GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Richard Willstätter, kMA 1920


geb. am 13. August 1872 in Karlsruhe, gest. am 3. August 1942 in Muralto bei Locarno

Richard Willstätter wurde 1920 zum korrespondierenden Mitglied im Ausland (kMA) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Unter dem NS-Regime wurde er rassistisch verfolgt. Der Chemiker konnte 1939 in die Schweiz emigrieren, im selben Jahr wurde er von der Akademie ausgeschlossen.

Willstätter wurde als Sohn des Tuchhändlers Max Willstätter (1840–1912) und seiner Frau Sophie, geb. Ulmann, in Karlsruhe geboren. Nach Studien der Naturwissenschaften an der Universität München promovierte er im Jahr 1894 mit seiner Arbeit über den strukturellen Aufbau des Kokains und habilitierte sich 1896. Ab 1902 war er als Extraordinarius Vorstand der Organischen Abteilung des Chemischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1905 wurde er als o. Professor der Chemie an die Technische Hochschule in Zürich berufen. 1912 ging er an das neu gegründete Institut für Chemie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem, wo er die Leitung des Forschungsbereichs Organische Chemie  übernahm. Zugleich wurde er mit einer Honorarprofessur an der Universität Berlin betraut. 1915 wurde er als Professor für Chemie an die Ludwig-Maximilians-Universität München berufen. Im selben Jahr erhielt er den Nobelpreis für Chemie „für seine Untersuchungen der Farbstoffe im Pflanzenreich, vor allem des Chlorophylls“.

Im Jahr 1914 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1916 zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und 1919 zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle an der Saale gewählt. Die Akademie der Wissenschaften in Wien wählte den Chemiker im Jahr 1920 zum korrespondierenden Mitglied.

Aus Protest gegen den zunehmenden Antisemitismus legte er 1924 seine o. Professur an der Universität München nieder und blieb dort weiter in der Forschung tätig. Im März 1939 flüchtete Willstätter in die Schweiz, wo er seine Forschungen in der chemischen Industrie (Firma Sandoz) in Basel fortsetzte. Richard Willstätter verstarb im Jahr 1942 in Muralto bei Locarno (Schweiz).

In der Gesamtsitzung der Akademie der Wissenschaften in Wien vom 27. Jänner 1939 wurde der im Dezember des Vorjahres vom Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, Abteilung IV, ergangene Erlass, „nach welchem Juden von den deutschen Hochschulen und wissenschaftlichen Anstalten auszuschließen sind“, referiert. Unmittelbar darauf erging an Richard Willstätter und an Wolfgang Pauli die Mitteilung, dass aufgrund der Erlässe des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) bzw. des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, Abteilung IV „ihre Mitgliedschaft als erloschen gelten muss“.

Der Nobelpreisträger Richard Willstätter war Mitglied bzw. Ehrenmitglied zahlreicher Akademien und wissenschaftlicher Gesellschaften in Europa und den USA, Ehrendoktor vieler Universitäten und Hochschulen und Träger vieler Auszeichnungen. 1924 wurde er in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen. Im Jahr 1956 wurde in Muroalto ein Denkmal für Willstätter errichtet, in Karlsruhe ist die Richard-Willstätter-Allee nach ihm benannt.


Schriften (Auswahl)


  • Richard Willstätter – Arthur Stoll, Untersuchungen über Chlorophyll. Methoden und Ergebnisse, Berlin 1913.
  • Dies., Untersuchungen über die Assimilation der Kohlensäure, Berlin 1918.
  • Richard Willstätter (Hg.), Untersuchungen über Enzyme, 2 Bde., Berlin 1928.
  • Ders., Aus meinem Leben, Weinheim 1949.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 27. Jänner 1939 (A942).
    • Archiv der Society for the Protection of Science and Learning, Bodleian Library, University of Oxford (File 566/2).
    • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York unter der Gesamtleitung von Werner Röder und Herbert A. Strauss, Bd. 2: The Arts, Sciences, and Literature, München [u.a.] 1983, 1248.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • F.[riedrich] Wessely, k.M. Richard Willstätter, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1949, 99. Jg., Wien 1950, 296–306.


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