Glaubensgewissheit und Wahrheit in religiöser Tradition
- Datum: 27. Sept. – 30. Sept. 2004
- Ort: Institut für Südasien, Tibet- und Buddhismuskunde (ISTB), Seminarraum 1 (1. Stock)
Symposium Startpage
Abstracts
H.J. Adriaanse
H.J. Adriaanse
Glaubensgewißheit und Wahrheit in pluralistischer Sicht Den Haag
Einleitung
Glaubensgewißheit kann weder als bloßes Gefühl noch als zureichender Grund der Wahrheit des Glaubens gelten. Der religiöse Pluralismus läßt die Unhaltbarkeit dieser Meinungen klar hervortreten.
Abschn. I
Der religiöse Pluralismus als Paradigma, bzw. Ergebnis eines rezenten Paradigmenwechsels.
Abschn. II
Inhaltliche Charakterisierung des Pluralismus: prinzipielle Gleichwertigkeit der Religionen. Ablehnung des sog. Konfessionalismus. Erste Diskussion über den sog. Naturalismus.
Abschn. III
Über Glaubensgewißheit. Sie ist elementaren logischen Bestimmungen nicht enthoben. Der christliche Begriff von Glaubensgewißheit ist derart verschlungen, daß Rekonstruktion nötig ist. Das pluralistische Paradigma gibt Hinweise dazu, sowohl hinsichtlich des kognitiven als des praktischen Aspektes der Glaubensgewißheit.
Abschn. IV
Über Wahrheit. Das pluralistische Paradigma bietet Perspektiven für die Behandlung strittiger Wahrheitsansprüche. Hicks Dreiteilung der Arten von religiösen Differenzen: historische, transhistorische und die Wahrnehmungs- und Ausdrucksweise betreffende. Die Unterscheidung zwischen wörtlicher und mythologischer Wahrheit.
Abschn. V
Grenzen des pluralistischen Paradigmas. Zweite Diskussion über den Naturalismus. Keine Verpflichtung auf den (erkenntnistheoretischen) Realismus. Das Mögliche und das Fiktionale als Dimensionen der Religion. Option für ein neutralistisches Religionsverständnis.
Desiree Berendsen
Desiree Berendsen
Hingabe als Bedingung der Erfahrung des Glaubensgewissheits: Über Schleiermacher und religiöse Emotionen Antwerpen
Wenn es sich in religiösen Traditionen um Gewissheit und nicht um Wahrheit als Übereinstimmung von Denken und Sein handelt, stellen sich einige Fragen. Erstens die Frage, was Gewissheit ist. Was meinen wir, wenn wir von Gewissheit sprechen? Im Gegensatz zur Wahrheit, die feststellt und gemessen werden kann, kann Gewissheit nicht gemessen werden, sondern muss erfahren werden. Wenn wir über Gewissheit sprechen, sprechen wir also über Erfahrung. Zweitens kommt die Frage auf, was wir als gewiss annehmen können, und was nicht. In gewissem Sinne ist es kennzeichnend für religiöse Gewissheit, dass man vorher nicht gewiss sein kann, ob es richtig ist oder nicht. Glaubensgewissheit kann man nur erfahren. Eben die Erfahrung kann man nicht erzwingen. In diesem Sinne ist Religion ganz anders als Ethik. Vielleicht ist es denkbar, eine Ethik zu entwickeln, die allgemein akzeptabel ist. So wie die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" allgemein gültig ist. Religion ist nicht allgemein gültig. Religion ist nicht etwas Natürliches. Obwohl es wahr sein könnte, dass jeder Mensch potentiell religiös ist, setzt Religion vielmehr eine persönliche Wahl voraus. Glaubensgewissheit kann nur von jemandem erfahren werden, der etwas wagt. Die dritte Frage lautet: unter welchen Umständen jemand dieses Wagnis wagen kann.
