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Der ältere Nyāya, eines der sechs orthodoxen Systeme brahmanischer Philosophie, ist zum größten Teil nur durch die vier klassischen Kommentare zu dem die Schule begründenden Text, dem Nyāyasūtra, dokumentiert. Dieser Grundtext der Schule wird dem mythologischen Weisen Akşapāda (? 2. Jh. n. Chr.) zugeschrieben und ist wahrscheinlich in der uns überlieferten Form, von anonymen Autoren redigiert, um 400 n. Chr. fertig gestellt worden. In der Zeit nach dem ersten Kommentar Pakşilasvāmins (5. Jh. n.Chr.), dem Nyāyabhāşya, bis zum Ende des ersten Jahrtausends muss es eine große Menge an anderen Werken und Kommentaren gegeben haben, die uns nicht erhalten sind. Wir wissen, dass beispielsweise das Nyāyabhāşya von frühen Vertretern der Schule mehrfach kommentiert worden ist, von denen entweder nur ihre Namen, Werktitel oder aber auch Fragmente erhalten sind.

Die kritische Bearbeitung und Analyse dieser Fragmente und Doxographien ist insbesonders deshalb von großer Bedeutung, weil die überlieferten Quellen der uns erhaltenen Kommentatorentradition zum Nyāyasūtra oft nur indirekt die entscheidenden Entwicklungen des Systems dokumentieren. Grund­legende Gedanken der Schule sind oft mit jenen Autoren verbunden, die uns nicht er­halten sind, wobei besondere Bedeutung auch den in verschiedensten Werken der Geg­ner des Systems überlieferten Zitaten zukommt. So zitiert etwa Dharmakīrti (600–660) in den polemischen Teilen seines Vādanyāya hauptsächlich Autoren, die nicht aus dem überlieferten Kommentatorenkorpus der Nyāya-Literatur stammen, ebenso wie dies sein Kommentator Śāntarakşita tut. Wenn darüber hinaus Jayantabhaţţa als Vertreter des Nyāya im neunten Jahrhundert zwei Traditionslinien als wesentliche Quellen seiner Arbeit benutzt, die sich nicht direkt auf die beiden Werke der überlieferten Kommentatoren Pakṣilasvāmin und Uddyotakara zurückführen lassen, so kann man die Bedeutung der verlorenen Autoren für das Verständnis der Geschichte der philosophischen Entwicklung des Nyāya vor Jayanta erkennen.

Vorrangiges Anliegen des Projektes ist daher ein erster Versuch eine umfassende Sammlung und Analyse der Fragmente des Nyāya vor Dharmakīrti zu erstellen (die reine Sammlung soll sich auch auf die Fragmente nach Dharmakīrti erstrecken). Ziel des Projektes ist der Versuch, durch die umfassende Darstellung der Fragmente und Doxographien der Schule, einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte des älteren Nyāya und damit zur indischen Philosophiegeschichte als solche zu leisten. Darüber hinaus könnte eine derartige Sammlung des fragmentarischen Materials auch allgemeine Fragen der Chronologie nicht nur des Nyāya, sondern auch jener Autoren anderer Traditionen liefern, die sich mit diesem Gedankengut auseinandergesetzt haben.

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