Österreichisches Biographisches Lexikon

Biographie des Monats

Mathias Tendler: Der Begründer des Tendler’schen Automatentheaters.

Am 15. Februar 2013 jährt sich der 260. Geburtstag des Kunsthandwerkers und Schaustellers Mathias Tendler. Seine Familie prägte mehrere Generationen das Kunsthandwerksleben der Region Eisenerz.

 

Mathias Tendler kam am 15. Februar 1753 in Krieglach in der Steiermark als ältester Sohn des Tischlers und Mechanikers Michael Tendler (geb. Krieglach, 28. 9. 1723) auf die Welt. Er erlernte vorerst das Handwerk des Holzschnitzers und Mechanikers und übersiedelte 1777 nach Vorau. Hier arbeitete er für das Augustiner-Chorherrenstift und nutzte die Stiftsbibliothek für weiterbildende Studien.

1789 ließ er sich mit seiner Frau Theresia, geborene Threyer, seiner fünfjährigen Tochter Maria Anna und seinem zwölfjährigen Sohn Johann in Eisenerz nieder. Am 17. Oktober 1789 leistete er am Magistrat den Bürgereid ab.

 

Die Entwicklung des Tendler’sche Automatentheater

Bereits Michael Tendler war die Herstellung von drei gehenden, etwa ein Meter hohen Figuren, gelungen, wobei die Bewegung an den Gelenken durch ein kompliziertes Federwerk erzeugt wurde. Mathias führte diese Idee selbstbeweglicher Puppen weiter und arbeitete an der Herstellung einer Kunstreitergesellschaft. Zunächst schuf er selbstbewegliche Figuren aus Pappe, danach Figuren ganz aus Holz, die völlig selbstständig die natürlichen Bewegungen menschlicher und tierischer Körper nachahmten. Diese hohlen Holzkonstruktionen mit Gelenken an sämtlichen Gliedmaßen konnten mittels Seilzug im Figureninnenraum gesteuert werden. Der Seilzug wurde in den Bühnenboden abgleitet, um dort von den Schaustellern, für das Publikum unsichtbar, bedient zu werden.

Ein Zeitgenosse schilderte eine Vorführung der „Kunstreitergesellschaft“ in der Zeitung „Der Aufmerksame“ folgendermaßen: „…in der die Rosse stampfen, laufen und mit dem Halse nicken; die Reiter salutiren, absteigen, stürzen, von den Pferden geschleift werden, auf ihren Pferden durch den Reif springen, Ballen werfen, und alle möglichen Reiterkünste üben.

Als am 20. September 1810 Kaiser Franz II. (I.) nach Eisenerz kam, wurde es Mathias Tendler gestattet, seine Kunstreitergesellschaft vorzuführen. Über diese Begegnung liest man in der „Grätzer Zeitung“ vom 4. Oktober 1810: „Zu Eisenarzt würdigten Allerhöchstdieselben einem von einem zu Eisenarzt geborenen Tischler verfertigten mechanischen Seilschwinger Ihre Aufmerksamkeit, welcher durch den Reichthum die Leichtigkeit und Richtigkeit der Bewegungen alle dergleichen bisher gesehenen Maschinen übertrift.“ Der Monarch war von dieser Vorstellung so begeistert, dass er Mathias Tendler 1811 an die Wiener Hofburg zu einer Vorführung vor der Kaiserlichen Familie und deren Gästen sowie 1815 zur Darbietung des Automatentheaters beim Wiener Kongress einlud.

 

 

Die Zeitung „Der Aufmerksame“ beschreibt am 10. April 1813 eine der Figuren des Automatentheaters anschaulich: „Die Figur, welche den Cyrkus eröffnet, wird den Zusehern zur Ansicht übergeben. Es ist ein Knäbchen von etwa 18 Zoll Höhe mit beweglichen Gelenken. Der Künstler setzt sie vom Parterre in Angesicht Aller auf das Seil, welches, zwar nicht dehnbar, sich doch schaukelförmig bewegt. Die rechte Hand ist der einzige Befestigungspunkt für die Figur. Nun macht es alle Bewegungen und Künste, die wir so oft in Wirklichkeit sahen, mit unglaublicher Leichtigkeit und Natur, und läßt sich am Ende selbst vom Seile los … Das Knäbchen hebt die Hände vom Seile, krümmt den Rücken, wendet das Köpfchen, beugt und dehnt die Füsse, schlägt mit den Fersen zusammen, und macht bey all dieser auffallend sichtbaren Unabhängigkeit vom Seile alle Künste mit einer solchen Kühnheit, Zuversicht und Grazie, wie wir sie auf öffentlichen Plätzen nicht ohne Zittern für das preisgegebene Menschenleben ausführen sehen … Widernatürliche Verrenkungen des menschlichen Körpers und frecher Spott mit Gefahren, … können nur dem gaffenden Haufen Staunen und Bewunderung einflößen. Bey diesen freundlichen Spielen, wie Tendlers Talent und Kunstgeist sie uns giebt, weilt der Blick des Menschenfreundes eben so erfreut, als er dort scheu sich wegwendet; und während Tendlers hölzerne Knaben sein Auge und seine Phantasie in den schönsten Wechselbildern ergötzen, erhebt sich der Geist an einer neuen Überzeugung, wie weit es der Kunstsinn dieses braven geschickten Steyermärkers brachte, der ausser der Lehre für sein Gewerbe als Tischler keine höhere Kunstbildung empfieng, und neben seinem Kunstwerke an sich jene landbürgerliche Einfachheit und Biederkeit bewahrt, die ihn auch als Mensch unserer Achtung empfiehlt.