In meinem Vortrag möchte ich versuchen, diese drei Themen zu erläutern. Erstens sage ich etwas über Religion und Emotion. Zweitens zeige ich, dass diese Verbindung von Religion und Emotion schon bei Schleiermacher gegeben ist. Für Schleiermacher sowie in der gegenwartige analytische Philosophie, ist Emotion (oder Gefühl) kein eindeutiger Begriff. Ich zeige wie bei Schleiermacher Emotion und Glaubensinhalt zusammenhängen. In gewisser Weise lese ich Schleiermacher also als einen gegenwartigen Theoretiker der Emotionen. Bei Schleiermacher ist das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl das Grundlegende der Religion. Religiös ist das Abhängigkeitsgefühl wenn es schlechthinnig, d.h. absolut ist. Dieses Absolute schließt schon das Element von Hingabe ein. Drittens deute ich an, dass meines Erachtens Hingabe der wichtigste Unterschied zwischen Ethik und Religion ist, das aber die Hingabe nicht meint, dass man sich ohne weiteres an etwas hingeben soll
John B. Carman
John B. Carman
Between Certainty and Truth: Indian Dreams and Their Multiple Interpretations Harvard
Both in India and the modern West, dreams have often been considered a very different form of consciousness from both “common sense” awareness in the waking state and more sophisticated forms of rationality. While dreams have often been devalued as irrational, they have sometimes been valued above waking rationality. A specific form of the positive valuation is the interpretation of some special dreams as supernatural communication. Is either the dreamer’s consciousness when receiving the communication or the subsequent affirmation of the truth of the communication a special form of Glaubensgewissheit?
I shall focus on specific examples from a study of village Christians in South India, in which I participated in 1959. In these cases the subjects explained their conversion to Christianity as a result of their encounter with Jesus in a dream. In one case, a Hindu woman dreamt that Jesus touched her on the abdomen where she had severe pain and put three pills into her mouth. Upon awaking next morning, the pain, which had persisted for two months, was gone. In another dream, a young Hindu man saw and heard a divine figure, whom he thought was Krishna, tell him to accept the next marriage proposal he received in the mail. When the letter came, however, he was surprised because the author was a Christian who offered his daughter in marriage on the condition that the young man become a Christian. Because of Krishna’s command in the dream, the young man agreed to be instructed in the Christian faith by his prospective father-in-law. The young man finally decided that the figure in his dream was not Krishna but Christ, was baptized, and later became a Christian catechist.
Revelatory dreams must be considered together with their interpretations. The process begins when the dreamers interpret their dreams as they remember and recount them. It continues with a fusion of interpretation and memory during further retellings. These stages become more significant if the dream is connected with some decisive event in the waking life of the individual or the public history of his or her community. While many dreams are rather vague, these dreams are often vivid, so that the dreamers are themselves certain of the truth of their dreams. Even if an interpretation affirms the dreamer’s experience, it may find it difficult to harmonize the dream with already accepted revelation and/or rationally interpreted reality. Not only dreams, but also visions and various ecstatic states have been frequently subject to either the scorn or the attempted control of theologians and religious leaders who have preferred to regard revelation as primarily in ancient texts and utterances, whose meaning is to be determined by elaborate rules of interpretation.
Our scholarly interpretation of religion begins with the traditional interpretations of scripture and rituals and notes how such orthodox traditions conflict with and/or are sometimes transformed by less orthodox traditions such as that concerning revelatory dreams. In a number of cases, however, such as those in my examples, the same phenomenon may be interpreted from different religious perspectives, and, in the case of dreams, from both religious and secular perspectives. Usually the different interpretations are by people in different communities, but they may occasionally be by the same person at a point of transition or “conversion,” or in a continued state of divided allegiance and dual participation. Does this complicate our understanding of Mythisierung? If genuine encounter with transcendence, as Professor Oberhammer suggests, is in some sense a mystical experience, does the specific character of a particular religious experience derive from the “encounter” itself or from the tradition of its interpretation? And where do we stand when we try to answer that question: within a “neutral” academic setting, as part of a traditional religious community of interpretation, or in a dangerous “no man’s land” between opposing camps? Is it possible to come to a cross-cultural interpretation of religion that does not, wittingly or unwittingly, accept the dogmatic framework of a single religious tradition or the equally dogmatic presuppositions of modern secular humanism
Johann Figl
Johann Figl
Wahrheit der Religionen: Ein Problem der neueren Religionswissenschaft und -phänomenologie (Wien)
Das Verhältnis der Religionswissenschaft zur Wahrheit der Religionen ist besonders in der jüngeren Entwicklung dieser Disziplin zu einem Problem geworden. Religionswissenschaft heute versteht sich als eine empirische Disziplin, und es ist eine weithin akzeptierte Meinung, dass deshalb die Wahrheitsfrage in jeder Hinsicht von diesem Fach ausgeschlossen sei.
