GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Georg Fuchs


geb. am 25. Oktober 1908 in Wien, gest. am 7. April 1986 in Wien

Georg Fuchs war von 1935 bis März 1938 am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften in Wien tätig. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt und konnte seine Tätigkeit an der Akademie nicht mehr fortsetzen. Fuchs emigrierte im Jahr 1938 nach Palästina. 1945 kehrte er nach Wien zurück.

Fuchs wurde als Sohn des aus Prag stammenden Neurologen Alfred Fuchs (1870–1927) in Wien geboren. Georgs älterer Bruder war Albert Fuchs (1905–1946), der im Londoner Exil den Klassiker „Geistige Strömungen in Österreich 1867–1918“ (Wien 1949) verfasste. Im Jahr 1927 nahm Georg Fuchs das Studium der Medizin an der Universität Wien auf und promovierte 1933. Im selben Jahr begann er an der Philosophischen Fakultät die Fächer Physik und Mathematik zu studieren. Parallel zum Studium absolvierte er bis Mai 1934 eine Ausbildung als Röntgenfacharzt am Wiedener Krankenhaus. Unter anderem arbeitete Fuchs von 1935 bis 1936 als Privatassistent des Dozenten Paul Liebesny (1881–1962) am Physiologischen Institut der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, von November 1936 bis Oktober 1937 als Sekundararzt an der Röntgenstation des Krankenhauses der Wiener Kaufmannschaft und von Jänner 1938 bis Ende August 1938 als Assistent an der Röntgenstation des Spitals der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien-Währing.

Am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften arbeitete Georg Fuchs im Rahmen seines Dissertationsprojekts von 1935 bis 1938. Diese Arbeit konnte er nicht mehr fertig stellen. Im Almanach der Akademie für das Jahr 1938 scheint sein Name in der Liste der Personen auf, die „im Institute oder mit den Mitteln des Institutes“ arbeiteten.

Fuchs verließ Wien am 1. September 1938 gemeinsam mit seiner späteren Frau, der in Budapest geborenen Hedwig Eva Schuschny (1903–1984). Über Brüssel flüchteten Fuchs und Schuschny nach Istanbul, wo Fuchs ab Mai 1939 an der II. Medizinischen Klinik der Universität Istanbul tätig war. Nach seiner Emigration nach Palästina im Jahr 1941 war er in Jerusalem als Arzt tätig. Ende 1942 meldete sich Fuchs freiwillig für den Dienst in der britischen Armee und wurde 1943 in einem Lazarett in Bari (Apulien) als Radiologe eingesetzt. Im Juli 1945 kehrte Georg Fuchs als Captain des Royal Army Medical Corps (Stabsarzt) nach Österreich zurück. Von August 1946 bis April 1974 war er als Primararzt am Zentralen Röntgeninstitut des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien-Favoriten tätig. Im Juli 1947 promovierte Georg Fuchs mit seiner Dissertation über „Eine neue Methode zur Messung der Intensität der gestreuten Röntgenstrahlen“ an der Universität Wien. Ab Juni 1947 wirkte er auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Medizinische Röntgenologie.

Fuchs war seit 1935 Mitglied der KPÖ. Im Jahr 1942 war er Mitbegründer des Free Austrian Movement in Palestine und übernahm gemeinsam mit Susanne Shapiro den Vorsitz. 1944 begündete er in Bari eine Ortsgruppe der Freien Österreichischen Weltbewegung mit. Nach 1945 engagierte sich Fuchs als Bezirksobmann der KPÖ in Wien-Wieden sowie als Vorstandsmitglied der kommunistischen Ärztegruppe. Darüber hinaus war Georg Fuchs in führender Position in der österreichischen und internationalen Friedensbewegung tätig. Seit 1969 Schatzmeister des Internationalen Instituts für den Frieden in Wien wurde er 1970 dessen Vizepräsident und 1972 Präsident. Fuchs war seit 1971 Mitglied des Weltfriedensrates. Im Jahr 1984 wurde er für seine 50-jährige KPÖ-Mitgliedschaft mit dem Ehrenabzeichen in Gold ausgezeichnet. Im April 1970 wurde er von der UdSSR mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet. Im März 1973 erhielt Fuchs das Ehrendoktorat der Medizin der Universität Rostock. 1979 verlieh ihm Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (1915–2000) das Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs. Georg Fuchs verstarb 1986 in Wien.


