–1848: Jounaldrucke/Nachlass) ‚Confessionen‘ (Aphorismen-Slg.: Entst. bis 1849/posth. Druck: 1851) Aphorismen (1825–1849: Journaldrucke/Nachlass)  (Text, Apparat) Umfang (nur Textteil): ca. 280 Druckseiten. Incl. Kommentar wird jeder der beiden Bände des gegenständlichen Projekts ca. 500 Druckseiten umfassen. Bereits erschienen: KFA Bd. I/1.2: Gedichte; Bd. III: Pädagogische und politische Schriften und Reden; Bd. VI/1.2: Sämtliche Briefe – Autobiographische Schriften – Tagebuchblätter.


Information

Projektbearbeiter:
Barbara Otto

Finanzierung:
Drittmittel (FWF)