Institut Österreichisches Biographisches Lexikon
und biographische Dokumentation

Biographie des Monats

Hugo Meisl – der Vater des „Wunderteams“

Am 17. Februar 2012 ist es 75 Jahre her, dass Hugo Meisl, der Schöpfer des österreichischen „Wunderteams“, gestorben ist. Er zählt zu den prägenden Gestalten in der Entwicklung des Fußballsports, sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene.

 

Hugo Meisl wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns am 16. 11. 1881 im böhmischen Maleschau geboren und mit zwölf Jahren nach Wien geschickt, um die Handelsschule zu besuchen und anschließend eine kaufmännische Lehre zu beginnen. Schon zu dieser Zeit, in den späteren 1890er-Jahren, entdeckte Meisl seine Leidenschaft für den Fußballsport und wurde 1895 Mitglied des Vienna Cricket and Football Clubs (nicht zu verwechseln mit dem First Vienna Football Club), bei dem er später auch einige Male in der Kampfmannschaft spielte. Unterbrochen wurde seine sportliche Laufbahn von seinem Einjährig-Freiwilligenjahr, das er 1901-02 absolvierte, sowie durch seine berufliche Ausbildung, für die er einige Jahre im Ausland verbrachte. 1904 wieder zurück in Wien, bestritt er noch einige Spiele, begann aber bereits, Matches als Schiedsrichter zu leiten. Dabei dürfte er ziemlich erfolgreich gewesen sein, denn schon 1905 wurde er Schriftführer beim Österreichischen Fußballverband (ÖFV) und war dort auch für Schiedsrichterfragen zuständig. Die berufliche Absicherung brachte im kommenden Jahr eine feste Anstellung bei der Länderbank. Dies konnte Meisls Leidenschaft für den Fußballsport jedoch nicht bremsen. 1907 wurde er nicht nur vom ÖFV bereits zu einem Kongress des Fußballweltverbandes (FIFA) delegiert, er leitete auch sein erstes Länderspiel in Wien, das Österreich mit 3:1 gegen Ungarn gewann. Meisl sollte allerdings nicht mehr aktiv spielen, umso mehr brachte er sich als Funktionär und Mannschaftsbetreuer ein. Seit 1908 war er Schriftführer der Cricketers; er verließ den Verein jedoch 1911, als sich die Fußballmannschaft abspaltete und einen neuen Klub, den Wiener Amateur-Sportverein, kurz „Amateure“, gründete. Bei den Amateuren gehörte er dem Vorstand an.

 

Verbandskapitän, Journalist, Unternehmer

1912 übernahm Meisl die österreichische Nationalmannschaft, wurde 1913 offiziell Verbandskapitän und lernte im selben Jahr den englischen Trainer James „Jimmy“ Hogan kennen. Die Zusammenarbeit der beiden in dieser Periode legte die Basis für die Erfolge des österreichischen Fußballs in der Zwischenkriegszeit. Der Multifunktionär Meisl war daneben noch immer als Schiedsrichter aktiv, etwa bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm, wurde 1913 Präsident des Schiedsrichterkollegiums im ÖFV und verfasste auch diverse Artikel und Broschüren zur Regelkunde. Außerdem dehnte er sein Betätigungsfeld auf die Journalistik aus, indem er als Redakteur für das „Fremden-Blatt“ zu schreiben begann.

Einen Einschnitt brachte der Erste Weltkrieg. Meisl wurde noch 1914 einberufen und zunächst im serbischen Feldzug, danach längere Zeit an der Isonzofront als Proviantoffizier eingesetzt. 1918 wurde er zum Hauptmann befördert und als Presseoffizier verwendet. Nach Kriegsende fand er schnell wieder in sein sportliches Leben zurück. Er kümmerte sich nun um die Revitalisierung der Amateure und leitete für zwei Jahre das Training der Kampfmannschaft. 1919 übernahm er erneut die Rolle des Verbandskapitäns beim nunmehr umbenannten Österreichischen Fußballbund (ÖFB) und wurde 1920 auch Zeitungsherausgeber, nämlich des „Neuen Wiener Sportblattes“, sowie Miteigentümer der Sportartikelfirma Stadion, die Fußballausrüstung herstellte. Dieses Unternehmen musste jedoch schon 1925 wieder liquidiert werden, im selben Jahr wurde Meisl aufgrund der Wirtschaftskrise von der Länderbank pensioniert.

