GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Walther Brecht, kMI 1916, wM 1919, kMA 1926


geb. am 31. August 1876 in Berlin, gest. am 1. Juli 1950 in München

Walther Brecht wurde 1916 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau wurde der Germanist im Jahr 1940 aus der Akademie ausgeschlossen. Seine Mitgliedschaft wurde 1945 reaktiviert.

Brecht wurde als Sohn des Augenarztes und Sanitätsrates Heinrich Brecht und seiner Frau Emilie, geb. Gusserow, in Berlin geboren. Von 1896 bis 1901 studierte er die Fächer deutsche Philologie, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Freiburg, Bonn, Göttingen und Berlin. 1902 promovierte er mit seiner Dissertation „Die Verfasser der Epistolae obscurorum virorum“, 1906 habilitierte er sich mit seiner Habilitationsschrift „Ulrich von Liechtenstein als Lyriker“ für deutsche Philologie in Göttingen. Im Herbst 1910 wurde er als Professor für die gesamte deutsche Philologie an die Königlich-Preußische Akademie in Posen berufen. Im Jahr 1913 wurde Brecht als Professor für Deutsche Sprache und Literatur, Nachfolge Jakob Minor (1855–1912), an die Universität Wien berufen. 1926 ging er als Professor für Deutsche Sprache und Literatur an die Universität Breslau und schließlich 1927 als Professor für neuere deutsche Literaturgeschichte, Nachfolge Franz Muncker (1855–1926), an die Universität München. Seine philologischen Forschungen konzentrierten sich auf die Zeit der Renaissance bzw. die Literatur des 16. Jahrhunderts. Mit Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), den er im Jahr 1917 in Wien kennengelernt hatte, verband ihn eine langjährige wissenschaftlich-literarische Beziehung. Die Akademie der Wissenschaften in Wien wählte Brecht im Jahr 1916 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI), 1919 zum wirklichen Mitglied (wM). 1926 wurde er zum korrespondierenden Mitglied im Ausland (kMA).

Wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau wurde Walther Brecht mit 1. Juli 1937 nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von der Universität München zwangspensioniert. Am 1. August 1946 wurde er wieder in sein Amt „zur Wiedergutmachung“ eingesetzt und gleichzeitig emeritiert. Walther Brecht war Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und unter anderem Mitherausgeber der Deutschen Vierteljahrschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Brecht verstarb im Jahr 1950 in München.

Im Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 3. Oktober 1940 wurde der Akademie der Wissenschaften mitgeteilt, dass Walther Brecht und weitere sechs namentlich genannte Mitglieder – Franz Boas, Karl Bühler, Viktor Franz Hess, Alfred Hettner, Hermann Mark, Erwin Schrödinger – auszuscheiden seien. Nachdem die Akademie der Wissenschaften in Wien in ihrer ersten Sitzung nach Kriegsende am 18. Mai 1945 die „Rückberufung der wirklichen und korrespondierenden Mitglieder, die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 ausgetreten sind“, beschlossen hatte, kehrte Brecht wieder als korrespondierendes Mitglied im Ausland (kMA) an die Akademie zurück.


Schriften (Auswahl)


  • Walther Brecht, Die Verfasser der Epistolae obscurorum virorum, Straßburg 1904.
  • Ders., Heinse und der ästhetische Immoralismus. Zur Geschichte der italienischen Renaissance in Deutschland, nebst Mitteilungen aus Heinses Nachlass, Berlin 1911.
  • Ders., Conrad Ferdinand Meyer und das Kunstwerk seiner Gedichtsammlung, Wien 1918.
  • Ders., Grundlinien im Werk Hofmannsthals, in: Festschrift für Bernd Seuffert zum 23.5.1923, Wien 1923 (= Euphorion. Ergänzungsheft 16), 164–179.
  • Ders., Die Vorläufer von Hofmannsthals „Jedermann“, Österreichische Rundschau 4 (1924).
  • Ders., Deutsche Art und Kunst in der österreichischen Dichtung, in: August Gallinger (Hg.), Deutsch-Österreichische Kulturprobleme, München 1930, 1–17.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 25. Oktober 1940 (A957).
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 18. Mai 1945 (A994).
    • Elisabeth Grabenweger, Germanistik an der Universität Wien – Zur wissenschaftlichen und politischen Geschichte des Faches von 1848 bis in die 1960er Jahre, in: Karl Anton Fröschl – Gerd B. Müller – Thomas Olechowski – Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.), Reflexive Innensichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 4), Göttingen 2015, 297–310, hier: 301.
    • Christoph König, David Oels (Hg.), Hugo von Hofmannsthal – Walther Brecht. Briefwechsel (= Marbacher Wissenschaftsgeschichte 6), Göttingen 2005.
    • Christoph König, Hofmannsthal. Ein moderner Dichter unter den Philologen (= Marbacher Wissenschaftsgeschichte 2), Göttingen 2001.
    • Ulrich Dittmann, Karl Walther Brecht, in: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950, hg. von Christoph König. Band 1, Berlin 2003, 266–268.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Josef Nadler, k.M. Walther Brecht, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1951, 101. Jg., Wien 1952, 375–383.


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