Schriften (Auswahl)


  • Georg Fuchs, Zur Strahlenbehandlung der entzündlichen Mittelohraffektionen, in: Strahlentherapie 61 (1938), 379–380.
  • Ders., Eine neue Methode zur Messung der Intensität der gestreuten Röntgenstrahlen (Nebst Bemerkungen über die Nutzanwendungen in der Röntgentherapie), Dissertation, Universität Wien 1947.
  • Ders., Strahlenschäden und Strahlenschutz (= Paracelsus-Beihefte 26), Wien 1959.
  • Ders., Antwort, in: Simon Wiesenthal (Hg.), Verjährung? 200 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sagen nein. Eine Dokumentation, Frankfurt am Main 1965, 57.
  • Ders., Antisemitismus, Zionismus und Arbeiterbewegung, in: Standpunkte und Dokumente 4 (1969), 1–24.
  • Ders., Hiroshima. Die Folgen der Atombombenexplosion und der Kampf für die nukleare Abrüstung (= Schriftenreihe des Internationalen Institut[e]s für den Frieden in Wien), Wien 1978.
  • Ders., Die Verantwortung des Wissenschaftlers im Atomzeitalter, in: Georg Fuchs (Hg.), Atomenergie, Kernwaffen und die Friedensbewegung (= Schriftenreihe des Internationalen Institutes für den Frieden), Wien 1979, 110–115.
  • Ders., Von der Atombombe zum nuklearen Holocaust (= Schriftenreihe des Internationalen Institutes für den Frieden), Wien 1982.
  • Ders. (Hg.), Wissenschaftler für den Frieden. Vortragsreihe 1983/84 am Internationalen Institut für den Frieden in Wien, Wien 1984.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der Universität Wien, Phil. Rig. Akt 16241; Phil. Fak. Nationale SS 1933 (1. Sem.) – SS 1935 (5. Sem.).
    • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Meldeauskunft, Georg Fuchs.
    • Ärztekammer Wien, K2-1-Kartei: Ärztinnen und Ärzte, Georg Fuchs, K2-2-Kartei: Ärztinnen und Ärzte, Georg Fuchs, A1- Personalakten, Ärztinnen und Ärzte, Georg Fuchs (mit Foto).
    • Akademie der Wissenschaften in Wien, Almanach f. d. J. 1938, 1939.
    • Michael Hubenstorf, Österreichische Ärzte-Emigration, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft I. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940 (= Emigration – Exil – Kontinuität. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung 1), Münster 22004, 359–415, hier: 388.
    • Gerhard Oberkofler, Wege der „Wissenschaftlichen Weltauffassung“. Das Rostocker Ehrendoktorat der Medizin für den kommunistischen Wissenschaftler und Arzt Georg Fuchs aus Wien (1973), in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft 3, 9 (2009), 10–16.
    • Gerhard Oberkofler, Georg Fuchs. Ein Wiener Volksarzt im Kampf gegen den Imperialismus, Innsbruck–Wien–Bozen 2011.
    • Wolfgang L. Reiter, Naturwissenschaften und Remigration, in: Sandra Wiesinger-Stock – Erika Weinzierl – Konstantin Kaiser (Hg.), Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft, Wien 2006, 177–218, hier: 195, 210.
    • Thomas Schönfeld, Biographische Notizen zu einigen österreichischen Persönlichkeiten (Wissenschaftler, Techniker, Ärzte, Pädagogen), die nach 1945 aus der Emigration nach Österreich zurückgekehrt sind, in: Heinz Kienzl – Susanne Kirchner (Hg.), Ein neuer Frühling wird in der Heimat blühen. Erinnerungen und Spurensuche, Wien 2002, 55–59, hier: 57.
    • Karl Heinz Tragl, Chronik der Wiener Krankenanstalten, Wien–Köln–Weimar 2007, 399–400.
    • Willy Verkauf-Verlon, Palästina als Emigrationsland österreichischer Wissenschaftler, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft (= Emigration – Exil – Kontinuität. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung 2), Münster 22004, 1021–1027, hier: 1025.


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