 

Der Visionär

Meisl war nicht nur ein rühriger Funktionär, sondern auch jemand, der sich Gedanken um die Entwicklung des Fußballsports an sich machte. So war es kein Wunder, dass Österreich auf seine Initiative hin das erste Land in Kontinentaleuropa wurde, das diesen Sport professionalisierte. Viel lag ihm außerdem an der Internationalisierung und Ökonomisierung des Fußballs auch auf Vereinsebene und so entwickelte er die Idee eines länderübergreifenden Bewerbs, an dem insbesondere Mannschaften aus Mitteleuropa teilnehmen sollten. 1927 war die Geburtsstunde des Mitropacups, bei dem zunächst Vereinsmannschaften aus Österreich, Ungarn, Jugoslawien und der Tschechoslowakei aufeinandertrafen. Eine weitere Idee war die Einführung eines über zwei Jahre dauernden Pokalbewerbs für Nationalmannschaften, eines Vorläufers der heutigen Europameisterschaften, den Österreich 1932 gewinnen konnte.

Die „Wiener Schule“ – Das „Wunderteam

Mit dem Namen Hugo Meisl, der in den 1920er-Jahren als Trainer des Nationalteams und ab 1927 als Generalsekretär des ÖFB fungierte, ist auch der Begriff „Wiener Schule des Fußballs“ verbunden, die auf Ballbeherrschung, kurzen Pässen und Spiel ohne Körpereinsatz beruhte. Auf dieser Grundlage kristallisierte sich Anfang der 1930er-Jahre das legendäre „Wunderteam“ heraus, das sich vor allem durch seine Sturmformation, bestehend aus Karl Zischek, Fritz Gschweidl, Anton Schall, Adolf Vogl und dem herausragenden Mittelstürmer Matthias Sindelar, auszeichnete. Einer Überlieferung nach soll sich Hugo Meisl vor dem Spiel gegen Schottland im Mai 1931 mit den Worten „Da habt’s euer Schmieranskiteam“ dem Druck der Sportpresse bezüglich der Aufstellung gebeugt haben. Zwischen Mai 1931 und Februar 1933 wurden 12 Spiele gewonnen, auf den 5:0-Kantersieg über Schottland folgten unter anderem hohe Siege gegen Deutschland, Ungarn und die Schweiz. Das einzige Spiel, das in diesem Zeitraum verloren wurde, 4:3 gegen England am 7. Dezember 1932, trug paradoxerweise zum Ruf des Wunderteams wesentlich bei, da die Engländer nahe an den Rand einer Niederlage gebracht worden waren.

1933 zerfiel das Wunderteam, nachdem einige Spieler Auslandsengagements angenommen hatten. Daher erreichte die Nationalmannschaft lediglich den vierten Platz der 1934 in Italien stattfindenden Weltmeisterschaft. Meisl bereitete dann ein Team für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin vor, das sich erst im Finale den Italienern geschlagen geben musste. Sein letztes Spiel als Verantwortlicher des Nationalteams wurde Ende Jänner 1937 in Paris gegen Frankreich 2:1 gewonnen.

Nur wenige Wochen später starb Hugo Meisl. Er zählte neben Herbert Chapman, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, Henry Delaunay und Vittorio Pozzo zu den Größen des internationalen Fußballsports vor dem Zweiten Weltkrieg. Auf der Website der FIFA wird Hugo Meisl noch heute als eine von zehn bedeutenden Trainerpersönlichkeiten gewürdigt.

 

Literatur: ÖBL 6; R. Horak – W. Maderthaner, Mehr als ein Spiel. Fußball und populare Kulturen im Wien der Moderne, 1997, s. Reg. (m. B.); R. Franta – W. Weisgram, Ein rundes Leben. H. M. – Goldgräber des Fußballs, 2005 (m. B.); A. Hafer – W. Hafer, H. M. oder: Die Erfindung des modernen Fußballs, 2008 (m. B.); dies., H. M. und die Erfindung des modernen Fußballs, in: Die Eleganz des runden Leders. Wiener Fußball 1920-1965, ed. W. Maderthaner u. a., 2008, bes. S. 106-121 (m. B.).

Internet:

Wiener Fußballgeschichte - Hugo Meisl, Verbandskapitän

Hugo Meisl - Das Fussball-Genie aus Österreich

(Ch. Mentschl)


Wir danken Herrn Mag. Gerald Piffl von der Agentur IMAGNO/Austrian Archives für die freundliche Erlaubnis zur Verwendung der Bilder.