In dem Referat soll aufgezeigt werden, wie sich diese Auffassung in den letzten Jahrzehnten im Gegenzug zur Religionsphänomenologie und deren Wahrheits- und Wesensverständnis entwickelt hat. Vor diesem Hintergrund soll im Anschluss an Ansätze der sogenannten Neuen Religionsphänomenologie (C. Colpe, J. Waardenburg) versucht werden, der Wahrheitsthematik innerhalb der Religionswissenschaft einen neuen Stellenwert zu geben, der sowohl dem heutigen wissenschaftstheoretischen Selbstverständnis dieser Disziplin entspricht, als auch offen für hermeneutische Dimensionen des lebensweltlichen Gesamtkontextes ist, in dem sich die religiösen Phänomene befinden. Gerade Themen der Angewandten Religionswissenschaft legen eine solche Öffnung nahe; auch im Hinblick auf die Interdisziplinarität des Faches ergeben sich daraus neue Perspektiven
Jan C. Heesterman
Jan C. Heesterman
Zum Begriff der Sraddha Leiden
Sraddha, "Glauben", spielt eine wichtige Rolle im altindischen Opferwesens, namentlich im Sinne von Glaube an die Wirksamkeit des Opfers und der brahmanischen Opferkundigen. Auf diese Rolle hat H.-W. Köhler in seiner immer noch wertvollen Abhandlung, Sraddha in der vedischen und altbuddhistischen Literatur (Wiesbaden 1973) schon hingewiesen. Es ist dann auch in der Perspektive des krisenhaften Opfers und dessen Umbruch, dass Eigenart und Entwicklung des Begriffes Sraddha sich erklären lassen.
Matthias Jung
Matthias Jung
Gewissheit, Bedeutung, Praxis: Eine pragmatische Perspektive Frankfurt am Main
Der Vortrag behandelt das Verhältnis von Gewissheit und Wahrheit aus der Perspektive einer hermeneutisch-pragmatischen Theorie alltäglicher Erfahrung. Im Zentrum wird die Auseinandersetzung mit zwei einschlägigen Thesen John Deweys stehen: 1. Wahrheit ist ein Sonderfall von Bedeutung; 2. Die Suche nach (absoluter) Gewissheit ist illusorisch und inhuman.
Aus der Diskussion dieser Thesen ergibt sich eine Neubestimmung der Rolle praktischer Gewissheit im Sinne prinzipiell fallibler und erfahrungsoffener Überzeugungen, ebenso aber auch ein neues Verständnis der Rolle kognitiver Wahrheiten im Kontext emotional gefärbter Bedeutungen und praktischer Vollzüge. Der nächste Schritt besteht dann darin, das so gewonnene Verständnis lebensweltlicher Orientierung auf seine religionsphilosophische Fruchtbarkeit hin zu befragen: insbesondere ist zu klären, inwieweit ein holistischer Bedeutungsbegriff und ein fallibilistisches Verständnis praktischer Gewissheit mit den sozialen Funktionsbedingungen und dem normativen Selbstverständnis religiöser Traditionen vereinbar sind. Diese Frage wird abschließend im Kontext einer gängigen religionsphilosophischen Bestimmung erörtert, die Religionen als Kulturen des Umgangs mit/der Bewältigung von Kontingenz versteht. Hierzu führe ich eine Unterscheidung zwischen materialem und formalem Kontingenzbewusstsein ein, mit deren Hilfe die pragmatische Perspektive auf Religion klare Konturen gewinnt.
