26.06.2020

Der leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger steht wieder in Japan

Bei der Luminosität, also der Anzahl der Teilchenkollisionen pro Zeit und Fläche, wurde unter Beteiligung der Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am japanischen Teilchenforschungszentrum KEK ein neuer Weltrekord erzielt. Die Maßeinheit aus der Hochenergiephysik ist neben der Angabe der Kollisionsenergie ein grundlegendes Merkmal für die Leistungsfähigkeit eines Teilchenbeschleunigers.

Foto: Copyright KEK

Teilchenbeschleuniger haben zwei wesentliche Kenngrößen: die Strahlenergie und die Anzahl der Kollisionen pro Zeiteinheit – oder salopp formuliert: die Intensität. Während der Weltrekord für erstere unangefochten beim Large Hadron Collider (LHC) am CERN bei Genf liegt, feiert die höchste Intensität, also die Luminosität, ihre Rekorde an wechselnden Standorten.

Bereits 2009 wurde am japanischen Teilchenforschungszentrum KEK, etwa 55 Kilometer nordöstlich von Tokio in Tsukuba, eine Luminosität von 2,11 × 1034/cm2/s erzielt. Das war zum damaligen Zeitpunkt Weltrekord. Neun Jahre später wurde dieser Wert dann mit 2,14 × 1034/cm2/s vom LHC am CERN knapp übertroffen. Ab 2010 wurde das japanische Experiment zum SuperKEKB-Collider umgebaut, und ebendort wurde nun am 15. Juni 2020 um 20.34 Uhr Lokalzeit eine Luminosität von 2,22 x 1034/cm2/s gemessen. Damit wurde der Weltrekord-Titel wieder nach Japan zurückgeholt.

Wiener Beteiligung am internationalen Experiment

Ein Erfolg, der den Einsatz zahlreicher innovativer Technologien erfordert: So müssen dazu beispielsweise die Teilchenstrahlen am Kollisionspunkt in vertikaler Richtung auf eine Größe von nur 220 Nanometern zusammengedrückt werden. Der Teilchenbeschleuniger SuperKEKB erzeugt eine riesige Anzahl von Elektron-Positron-Kollisionen, in denen kurzlebige B-Mesonen entstehen und deren Zerfälle mit dem Belle II-Detektor aufgezeichnet werden.

Belle II besteht aus einer internationalen Gruppe von ungefähr 1.000 Physiker/innen und Ingenieur/innen von 119 Universitäten und Labors in 26 Ländern auf der ganzen Welt. Seit 2001 sind auch Forscher/innen vom Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) federführend mit dabei. Die Wiener Gruppe hat den innersten Detektorteil von Belle II entwickelt und gebaut.

Dunkler Materie auf der Spur

Die internationale Forschungsgruppe verwendet die SuperKEKB-Daten, um grundlegende physikalische Phänomene zu untersuchen und nach kleinsten Abweichungen vom Standardmodell der Teilchenphysik zu fahnden. Diese Teilchen und ihre Zerfälle liefern tiefe Einblicke in die Physik des Mikrokosmos.

Dahinter kann sich sogenannte „neue Physik“ verstecken, die es erlaubt, die Geheimnisse des Universums, wie etwa das Phänomen der Dunklen Materie, besser zu verstehen. Genau für solche Präzisionsmessungen ist die allerhöchste Luminosität notwendig. Denn: Die Luminosität ist umso größer, je mehr Teilchenbegegnungen, also Kollisionen, pro Zeiteinheit auf einer bestimmten Fläche stattfinden. Und: Je größer die Luminosität, desto leistungsfähiger der Teilchenbeschleuniger. Vereinfacht ausgedrückt sinkt der (unvermeidliche) Messfehler durch Mittelwert-Bildung über möglichst viele Messungen.

Die Wiener Beteiligung am Experiment in Japan war selbst in Zeiten von Corona möglich: Zwar konnten die Forscher/innen seit März 2020 nicht mehr vor Ort sein, kurzerhand wurde der Wiener Subdetektor deshalb von Österreich aus ferngesteuert und läuft derzeit noch bis zum Beginn der alljährlichen Sommerpause bis Anfang Juli.


Weitere Informationen:

https://www.oeaw.ac.at/hephy/forschung/belle-experiment-am-kek/

www.kek.jp