Institut Österreichisches Biographisches Lexikon
und biographische Dokumentation

Biographie des Monats

Ein Vertreter des frühen österreichischen Films: Hans Otto Löwenstein

Vor achtzig Jahren, am 8. Mai 1931, starb in Wien der Filmregisseur, Produzent, Autor und Schauspieler Hans Otto Löwenstein (Ps. Hans Otto). Als Filme noch Films hießen und zur musikalischen Untermalung der Anwesenheit von Pianist oder Orchester bedurften, inszenierte und produzierte der einstige Offizier zahlreiche Stummfilmstreifen. An der Schwelle zum Tonfilm trat er durch eine eigene Erfindung hervor, und 1930 leitete er die Produktion des ersten österreichischen Ton- und Sprechfilms.

 

Hans Otto Löwenstein wurde am 11. Oktober 1881 im mährischen Priwoz, heute ein Stadtteil Ostravas (Mährisch Ostrau), als Sohn des Bahnbeamten Jakob Löwenstein geboren. Er besuchte die Realschule in Mährisch Ostrau und absolvierte anschließend die Landwehrkadettenschule in Wien mit sehr gutem Erfolg. 1901-07 diente er beim Landwehr-Infanterieregiment Jungbunzlau Nr. 10, wo er 1902 zum Leutnant aufrückte, gab aber schließlich der künstlerischen Laufbahn vor der militärischen den Vorzug. Er trat einige Jahre als Opern- und Operettentenor, Schauspieler und Chansonnier auf. Zum Film kam Löwenstein 1911 über Sascha Kolowrat, der ihn als Mitarbeiter heranzog. 1913 gelangte dann während der Adria-Ausstellung im Wiener Prater sein Schwank „Menelaus im Kino“ zur Aufführung, in dem er Filmszenen geschickt mit realem Geschehen auf der Bühne und im Zuschauerraum verknüpfte und auch selbst auftrat. Die Musik dazu schrieb Robert Stolz. Löwensteins Drehbuch ist heute das älteste erhaltene Filmskript Österreichs.

 

Hauptmann Löwenstein – Kino im Krieg

Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs war Löwenstein zunächst als Hauptmann an der Front eingesetzt, hatte dann aber Gelegenheit, sein kinematographisches Interesse weiterzuverfolgen: Er gründete die Feldkinozentrale in Wien (Filmvorführungen sollten der Zerstreuung der Frontsoldaten dienen) und leitete später die dem Kriegspressequartier angeschlossene Filmstelle, die für Kriegsfilmpropaganda und Überwachung des Feldkinowesens zuständig war. Gegen Kriegsende wurde er Kommandant der Sammelstelle für Frontdienstuntaugliche am Wiener Loquaiplatz. Noch während des Krieges entstand Löwensteins Stummfilmkomödie „Der Glücksschneider“ (1916) nach einem Drehbuch von Felix Salten, in der u. a. Josef und Rudolf Schildkraut mitwirkten.

 

Von der „Bar-Maid“ zu „Oberst Redl“

Anlässlich seines 15-jährigen Jubiläums als Regisseur 1926 konnte Löwenstein auf über 350 Filme verweisen. Sie reichten vom kleinen Lustspiel-Einakter bis zu großen Produktionen wie „Der Lebensroman des Ludwig van Beethoven“ (1927) mit Fritz Kortner in der Titelrolle oder dem Bühnen-Filmspiel „Meister Lehár“ (1929), das unter Mitwirkung des Meisters und der österreichischen Miss Universe Lisl Goldarbeiter entstand. Neben Spiel- und Militärfilmen drehte Löwenstein aber auch einen Aufklärungsfilm gegen Schwangerschaftsunterbrechung, „Paragraph 144“ (1924), bei dem er gemeinsam mit Georg Jacoby Regie führte. Thematisch griff er wiederholt Ereignisse der jüngeren österreichischen Geschichte auf. So entstand in Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Walter Reisch der Film „Leibfiaker Bratfisch“ (1925), der die Ereignisse von Mayerling aus der Perspektive von Kronprinz Rudolfs Fiaker darstellt und in den Löwenstein Szenen aus seinem schon 1919 gedrehten, damals verbotenen Mayerling-Film einfügte. Ebenfalls von Reisch stammt das Drehbuch für den auch in Deutschland erfolgreichen Film „Oberst Redl“ (1925), zu dem Robert Stolz die Musik beisteuerte. Eine Sondervorführung in der Polizeidirektion hatte Johannes Schober schon Ende 1924 veranlasst. Den beteiligten Bundesheer-Offizieren brachte ihre Mitwirkung an diesem Streifen eine Disziplinaruntersuchung ein.