Armin Kreiner
Armin Kreiner
Warum können Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen ? München
Die Überlegungen gehen von folgendem Definitionsvorschlag aus: "Wahrheit" wird verstanden als eine Eigenschaft von Aussagen, die von deren Beziehung zu den Tatsachen abhängt. Gewissheit bezeichnet dagegen das Verhältnis, das wir zu unseren Überzeugungen einnehmen. Auf der Basis dieses Vorschlags soll in einem ersten Teil gezeigt werden, dass sich ein Großteil der abendländischen Philosophie als (erfolgloser) Versuch interpretieren lässt, Wahrheit und Gewissheit zu verknüpfen. In einem zweiten Teil werden dann einige Versuche innerhalb der christlichen Tradition diskutiert, das Gewissheitsproblem zu lösen. Auch diese Versuche erweisen sich als wenig Erfolg versprechend. Abschließend soll deutlich werden, warum der Stellenwert der Gewissheit für den Glauben traditionell überschätzt wurde.
Klaus Müller
Klaus Müller
Zwischen Ichgewissheit und Fiktion: Über die Grenzlogik religiöser Wahrheit Münster
Wer für geboten hält, inmitten der von Religionsproduktivität „dampfenden“ (W. Frühwald) Spätmoderne auf vernunftgeleiteter Orientierung zu beharren, findet in G. Oberhammers transzendentaler Religionshermeneutik ein philosophisch so komplexes wie theologisch herausforderndes Instrumentar. Die Fortschreibungen hinsichtlich der Frage des Wirklichkeitsbezugs und der Wahrheitsfähigkeit religiöser Traditionen, zu denen es im besten Sinn des Wortes provoziert, lassen sich wohl am ehesten aus einer für theologische Begründungsleistungen beanspruchbaren philosophischen Konzeption von Subjektivität gewinnen. Der Vortrag sucht auf dem Hintergrund gegenwärtiger einschlägiger theologischer Debatten den Umriss einer solchen Konzeption zu skizzieren und wird – geleitet von I. Kant und D. Henrich – sein Zentrum in der Frage finden, inwiefern sich Fiktionen Wahrheit zuschreiben lässt. Abschließend wird der Theorievorschlag dadurch einer Belastungsprobe unterzogen, dass er auf sein Verständigungspotential in der jüngst aufgebrochenen Debatte Monotheismus versus Kosmotheismus geprüft wird.
Gerhard Oberhammer
Gerhard Oberhammer
Glaubensgewissheit als Ausdruck spiritueller Erfahrung:
Das Beispiel Rāmānujas Innsbruck/Wien
Am Beispiel der Spiritualität Rāmānujas wird die These, dass Glaubensgewissheit das spirituelle Ereignis des Zur-Erfüllung-Kommens der relationalen Einheit des Subjektes mit der in der Mythisierung gegenwärtigen Transzendenz ist, weiter entfaltet. Gerade an Rāmānujas Beschreibung der Meditation kann gezeigt werden, dass für das Subjekt in der Meditation die ontologische Abhängigkeit und die relationale Hingeordnetheit seines Atman auf Gott als eine relationale Einheit dieser beiden zur Erscheinung kommt. Rāmānujas Aussage, dass das meditierende Subjekt seinen eigenen Atman als Körper des Gottes zur Erfahrung bringt, kann hier als Leitstruktur der Meditation gedeutet werden.
Die meditative Erfahrung, die Rāmānuja beschreibt, ist daher weder eine begrifflich reflektierte Erkenntnis oder ein Ergebnis einer durch Erkenntnismittel hervorgerufenen Erkenntnis, sondern sie ist ein Innewerden einer relationalen Seinseinheit in einem unmittelbaren Akt einheitlicher Erfahrung, der ausschließlich die Seinsbefindlichkeit des Atman zum Gegenstand hat.
Damit kann gezeigt werden, dass der höchste Atman bzw. Gott, im Bewusstsein dieses Subjektes als ontologische Bedingung seines Seins „transzendental“ gegeben ist und die relationale Einheit des Atman mit dem höchsten Atman nur in der transzendentalen Tiefe des meditierenden Subjektes ihren erfüllenden Bezug finden kann. Dies zeigt sich auch daran, dass es für Rāmānuja letztlich der eigene Atman ist, der in seiner Einheit mit dem Brahman erfahren wird.