Ab 1816 unternahm Mathias mit seinem Automatentheater, bestehend aus einer Kunstreitergesellschaft, einer Seiltänzer- und einer Bajazzofigur, ausgedehnte Reisen nach Deutschland und in die Schweiz. Auf diesen durch Plakate, Zeitungsanzeigen und Handzettel angekündigten Schaustellerreisen wurde er von seinen Söhnen Johann und Ferdinand begleitet. Mathias Tendler verstarb am 28. Juni 1825 in Linz auf der Heimreise von einer Tournee.

 

 

Die Perfektionierung des Tendler’schen Automatentheaters unter Johann Patriz Tendler

Johann Patriz Tendler wurde am 14. 12. 1777 (Taufdatum) als ältester Sohn von Mathias Tendler in Vorau geboren. Ebenso wie sein Vater arbeitete er als Bildschnitzer, Mechaniker und Maler. Bereits als Jugendlicher begleitet er seinen Vater auf dessen Schaustellerreisen mit dem Tendler’schen Automatentheater und entwickelte nach dessen Tod das Theater samt Figuren weiter.

So hatte Johann Patriz bereits in jungen Jahren die Idee zu transparent gemalten „Aufzügen“. Diese auf feinstem Leinen gemalten Bilder mit mythologischen, historischen und sakralen Motiven konnten von rückwärts beleuchtet, mittels einer besonderen Mechanik hinter den Figuren abgerollt sowie vorbeigezogen werden und ermöglichten dadurch eine beliebige Änderung der Kulisse.

Daneben betätigte er sich auch als Maler, wobei er stilistisch an die Motive der Kammermaler des Erzherzog Johann anknüpfte (eine Besonderheit seiner Bilder waren lichtdurchlässige Stellen, ähnlich wie die der Aufzugsbilder).

 

 

Johann Patriz Tendler verstarb am 27. Juni 1849 in Eisenerz und hinterließ drei Söhne: Matthäus (geb. Eisenerz, 18. 9. 1806; gest. ebenda, 17. 2. 1881), der das Automatentheater weiterführte, Johann Max und Josef Tendler (geb. 21. 3. 1821; gest. 30. 1. 1868).

 

Der Maler Johann Max Tendler

Johann Max Tendler wurde am 23. August 1811 in Eisenerz geboren und unterstützte seit frühester Jugend seinen Vater. Von 1829 bis 1831 besuchte er die Wiener Akademie der bildenden Künste, wo er bei Josef Ritter von Führich, Anton Petter, Leopold Kupelwieser und Karl Gsellhofer lernte. Danach kehrte er nach Eisenerz zurück, 1835 übersiedelte er nach Leoben, wo er sich als Inhaber einer „bürgerl. Real-Mahler- und Vergolders-Gerechtsame“ und akademischer Maler einen größeren Wirkungskreis erhoffte. Zu seinen Aufträgen, die er vom Klerus und von wohlhabenden Bürgern erhielt, zählten Kreuzwegbilder, Altarblätter, Glasmalereien und Firmenschilder.

Aufgrund finanzieller Probleme arbeitete er ab 1855 beim Wiener Glasmaler Carl Geyling, kehrte wegen privater Unstimmigkeiten jedoch wieder in die Heimat zurück, von wo aus er weiter für Geyling arbeitete. Teile seines Œuvres befinden sich im Stadtmuseum Eisenerz, sein Nachlass im MuseumsCenter Leoben. Johann Max Tendler verstarb am 14. April 1870 in Leoben.

 

Das Ende des Tendler’schen Automatentheaters

Nach dem Tod von Johann Max Tendler ging das Tendler’sche Automatentheater größtenteils in den Besitz seiner ältesten Tochter Johanna (geb. 19. 3. 1837), ab 1866 mit dem Leobener Kaufmann Leopold Karl Hausmann verheiratet, über: Das Ehepaar Hausmann hatte das Automatentheater noch viele Jahrzehnte in Betrieb. Es wurde jedoch schadhaft und niemand besaß die Fertigkeit es zu reparieren. Die Reste, wie einige Puppen, Fotografien und Handzettel, des einst so vielschichtigen Automatentheaters befinden sich heute im Stadtmuseum Eisenerz.

Literatur Thieme-Becker; Heinrich Fuchs, Die österreichischen Maler des 19. Jahrhundert 4, 1974; Stefan Poser, Die Automatenfiguren von Mathias Tendler und Christian Tschuggmall, phil. DA Wien, 1991; Andrea Domanig, Johann Max Tendler. Mitglied der obersteirischen Künstlerfamilie Tendler (1811-1870), 1, phil. DA Graz, 1989; Karin Talaber, Das Wirken der obersteirischen Künstlerfamilie Tendler in der Region Eisenerz …, phil. DA Graz, 2009 (m. L.); K. Talaber, in: Der Schiedlberger 2, 2012, S. 16-19; Literatur- und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert (nur online)..

(Karin Talaber)


Für die Überlassung sowie Erlaubnis zur Veröffentlichung des Bildmaterials danken wir dem Stadtmuseum Eisenerz.