Österreichisches Biographisches Lexikon

Biographie des Monats

Meister Propers Wiener Wurzeln: Fritz Siebel, Schöpfer der Werbe-Ikone Mr. Clean

Vor hundert Jahren wurde in Wien der erfolgreiche und vielseitige US-amerikanische Werbegraphiker, Kinderbuchillustrator und Designer Fritz Siebel geboren ‒ Würdigung eines Vergessenen zu einem runden Jubiläum.

 

Fritz (Friedrich) Siebel wurde am 19. Dezember 1913 in Wien geboren. Sein Vater Max Siebel (Jahrgang 1879) stammte aus Böhmen, seine Familie besaß einen landwirtschaftlichen Betrieb in Domoušice (Domauschitz), rund 60 km westlich von Prag, auf dem Hopfen angebaut wurde. Die Region um Žatec (Saaz), in der diese Ortschaft liegt, ist seit jeher bekannt für den Hopfenanbau, auch heute noch führt die Gemeinde Domoušice eine Hopfenrebe im Wappen. Max’ um 13 Jahre jüngere Ehefrau Hedwig, geborene Nettel, stammte aus dem nahe gelegenen Louny (Laun). Fritz verbrachte mit seinen beiden jüngeren Geschwistern Walter Georg und Margarete Hermine die Sommer bei den Verwandten in Böhmen. Er war, wenn auch in Wien geboren, nach 1918 tschechoslowakischer Staatsbürger. Sein Vater hatte Jus studiert und unterhielt ab 1912 eine Anwaltskanzlei in der Neubaugasse im 7. Wiener Gemeindebezirk, die Familie wohnte in der nahe gelegenen Kandlgasse.

 

Wege und erzwungene Umwege: von der Wiener Kunstgewerbeschule nach Manhattan

Fritz maturierte an der 1915 gegründeten Neuen Wiener Handelsakademie am Hamerlingplatz. 1933/34 besuchte er die Modeklasse von Professor Eduard Josef Wimmer-Wisgrill an der Wiener Kunstgewerbeschule, der Vorgängerinstitution der heutigen Universität für angewandte Kunst Wien. Wimmer-Wisgrill (1882-1961), selbst ein Absolvent dieser Einrichtung und Schüler Kolo Mosers und Josef Hoffmanns, war ein äußerst vielseitiger Künstler. Sein Name ist untrennbar mit den Wiener Werkstätten verbunden, wo er vor allem in den Bereichen Mode und Textiles wirkte. Aus Siebels Abschlusszeugnis geht hervor, dass er sich in diesem Jahr vor allem mit „Herrenmode und Reklameentwürfen“ befasste, seine „Verwendung“ wird als „eifrig“ und der Erfolg als „sehr gut“ bescheinigt, nur das „Betragen“ lapidar als „entsprechend“ eingestuft. Im Archiv der Angewandten werden drei in Tusche und Deckfarben ausgeführte und auf Karton montierte „Entwürfe für rustikale Sportmode“ aus der Hand Siebels aufbewahrt, offenbar im Rahmen des Studiums angefertigte Qualifikationsarbeiten. Diese entsprechen ganz dem Trend der Zeit: Vor allem in den 1930er-Jahren setzte sich die Wiener Modeszene vermehrt mit dem Thema Tracht im weitesten Sinne auseinander. Im Anschluss an dieses Jahr an der Kunstgewerbeschule leistete Siebel seinen Militärdienst in der tschechoslowakischen Armee ab. 1936 wanderte er, der jüdischer Herkunft war, auf Anregung seines Großvaters mütterlicherseits in die USA aus, 1937 kehrte er zurück, um seine Familienangehörigen nach New York nachzuholen. Diese entgingen dadurch dem Schicksal von Siebels in Europa verbliebenen Verwandten, die in der Schoah ermordet wurden. Fritz Siebel kam vorerst als Plakatgraphiker bei Paramount Pictures am Broadway unter, daneben führte er zusammen mit einem österreichischen Freund Skilauftechniken auf einer Indoor-Piste aus Borax im bekannten New Yorker Kaufhaus Saks Fifth Avenue vor.

Durchbruch mit einem Propagandaplakat

1942 beteiligte sich Siebel, der 1941-43 in der US Army diente, an einem Plakatwettbewerb, der das Bewusstsein für die nationale Sicherheit schärfen sollte. Sein Entwurf zeigt einen in dunkler Nacht im Meer Ertrinkenden, der anklagend und warnend zugleich die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger aus dem Wasser und dem Betrachter entgegen reckt. In fetten Lettern und mit Ausrufezeichen wird klargestellt, wer bzw. was an seinem Schicksal Schuld trägt: „Someone talked!“. Mit Postern dieser Art versuchte das US Office of War Information unter dem Motto „Loose lips sink ships“ die Bevölkerung dahingehend zu sensibilisieren, Hinweise auf Abfahrts- und Ankunftszeiten von Kriegsschiffen oder Truppenbewegungen nicht unvorsichtig auszuplaudern, da dies dem Feind in die Hände spielen könnte. Die Wettbewerbsjury, in der auch Eleanor Roosevelt saß, war von Siebels Entwurf sehr angetan. Dieser ging nicht nur als Sieger aus dem Wettbewerb hervor, sondern gewann noch weitere Preise und erlangte, nicht zuletzt auf Grund seiner weiten Verbreitung, bald Kultstatus innerhalb der US Propagandakunst. Dieser Erfolg machte aus Siebel einen gefragten Illustrator, der in der Folge viele Jahre für Magazine wie Collier’s, Holiday Magazine oder Saturday Evening Post tätig war. Er arbeitete daneben auch für den renommierten Werbegraphiker Phil Rahl (Rahl Studios). Zahlreiche erfolgreiche Werbekampagnen für unterschiedliche Produkte tragen seine Handschrift.