Marion Rastelli
Marion Rastelli
Von der Offenbarung Gottes zur „vedisch-orthodoxen“ Tradition: Zur Begründung der Autorität der Tradition des Pancaratra Wien
Der Vortrag wird sich mit den Fragen beschäftigen, wie eine religiöse Tradition vermittelt, dass sie die Wahrheit lehrt, und ihren Anhängern die Gewissheit gibt, dass sie der richtige Weg ist, um Heil zu erlangen, sowie wie und warum sich die dafür angewandten Strategien und Argumente im Laufe der Zeit, unter verschiedenen Einflüssen von außer- und innerhalb, verändern. Diese Fragen werden am Beispiel der visnuitischen Tradition des Pancaratra untersucht werden.
Die, abgesehen von Inschriften, frühesten textlichen Quellen dieser Tradition begründen ihre Maßgeblichkeit dadurch, dass sie sich als unmittelbare Offenbarung Gottes darstellen. „Glaubwürdig“ wird dies durch Erzählungen zu Beginn dieser Texte, die unter der Verwendung bekannter mythologischer Motive berichten, wie sich die Offenbarung Gottes und die daran anschließende Bildung der Tradition zugetragen haben. Häufig wird in diesen Erzählungen auch Kritik am Veda geübt und die eigene Überlieferung als bessere Alternative zu diesem beschrieben.
Die vedische Orthodoxie, d.h. jene Traditionen, die sich selbst vom Veda ableiten und diesen als höchste Autorität annehmen, war allerdings sehr einflußreich, sowohl im sozialen Umfeld außerhalb des Pancaratra als auch innerhalb des Pancaratra, da Angehörige der vedischen Orthodoxie in dieses eingetreten waren, ohne ihre eigentliche Tradition aufzugeben. Damit konnten die Pancaratrins den Veda nicht einfach ignorieren, sondern mussten sich Fragen nach dem Verhältnis zwischen dem Pancaratra und dem Veda und dem Grund, warum das Pancaratra und nicht der Veda der richtige Weg sei, stellen.
Mit den Antworten auf diese Fragen, die je nach Naheverhältnis zur vedisch-orthodoxen Tradition unterschiedlich ausfielen, wird sich der Vortrag auseinandersetzen
Marcus Schmücker
Marcus Schmücker
Glaubensgewissheit als Erlösungsgewissheit Wien
Die unhintergehbare Annahme von Subjektivität, die auch dem religiösen Subjektes immer schon zu unterstellen ist, versuche ich als seine Endlichkeit zu deuten; sie lässt den Menschen gerade nicht in Selbst-genügsamkeit bestehen, sondern führt ihn in Begegnung mit anderen und mit dem Anderen. Glaubensgewissheit könnte dann bedeuten: Je tiefer die Einsicht in die eigene Endlichkeit, desto stärker ein sich Einlassen auf einen letzten unrelativierbaren Grund, in der Hoffnung, auf ihn gegründet zu sein.
Ob diese These auch für die philosophische Interpretation einer religiösen Tradition wie der des Visistadvaita-Vedanta Bestand hat, wird am Beispiel von Veṅkaṭanāthas Theologie erprobt.
Hans Waldenfels SJ
Hans Waldenfels SJ
Die Glaubensgewissheit in der Abendländischen Theologiegeschichte Bonn
Es wird sich einmal zeigen, dass die Ansätze evangelischer- und katholischerseits sich schon deshalb unterscheiden, weil die neuzeitliche katholische Theologie sich stark an der lehramtlichen Autorität ausrichtete. Die neueren theologischen Versuche, hier dann nicht nur die evangelischen, bewegen sich inzwischen stärker im Grenzgebiet von Theologie und Philosophie. In diesem Sinne bringe ich zunächst den (evangelischen) Ansatz von E. Herms zur Sprache. Anschließend diskutiere ich Oberhammers Wahrheitsbegriff im Hinblick auf die Mythisierung (nicht zuletzt im Anschluss an unaufgearbeitete Rückfragen des letzten Symposiums). Schließlich dürfte sich zeigen, dass die Frage der Mythisierung erst dann sinnvoll gestellt wird, wenn Wahrheit, Glaube und (Gottes-)Erfahrung sinnvolle Lebensinhalte darstellen. Das aber muss sich nicht allein im Denken, sondern mehr noch -- wie es das Symposium ja versucht -- in der Geschichte zeigen
Siegfried Wiedenhofer
Siegfried Wiedenhofer
Offenbarungswahrheit und Glaubensgewissheit
Zum Gespräch zwischen Theologie, Religionsphilosophie und Religionswissenschaft Frankfurt am Main
1. Die Fragestellung
Beitrag zum letzten Symposium im Jahr 2000: „’Mythisierung der Transzendenz’ – zwischen Offenbarungsereignis und Traditionsvermittlung“, besonders zu den Fragen der Geschichtlichkeit der „Mythisierung der Transzendenz“ und deren Wahrheits- und Objektivitätsanspruch auf dem Hintergrund der transzendentalen Religionshermeneutik Richard Schaefflers. Nun Weiterführung in bezug auf die Frage der Glaubensgewissheit. Der gegenwärtige theologische Diskussionsstand: konfessionelle Kontroverse, christlicher Glaube und neuzeitliche Vernunft, Begegnung der Religionen.
