Zuhause erinnern?

Transnationale Familien und die Ambivalenzen des Erinnerns im bosnisch-herzegowinischen Nachkriegskontext


Basierend auf ethnographischer Feldforschung in Bosnien, Dänemark und Schweden, beschäftigt sich der Vortrag mit der Frage, welche Rolle das Familienhaus bei der Konstruktion von Erinnerungen hat und wie Erinnerungen als soziale Praxis genutzt werden, um sich innerhalb der veränderten sozio-demographischen Umgebung zu positionieren. Das Familienhaus wird dabei selbst als Akteur bei der Konstruktion von Erinnerungen betrachtet, an dem sich persönliche, familiäre und (trans)nationale Erinnerungen überlappen, wobei vielfache Ambivalenzen im Umgang mit den Erinnerungen aufgezeigt werden können. Die Familienhäuser erinnern gleichzeitig an die Zeit der Flucht und Vertreibung, sowie an die positiv bewertete Vorkriegszeit. Daraus ergeben sich, je nach Generationszugehörigkeit, differenzierte Bewertungen der Vergangenheit und Vorstellungen von der Zukunft. Die ambivalente Einstellung gegenüber dem Haus, sowie die temporalen Referenzen zwischen dem Vorkriegs- und Nachkriegszuhause deuten weiters auf die Vielschichtigkeit des Begriffes Zuhause und offenbaren unterschiedliche (mnemonische) Taktiken, die Menschen nutzen, um sich ein Zuhause in veränderten politischen Situationen zu erschaffen.

Sanda ÜLLEN ist Kultur- und Sozialanthropologin und arbeitet als Lektorin am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien. Der Forschungsschwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Bereich der Migrations- und Erinnerungsforschung mit der regionalen Fokussierung auf den Westbalkan sowie Skandinavien. Neben der Lehrtätigkeit hat sie an diversen Projekten mitgearbeitet („Migration(en) im Schulbuch“ am Ludwig Boltzmann Institut für europäische Geschichte und Öffentlichkeit“ 2011-2013; „Familiy migration and integration“ am ICMPD 2013; EU NODE - Projekt „Contesting Multiculturalism. Gender Equality, Cultural Diversity and Sexual Autonomy am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie 2007). 2016 war sie „Visiting Fellow“ am Zentrum für Südosteuropaforschung an der Universität Graz. Sie hat 2017 ihre Dissertation mit dem Titel „Zuhause Erinnern? Transnationale Familien und die Ambivalenzen des Erinnerns im bosnisch-herzegowinischen Nachkriegskontext“ abgeschlossen.