Löwenstein war Gründer der Astoria-, der Ottol- und der Apollo-Filmgesellschaft. Seine Arbeit als Regisseur, Produzent und Drehbuchautor wurde noch erweitert durch die künstlerische und militärische Beratertätigkeit für fremde Produktionen (so für Richard Oswalds „Wir sind vom k. u. k. Infanterie-Regiment“, 1926). Gelegentlich trat er selbst vor die Kamera, etwa in der Rolle des Regimentsarztes Dr. Kuffner im Film „Kaiserjäger“ (1927/28), zu dem er auch das Drehbuch schrieb, oder in „Dienstmann Nr. 13“ (Musik: Edmund Eysler).

 

„Es ist so furchtbar schwer, bahnbrechend zu wirken“ – Löwenstein und der Tonfilm

Als sich in den späten 1920er-Jahren der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm abzeichnete, bemühte sich auch Löwenstein um eine technische Lösung. Dabei entstand zunächst ein „Ton“-Film eigener Art: Mit dem nach C. M. Ziehrers Tongemälde gestalteten „Traum eines österreichischen Reservisten“ schuf er 1928 einen Musikfilm, „dessen Drehbuch das Notenheft ist“ (Löwenstein). Auf dem von ihm erfundenen Ottoton-System, einem Nadeltonverfahren, basierten die ersten österreichischen Tonfilme „G’schichten aus der Steiermark“ und „Ruhiges Heim“, die Ende August 1929 im Grazer Ringkino uraufgeführt wurden und in den Ohren eines Berichterstatters „überraschend naturgetreu“ klangen. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Synchronisierung von (Grammophon-) Musik und Filmhandlung, gesprochen wurde noch nicht. Den ersten österreichischen Sprech- und Tonfilm produzierte er aber schon im Jahr darauf mit „Stürmisch die Nacht“ (Regie führte er gemeinsam mit Curt Blachnitzky).

Über den von Löwenstein neben vielen anderen Erfindungen konstruierten „Maschinenmenschen“, der durch Verwendung eines Mikrophons und eines Lautsprechers an ihn gestellte Fragen beantworten konnte, sind leider keine Details bekannt.

Ein knappes halbes Jahr vor seinem Tod wurde Löwenstein nach Berlin berufen, um die Regie bei einem Tonfilm zu übernehmen, konnte das Angebot aufgrund seiner schweren Erkrankung aber nicht mehr wahrnehmen.

 

Weitere Regiearbeiten (s. auch Fritz 1967; Weniger; Thaller): Der Herzog von Reichstadt, 1920; Kaiser Karl, 1921; Landru, der Blaubart von Paris, 1922; Moderne Ehen, 1924 (Buch: Felix Salten); Der Feldherrnhügel, 1926; Die Beichte des Feldkuraten, 1927; etc. – Publikationen: Oesterreichs Filmindustrie, in: Kinematographische Rundschau Nr. 408, 1916; Im Kino bei unseren Feinden!, in: Das Kino für die Waisen gefallener Krieger, 1916; Mein „Ton“-Film, in: Mein Film, Nr. 149, 1928.

Literatur: Mein Film Nr. 23, 1926, S. 6; Nr. 34, 1926, S. 2; Nr. 35, 1926, S. 12 (mit Bild), Nr. 109, 1928, S. 7 (mit Bild), Nr. 282, 1931, S. 8; Neues Wiener Journal, Neues Wiener Tagblatt, 9. 5. 1931; Czeike; Jb. der Wr. Ges., 1929; Mein Film-Buch, ed. Fr. Porges, Ausg. 1931, o. J. (mit Bild); W. Fritz, Die österreichischen Filme der Stummfilmzeit (1907–1930), s. Reg.; ders., Im Kino erlebe ich die Welt, 1997, s. Reg.; A. Schnitzler, Tagebuch 1931, 2000, s. Reg.; K. Weniger, Das große Personenlexikon des Films 5, 2001 (mit Filmographie); E. Büttner – Ch. Dewald, Das tägliche Brennen, 2002, s. Reg.; W. Reisch, Film schreiben, ed. G. Krenn, 2004, passim; Filmhimmel Österreich 4, 2005, S. 11 (mit Bild); V. Moritz u. a., Im Zentrum der Macht, 2., korr. Aufl. 2007, S. 216; Österreichische Filmografie 1, ed. A. Thaller, 2010, s. Reg.; Kriegsarchiv, Wien.

(Eva Offenthaler)


Für die Überlassung der beiden Porträtfotos danken wir Frau Mag. Petra Löwenstein-Diouf sehr herzlich!