2. Dialogfähige Glaubensgewissheit im Rahmen eines semiotischen und transzendentalen Glaubens- und Offenbarungsbegriffes
2.1 Zum Zeichencharakter religiöser Offenbarung
Dialektische Grundstruktur des religiösen Bewusstseins: Offenheit und Verborgenheit Gottes (des Heiligen) in irdischen Zeichen. Glaube als Fähigkeit religiöse Zeichen auszulegen und zu setzen.
2.2 Zu einer transzendentalen Rekonstruktion des theologischen Offenbarungs- und Glaubensbegriffes (am Anschluß an Richard Schaeffler)
Wie theologisch gesehen einerseits die Offenbarung Gottes nur im Glauben der Menschen gegeben ist und der Glaube die Fähigkeit ist, z.B. das Wort Gottes im Wort von Menschen zu vernehmen, andererseits der Glaube aber nur diese Fähigkeit besitzt, sofern er Antwort auf den Anruf Gottes, Entsprechung zum Anspruch des Heiligen ist, so ist jede Form von Erkenntnis, Erfahrung, Rationalität ein Dialog mit der Wirklichkeit und Wahrheit, d.h., einerseits ist die Erkenntnisweise die Voraussetzung, dass überhaupt eine „Welt“ als Ausschnitt der Wirklichkeit und Wahrheit erscheint, andererseits ist sie selbst die Folge und Entsprechung einer Begegnung mit der Wirklichkeit und Wahrheit. Weil es unterschiedliche Erfahrungsweisen gibt, gibt es unterschiedliche Erfahrungswelten. Weil sie je auf ihre Weise auf den Anspruch der einen Wirklichkeit und Wahrheit antworten, gibt es jedoch auch Interferenzen zwischen ihnen und daher potentiell Dialog und Kommunikation.
2.3 Folgen für das Verständnis der drei theologischen Gewissheitsproblematiken
Folgen für die konfessionelle Differenz (ökumenischer Konsens unter Anerkennung semantischer und pragmatischer Differenzen), für die Rechtfertigung des Wahrheits- und Objektivitätsanspruches des Glaubens im neuzeitlichen Kontext (spezifisch religiöse und allgemein vernünftige Bedingungen: Glaubensgewissheit-Hoffnungsgewissheit; praktische Bewährung), für die konkurrierenden Glaubensgewissheiten im Dialog der Religionen (Glaubensgewissheit nur für die eigene religiöse Erfahrung, nur indirekt für andere Religionen; Partikularität und Universalität religiöser Erfahrung; Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Begegnung der Religionen).
2.4 Der Bezug zur transzendentalen Religionshermeneutik Gerhard Oberhammers
Übereinstimmung in allen wesentlichen Punkten mit dem von Gerhard Oberhammer in den „Vorläufigen Bemerkungen zum Symposium 2004“ Gesagten. Aber pointiertere Antwort: Notwendigkeit eines analogen Begriff von Wahrheit und Gewissheit: Aussagewahrheit, responsorische Wahrheit, offenbare Wahrheit der Transzendenz. Der entscheidende Wahrheitsbegriff ist hier die Wahrheit religiöser Erfahrung. Glaubensgewissheit gehört zum Kern religiöser Erfahrung, ist sein gelingender Vollzug und teilt daher auch den geschichtlichen und praktischen Charakter der religiösen Erfahrungsfähigkeit, des religiösen Glaubens.