Österreichisches Biographisches Lexikon

Biographie des Monats

Erzherzog Karl Ludwig – der Großvater des letzten Kaisers von Österreich.

Am 30. Juli 2013 jährt sich der 180. Geburtstag von Erzherzog Karl Ludwig, dem jüngeren Bruder von Kaiser Franz Joseph. Für die Dynastie der Habsburger erlangte er familienhistorische Bedeutung, da er nach dem Tod von Kronprinz Rudolf den Fortbestand der regierenden Linie des Hauses sicherte. Er war der Vater von Thronfolger Franz Ferdinand und Großvater von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich. Heute fast vergessen, setzte er sich, streng klerikal und in seinen politischen Ansichten konservativ, für die Förderung von Wirtschaft sowie Kultur ein und bezeichnete sich selbst scherzend als „Ausstellungs-Erzherzog“. Stets war er bemüht, zwischen herkömmlichen Anschauungen und neuen Strömungen einen Ausgleich zu finden.

 

Jugend und Ausbildung

Am 30. Juli 1833 wurde Karl Ludwig Joseph Maria als dritter Sohn von Erzherzog Franz Karl und Erzherzogin Sophie in Schloss Schönbrunn geboren.

Wie seine Brüder genoss er ab dem sechsten Lebensjahr einen intensiven Unterricht, der meistens um sieben Uhr begann (nur sonntags erst um zehn Uhr) und – unterbrochen von einigen Stunden Freizeit – bis acht Uhr abends dauerte. Zu seinen Lehrern zählten u. a. Johann Ritter von Wittek, Josef Othmar von Rauscher und Johann von Perthaler. Zu Letzterem ließ er den Kontakt auch in den späteren Jahren nicht abreißen und bat ihn immer wieder um fachlichen Rat.

Im Dezember 1853 trat er in Galizien den praktischen Verwaltungsdienst unter dem damaligen Statthalter Agenor Graf Gołuchowski an, der bis August 1855 dauerte. Bereits damals zeigte sich sein besonderes Interesse für alle Arten kultureller und karitativer Institutionen.

 

Karl Ludwig als Statthalter in Tirol

Ende Juli 1855 wurde Karl Ludwig vom Kaiser zum Statthalter in Tirol bestimmt. In diese Ernennung setzten die Tiroler große Hoffnungen, da sie sich von einem Mitglied des Erzhauses besondere Unterstützung erwarteten. Am 26. September zog Karl Ludwig schließlich feierlich in Innsbruck ein und wurde während der folgenden Antrittsreise durch die Gemeinden von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt; nur in Trient begegnete man ihm reserviert.

Auch in den Folgejahren bereiste er wiederholt das Land, um sich ein persönliches Bild von den wirtschaftlichen Problemen zu machen; oftmals versuchte er betroffenen Gemeinden auch spontan durch private Zuwendungen zu helfen.

Karl Ludwig nahm seine Funktion als Statthalter sehr ernst und richtete deshalb Ende 1858 ein Schreiben an den Kaiser, in dem er um eine Erweiterung seiner Machtbefugnisse (ähnlich dem Generalgouverneur von Lombardo-Venetien) ersuchte: so etwa wollte er in verschiedenen Belangen Entscheidungen nach seinem Ermessen treffen. Durch diese Erweiterung seines Wirkungskreises erhoffte er sich u. a. die Ausschaltung unfähiger oder nicht entsprechender Personen der Beamtenschaft und in der Folge eine Verbesserung des österreichfeindlichen Klimas im italienischsprachigen Teil Tirols. Franz Joseph legte dieses Ansuchen auch Erzherzog Rainer und Minister Alexander Freiherr von Bach zur Beurteilung vor, beide lehnten jedoch mit der Begründung ab, dass dem Erzherzog als Statthalter in Tirol keine andere Stellung und Machtvollkommenheit gegeben werden könne wie den anderen Statthaltern.

Dennoch arbeitete er sich mit großem Interesse weiter in diesen Aufgabenkreis ein und erreichte in einigen Belangen einen Ausgleich zwischen den herkömmlichen Anschauungen von Tiroler Landesautonomie und der neoabsolutistischen Staatsform.

Zu den wichtigsten Veränderungen in seiner Amtszeit gehörten die Auflösung der vier Kreisbehörden in Tirol und Vorarlberg (1860), die Verminderung der Perzentualgebühren für das Land Tirol (1860) sowie die Milderung des Forstgesetzes von 1852. Weiters setzte er sich beim Bischof von Trient vehement für eine Verstärkung durch deutsche Seelsorger und Lehrer im Trentino ein, führte an den Bezirksämtern in Levico, Fondo und Cavalese Deutsch als Amtssprache wieder ein und ließ deutsche Schulen errichten (die Unterrichtssprache durfte in der Folge nicht mehr eigenmächtig geändert werden); in den deutschen Gemeinden existierte ein Anstellungsverbot für italienische Lehrer und Seelsorger. Ebenso konnten in seiner Amtszeit die Eisenbahnlinien Bozen-Trient (1857) und Kufstein-Innsbruck (1858) in Betrieb genommen werden.

