Oka Masao und die Genese des japanischen Volks
Thema
OKA Masao (1898–1982) kam in der Institutionalisierung der Ethnologie in Japan während und nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle zu. Nach seinem Studium der Soziologie in Tokyo und mehrjähriger Zusammenarbeit mit Yanagita Kunio, verbrachte Oka den Großteil der 1930er Jahre in Wien. Hier kam er in Kontakt mit der Wiener Schule der Völkerkunde, einer kulturdiffusionistischen Gegenbewegung zum Evolutionismus. Dieser Ansatz inspirierte Oka zur Abfassung einer deutschsprachigen Dissertation zur japanischen Ethnogenese, die er 1933 an der Wiener Universität einreichte. Nach seiner Rückkehr nach Japan Ende 1940 engagierte sich Oka energisch für die Errichtung eines Ethnischen Forschungsinstituts nach dem Vorbild der Auslandswissenschaftlichen Fakultät in Berlin. In diesem Zusammenhang setzte er sich lautstark für eine gegenwartsbezogene Ausrichtung ethnologischer Forschung ein, deren Ergebnisse bei der Verwaltung der japanischen Kolonien helfen sollten – nur um nach dem Ende des Krieges zum kulturgeschichtlichen Ansatz seiner Wiener Dissertation zurückzukehren.
Trotz dieser scheinbaren methodologischen Volten hat sich Okas primäres Forschungsinteresse nicht geändert. Sein Forschungsgegenstand waren „Völker“ (minzoku 民族), ein Begriff, den er zeitlebens verwendete (im Gegensatz beispielsweise zu Yanagitas wechselhaften Bezeichnungen wie jōmin 常民 oder minkan 民間). Dieser Vortrag macht es sich zur Aufgabe, die Bedeutung des Begriffs minzoku in Okas Arbeiten zu erörtern. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf Okas Rezeption des deutschen Begriffs „Volk“, die sich anhand früher Aufsätze zur deutschsprachigen Volks- und Völkerkunde beobachten lässt, sowie auf seiner Verwendung des Begriffs in programmatischen Reden der Kriegszeit und Aufsätzen der Nachkriegszeit. Auf diese Weise soll einerseits die Bedeutung des deutschsprachigen Volksbegriffs für die Herausbildung der japanischen Ethnologie beleuchtet werden und andererseits etwaige Bedeutungsänderungen in Okas Verwendung des Begriffs minzoku aufgedeckt werden.
Vortragender
David Weiß promovierte 2017 an der Universität Tübingen und ist seit 2021 Assistenzprofessor für japanische Literatur und Ideengeschichte an der Universität Kyūshū, Fukuoka. Er forscht zur Rezeptionsgeschichte der japanischen Mythen sowie zur Geschichte japanisch-koreanischer Beziehungen. Sein aktuelles Forschungsprojekt befasst sich mit Oka Masaos Modell der japanischen Ethnogenese als hybridem Produkt des österreichisch-japanischen Wissenschaftsaustausches in den 1930er Jahren. Aktuelle Publikationen sind The God Susanoo and Korea in Japan’s Cultural Memory: Ancient Myths and Modern Empire (Bloomsbury 2022) sowie Religionspolitik und politische Religion in Japan und Europa: Debatten um Polytheismus, Nationalismus und Kolonialismus (hrsg. mit Michael Mandelartz, J.B. Metzler 2024).
Anmeldung
Wenn Sie den Vortrag vor Ort besuchen möchten, melden Sie sich bitte bis 12. Dezember 2024 per E-Mail an office.ikga(at)oeaw.ac.at an.
Um online teilzunehmen, registrieren Sie sich bitte hier:
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