Achtung: Diese Seite entspricht dem Informationsstand von August 2017. Sie dient zur Dokumentation und wird nicht mehr aktualisiert!

Die Studie basiert auf Untersuchungen von erst seit kurzem zugänglichen Materialien und möchte Licht auf eine entscheidende, bis jetzt aber kaum erforschte Periode der Scholastik in Tibet werfen. Die ersten Jahrhunderte der sogenannten späteren oder zweiten Verbreitung des Buddhismus in Tibet, d.h. vom Ende des 10. bis zum 13. Jahrhundert, bilden eine der wichtigsten Epochen in der Entwicklung der tibetischen Philosophie, nicht nur in Hinsicht auf die Methoden der textlichen Studien, sondern auch im Licht der exegetischen Orientierung, die in den verschiedenen Bereichen der buddhistischen Gelehrsamkeit Anwendung fanden. Die Beiträge aus dieser Periode geben auch Aufschluss darüber, wie sich tibetische Gelehrte den indischen Buddhismus aneigneten. Sie sind unersetzbare Prüfsteine, um die nachfolgende buddhistische Tradition Tibets, deren Entwicklungen und internen Debatten von der klassischen Periode bis zur heutigen Zeit einschätzen zu können.

Mein Projekt richtet sich auf den Beitrag von Phya pa Chos kyi seng ge (1109–1169), einem berühmten buddhistischen Denker, der eng mit dem Kloster von gSang phu Ne’u thog in Zentraltibet in Verbindung stand. Phya pas innovativen aber umstrittenen Anschauungen haben die nachfolgenden Entwicklungen des tibetischen Buddhismus wesentlich beeinflusst.

Erfreulicherweise wurden 2006 eine Vielzahl von Werken Phya pas innerhalb einer großen Sammlung von Texten der bKa’ gdams pa Schule zugänglich gemacht. Mein Projekt beschäftigt sich mit zwei seiner erkenntnistheoretischen Werke: einer Zusammenfassung der Erkenntnistheorie und ein Kommentar zu Dharmakīrtis Pramāṇaviniścaya, und zweitens betrachtet es wesentliche Abschnitte seiner Madhyamaka-Werke. Phya pas Anschauungen werden von verschiedenen interagierenden Ebenen aus untersucht, insbesondere: 1) ihre Stellung von Phya pas philosophischem System als Ganzem und ihre Position innerhalb der gSang phu (und gSang phu bezogenen) Tradition und allgemeiner in der Geistesgeschichte Tibets. Meine Untersuchung thematisiert die spezifische Interaktion zwischen der Philosophie und Erkenntnistheorie des Madhyamaka, zweier Felder buddhistischer Lehre, die in Phya pas Werken miteinander verwoben sind. Sie ortet Phya pas Anschauungen im Verhältnis zur indischen Tradition, die Entwicklungen in Tibet liegen vor Phya pas Zeit (insbesondere jene von rNgog Blo ldan shes rab und Phya pas Lehrer rGya dmar ba Byang chub grags), zu zeitgenössischen tibetischen Theorien und zur späteren Tradition Tibets (bedenkt man, dass beide Gelehrte behaupten, sie seien von Phya pa inspiriert und von jenen, die ihn kritisierten).

Mit dieser systematisch angelegten Untersuchung, die meine bisherigen diesbezüglichen Arbeiten weiterführt, möchte ich repräsentative Aspekte von Phya pa’s Gedankenwelt erschließen und zu einem umfassenden Verständnis dieses Gelehrten und seines intellektuellen Umfeldes beitragen. Die Studie ist sowohl für Tibetologen und Buddhologen als auch für Philosophiehistoriker und Philosophen gedacht.

Projektdaten