Auch in kulturellen Belangen hinterließ Karl Ludwigs kurze Amtstätigkeit Spuren. So ließ er etwa von dem Architekten Ludwig Förster bauliche Veränderungen an Schloss Ambras vornehmen, wobei diese nicht nur den Komfortbestrebungen Karl Ludwigs dienten. Er plante auch, die Ambraser Kunstsammlung, die sich seit 1805 in Wien befand, im Schloss unterzubringen. Dieses Vorhaben wurde jedoch abgelehnt und die Sammlung auf das Hofmuseum, die Schatzkammer und die Hofbibliothek aufgeteilt; nur ein kleiner Teil kehrte nach Ambras zurück.

Weiters leitete der Erzherzog die Restaurierung des Domes von Trient ein und zählte zu den großen Förderern des Museums Ferdinandeum in Innsbruck.

In dem ab 1861 gegebenen konstitutionellen Rahmen wollte Karl Ludwig seine Stellung als Statthalter jedoch nicht mehr ausüben, da es für einen Erzherzog nicht angepasst gewesen wäre, allenfalls einem bürgerlichen Innenminister zu unterstehen. So ersuchte Karl Ludwig im Juli 1861 um seine Enthebung.

Nach seiner Tätigkeit in Tirol trat Karl Ludwig politisch nicht mehr in Erscheinung sondern widmete sich nur mehr der Förderung von Kunst und Kultur sowie seiner Familie.

 

Karl Ludwigs Verdienste als Protektor kultureller und wissenschaftlicher Einrichtungen

1861 wurde die Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus) gegründet. Im Jänner 1865 wurde Karl Ludwig Stifter und übernahm am 27.8.1867 auch das Protektorat über den Künstlerhausbau, das nach dessen Fertigstellung auf die Genossenschaft übertragen wurde. Als Anerkennung für die Leistungen der Künstler beschloss der Erzherzog im Mai 1874, eine Medaille mit seinem Namen zu stiften. Von den Zinsen eines Kapitals von 12.000 fl sollten jährlich drei goldene Medaillen anlässlich der Jahresausstellung durch eine besondere Jury vergeben werden. 1919 wurde aus diesem Karl-Ludwig-Medaillenfond der Karl- Ludwig-Förderungspreis geschaffen; weiters existierte ein Karl-Ludwig- Reisestipendium, das bis 1885 verliehen wurde.

Seinen Einfluss machte er auch bei der Erweiterung des Künstlerhauses um die seitlichen Anbauten (1881) geltend: Trotz des Einspruchs der umliegenden Hausbesitzer gegen eine Verkleinerung der Parkanlage um das Künstlerhaus konnte er beim Magistrat die gewünschten Baulinien durchsetzen und beim Bankhaus Rothschild den dazu notwendigen zinsenlosen Kredit von 100.000 fl erwirken, für den er auch garantierte.

Auch zu den Schauspielern unterhielt er regen Kontakt; hier besonders zu Adolf von Sonnenthal, den er sehr schätzte und u. a. in seine, 1870 von Heinrich Freiherr v. Ferstel entworfene Villa Wartholz in Reichenau einlud. In seinem Palais in der Favoritenstraße fanden oftmals Konzerte, Lesungen oder sonstige kulturelle Veranstaltungen statt, zu denen die Mitglieder der Wiener Gesellschaft geladen waren.

Ein besonderes Augenmerk richtete Karl Ludwig auf die Förderung von Wirtschaft und Technik. So bemühte er sich, ständig über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden zu sein, und fand immer wieder Zeit, Betriebe zu besuchen und mit den Arbeitern ihre Probleme zu besprechen.

Nach dem Tod seines Vaters Franz Karl übernahm er im Juni 1878 das Protektorat über den Niederösterreichischen Gewerbeverein und setzte sich gemeinsam mit dem damaligen Direktor, Wilhelm Exner, für die Errichtung eines Technologischen Gewerbemuseums ein, um damit eine Verbesserung der Situation der Lehrlinge zu erreichen; bereits 1879 erfolgte die Eröffnung der Sektion für Holzindustrie, der I. Sektion des Instituts.

Zu weiteren wichtigen Organisationen, bei denen Karl Ludwig als Protektor fungierte, zählten die Österreichische Gesellschaft vom Rothen Kreuze, der Verein vom Rothen Kreuze in den Ländern der heiligen Krone Ungarns, die Gartenbaugesellschaft und der Wiener Cottage-Verein. Ab 1877 fungierte er als Ehrenmitglied der k. Akademie der Wissenschaften in Wien.

 

Karl Ludwig im Kreis der Familie

 

  

 

Karl Ludwig war 1856-58 in 1. Ehe mit Margarethe von Sachsen (1840-1858) verheiratet, 1862-71 in 2. Ehe mit Maria Annunziata von Bourbon-Sizilien (1843-1871). Aus dieser Verbindung stammen vier Kinder: Franz Ferdinand, Otto, Ferdinand Karl und Margaretha. Ab 1873 war Karl Ludwig schließlich in 3. Ehe mit der wegen ihrer Schönheit und Intelligenz bekannten Maria Theresia von Braganza (1855-1944) verheiratet. Sie war seinen Kindern eine liebevolle Stiefmutter und schenkte noch zwei Töchtern, Maria Annunciata und Elisabeth, das Leben.