 

 

Geburtsstunde von Mr. Clean alias Meister Proper

1957 trat eine Werbefirma an Siebel heran mit der Bitte, für ein neues Produkt der Firma Procter & Gamble, ein Reinigungsmittel namens Mister Clean, eine entsprechende Werbefigur zu kreieren. Siebel schwebte ein energiegeladener Typus vor, eine Mischung aus Winston Churchill und Dwight Eisenhower, der die 1950er-Jahre-Hausfrau ‒ die Hausmänner waren damals bekanntlich noch recht dünn gesät ... ‒ in ihrem Kampf gegen den Schmutz kraftvoll unterstützen sollte. So wurde eine Figur geboren, die, zusammen mit dem Produkt, für das sie steht, bald einen Siegeszug rund um den Globus antrat und heute als eine Ikone der modernen Werbegraphik angesehen werden darf. Egal, ob als Meister Proper im deutschsprachigen Raum, als Mastro Lindo in Italien, als Monsieur Propre in Frankreich, als Don Limpio in Spanien oder als Pan Proper in Polen ‒ jedes Kind kennt heute den gutmütigen Muskelprotz mit Glatze und verwegenem Ohrring. Siebel hatte per Vertrag auf alle Rechte an Mr. Clean verzichtet, noch ehe dieser das Licht der Welt erblickte. An den ersten betreffenden Trickfilm-Werbespots, die bald darauf produziert wurden, wirkte Siebel noch selbst mit, an der Weiterentwicklung der Figur hatte er dann jedoch keinen Anteil mehr. Auch wenn er nirgends als Schöpfer von Mr. Clean aufscheint, war er, so schreiben seine Ehefrau und sein Sohn, doch immer stolz auf diese seine inzwischen weltweit bekannte Kreation.

 

Ein vielseitiger und erfolgreicher Graphiker und Designer

Ab 1959 widmete sich Siebel verstärkt der Illustration von Kinderbüchern, sein Erstlingswerk in dieser Hinsicht war „A fly went by“ (Text: Mike McClintock), das in einer Buchreihe für Frühleser des Verlags Random House erschien und ein Bestseller wurde. Nach einem weiteren Kinderbuch für Random House wechselte Siebel zum Verlag Harper and Row (heute HarperCollins) und schuf die Figur der „Amelia Bedelia“, einer recht schrulligen Hausangestellten, die die Anweisungen ihrer Herrschaft allzu wörtlich nimmt, was zu komischen Resultaten führt (Text: Peggy Parish). Auch diese vor allem auf Sprachwitz basierenden Kinderbücher entwickelten sich zu Klassikern des Genres und werden auch heute noch aufgelegt. Als in der Welt der Magazine und der Werbung die Photographie allmählich die Graphik von Hand ersetzte, suchte Siebel neue Herausforderungen und wandte sich dem Bereich des Verpackungsdesigns zu. 1960 gründete er die Frederick Siebel Associates, die in diesem Bereich reüssierte. Später wurde die erfolgreiche Firma in Siebel Marketing Company umbenannt. Fritz Siebel, der zwei Mal verheiratet war, starb im Dezember 1991 in New York City, er hinterließ seine Ehefrau, sieben Kinder und zahlreiche Enkel. Sein nach dem Großvater benannter jüngster Sohn Max Siebel lebt heute als freischaffender Künstler in Deutschland.

Literatur: Kleine Verbündete / Little Allies. Vertriebene österreichische Kinder- und Jugendliteratur / Austrian Children’s and Juvenile Literature in Exile, ed. U. Seeber, 1998, S. 160f.; L. Peng, Today’s Inspiration. Celebrating Illustration, Design, Cartoon and Comic Art of the Mid-20th Century (Internet-Blog), 20., 21., 23., 24. 10. 2008, 11. 3. 2009; G. Siebel - F. Siebel Jr., Fritz Siebel: „never felt that he needed to be recognized ... but he was always proud”, in: L. Peng, Today’s Inspiration (Internet-Blog), 11. 10. 2012; P. Parish (Text) ‒ F. Siebel (Illustrationen), Amelia Bedelia, Commemorative 50th anniversary edition, 2013; Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien, Israelitische Kultusgemeinde, Wien; Rechtsanwaltskammer Wien; Mitteilung Gretchen Siebel, New York City, USA.

(Hubert Bergmann)


Fritz Siebels Witwe, Frau Gretchen Siebel (New York City), sei für ihre Unterstützung bei der Arbeit an dieser biographischen Skizze herzlich gedankt. Weiters bedanken wir uns bei der Universität für angewandte Kunst Wien sowie bei Procter & Gamble für die Bereitstellung von Bildmaterial.