In den Folgejahren verbrachte die Familie die Zeit teils in Wien, teils auf ihren Landsitzen (Villa Wartholz, Schloss Artstetten, Schloss Rottenstein).

Stets legte Karl Ludwig Wert auf ein harmonisches und ausgeglichenes Familienleben.

So kümmerte er sich auch persönlich um die Erziehung seiner Kinder, wobei er sich bei der Erstellung der Unterrichtspläne an denen der öffentlichen Lehranstalten orientierte. Weiters suchte er die passenden Lehrkräfte aus und wohnte auch den Unterrichtsstunden und Prüfungen bei. Den besonderen Schwerpunkt legte er auf den Religions-, Sprach- und Geschichtsunterricht, den ab 1876 Prof. Onno Klopp übernahm. Nach Karl Ludwigs Ansicht war die Geschichte wichtig in einer Welt „wo der Begriff des Rechtes ganz verschoben ist, man die Tradition künstlich vernichtet, die Vergangenheit verfälscht oder gar nicht mehr gelten lässt.“

Zu seinen Brüdern Franz Joseph, Ferdinand Maximilian und Ludwig Viktor unterhielt der Erzherzog immer ein sehr inniges Verhältnis.

Im November 1865 trat Ferdinand Maximilian, der damalige Kaiser von Mexiko, auch mit einer großen Bitte an seinen Bruder heran. Da ihm bisher Kinder verwehrt geblieben waren, er aber einen Thronfolger benötigte, fragte er seinen Bruder „… ob dieselben geneigt wären Dero Einwilligung zu geben, dass einer Dero Söhne adoptirt würde. Derselbe Prinz würde wo möglich noch im Laufe des Jahres 1866 als Sohn und Erbe des Kaisers und der Kaiserin von Mexico nach Mexico reisen; … Sollte Kaiser Max noch ein Kind geboren werden, so würde der Prinz, mit einer seiner Stellung würdigen Apanage dotirt, nach Österreich zurückkehren…“. Diesen Wunsch lehnte Karl Ludwig aber strikt ab.

 

Karl Ludwigs letzte Reise

Schon lange hatte Karl Ludwig als strenggläubiger Katholik den Wunsch gehegt, das Hl. Land zu besuchen. Dafür bot sich ein guter Anlass, als sein Sohn Franz Ferdinand aus gesundheitlichen Gründen einige Zeit in Oberägypten zubrachte. Am 21. Jänner 1896 traten Karl Ludwig und seine Familie inkognito ihre Reise an und der Erzherzog besuchte u. a. Kairo, Luxor, Assuan, Beirut, Damaskus und Jerusalem. Für Ende März stand die Heimreise an: In Piräus verschlimmerte sich allerdings der ruhrartige Darmkatarrh, unter dem der Erzherzog seit einigen Tagen litt. Die Krankheit hatte er sich durch Genuss von Jordanwasser zugezogen, das Karl Ludwig trotz ausdrücklicher Warnung von Seiten der Mitreisenden zu sich genommen hatte. Als der Erzherzog schließlich am 7. April in Athen ankam, war er bereits so geschwächt, dass er u. a. auch einen geplanten Empfang auf dem Schiff absagen musste. Am 17. April traf er endlich in Wien ein, wo sich sein Gesundheitszustand deutlich besserte.

 

 

Allerdings hielt diese Besserung nicht lange an und Karl Ludwig verstarb am 19. Mai 1896. Er wurde bereits am 21. Mai feierlich in der Kapuzinergruft beigesetzt. In seinem Testament bestimmte er, dass „mein Herz und meine Eingeweide nicht von meinem Körper getrennt werden zur Beisetzung in den verschiedenen Kirchen, wie dies sonst in unserer Familie üblich war“.

Literatur: Innsbrucker Nachrichten, Neue Freie Presse, Wiener Zeitung, 19. und 20. 5. 1896; ADB; Almanach Wien, 1896; ÖBL; Wurzbach; Alfred v. Lindheim, Erzherzog Karl Ludwig, 1897 (m. B.); Christine Gruber, Erzherzog Karl Ludwig 1833-1896, phil. Diss. Wien, 1982 (m. B.); Hans Hochenegg, Ein fürstlicher Haushalt um 1880, in: Alpenregion und Österreich, ed. Eduard Widmoser – Helmut Reinalter, 1976, S. 29ff.; Gerd Braun, Schloss Ambras als Sommerresidenz des Erzherzogs Carl Ludwig, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45, 1997, S. 87ff.; Richard Schober, Erzherzog Carl Ludwig als Statthalter von Tirol und Vorarlberg, in: Tirol – Österreich – Italien, FS für Josef Riedmann …, ed. Klaus Brandstätter – Julia Hörmann, 2005, S. 593ff.

(Christine Gruber)


Fotonachweis: A. v. Lindheim, Erzherzog Karl Ludwig, 1897