07.07.2022 | Neuerscheinung

"...und manchmal Glück" - die Autobiografie von Nobelpreisträger Martin Karplus

An die vielen Facetten seines Lebens erinnert sich der Chemie-Nobelpreisträger Martin Karplus in seiner nun im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erstmals auf Deutsch erschienenen Autobiografie. Bei einer Buchpräsentation am 20. Juli sprach ÖAW-Präsident Anton Zeilinger mit Martin Karplus, der 1938 vor den Nazis fliehen musste, über dessen bewegte und bewegende Lebensgeschichte.

Das Buch „Facetten meines Lebens. Optimismus, Selbstvertrauen und manchmal Glück“ von Martin Karplus wurde aus dem Englischen übersetzt und ist im Verlag der ÖAW erschienen.
Das Buch „Facetten meines Lebens. Optimismus, Selbstvertrauen und manchmal Glück“ von Martin Karplus wurde aus dem Englischen übersetzt und ist im Verlag der ÖAW erschienen. © Verlag der ÖAW

Manchmal fragt sich Martin Karplus, wie sein Leben wohl ausgesehen hätte, wenn er in Wien geblieben wäre. Wenn er nicht mit acht Jahren von den Nationalsozialisten vertrieben worden wäre. Gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder musste er 1938 nach dem „Anschluss“ über die Schweiz und Frankreich in die USA flüchten.

Eigentlich hätte er Arzt werden sollen. Das war die ihm von der Familie zugedachte Rolle, schreibt der theoretische Chemiker, einer der führenden Wissenschaftler weltweit, in seiner nun erstmals auf Deutsch im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erschienenen Autobiografie „Facetten meines Lebens. Optimismus, Selbstvertrauen und manchmal Glück“. Doch der Antisemitismus und die erzwungene Flucht in die USA machten diese Pläne zunichte.

„Dass ich ein Flüchtling war und nicht ganz dazugehörte, spielte für meinen Blick auf die Welt und meine Herangehensweise an die Wissenschaft eine zentrale Rolle,“ erinnert sich Karplus. Sein neugieriger, offener, vielseitig interessierter und kluger Geist bewirkte, dass er ständig Neues entdecken und innovative Ideen entwickeln wollte. Bis ins hohe Alter.

Letzte Tage in Wien und ein Anruf aus Stockholm

In seinem Buch erinnert sich das heute 92-jährige Ehrenmitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ÖAW an seine Kindheit in Wien, dem als Spross einer Medizinerfamilie die Liebe zur Wissenschaft quasi in die Wiege gelegt wurde, und an die letzten Tage in Europa vor seiner Flucht vor den Nazis. Aber auch das neue Leben in den USA wird beleuchtet. Die Studienjahre in Harvard und am California Institute of Technology sowie die wissenschaftliche Karriere, die Karplus als Hochschullehrer u.a. nach Oxford, an die Columbia University, die Université de Strasbourg und schließlich wieder an die Harvard University führte.

Und er erzählt von jenem Telefonanruf am 9. Oktober 2013, der ihn frühmorgens aus dem Bett geholt hatte. „Hier ist Stockholm“, sagte eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Damals wurde ihm gemeinsam mit Michael Levitt und Arieh Warshel der Nobelpreis für Chemie „für die Entwicklung von Multiskalenmodellen für komplexe chemische Systeme“ zuerkannt.

Von Albert Einstein bis Barack Obama

Erfrischend unprätentiös schildert Karplus nicht nur seine zahlreichen wissenschaftlichen Erfolge. Auch seine Begegnungen mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Charly Chaplin, Max Delbrück, Linus Pauling, Richard Feynman und Barack Obama finden Eingang in seine Autobiografie. Vorrangiges Anliegen des Buches: die Jugend für die Wissenschaft zu begeistern.

„Die Beschreibungen von Martin Karplus, sei es über seine Neugier in Bezug auf die Wissenschaft, seine Passion zur Fotografie oder seine Erlebnisse mit berühmten Köchen, machen dieses Buch, besonders auch für die junge Generation, absolut lesenswert“, schreibt Anton Zeilinger, Präsident der ÖAW im Vorwort. Und: „Man kann Martin Karplus nur sehr herzlich danken, die Verbindung mit Österreich weiter gepflegt zu haben. Dies ist angesichts dessen, was seine Familie, seine Freunde und viele andere Menschen jüdischer Abstammung in Österreich vor und nach dem Anschluss erleben mussten, keineswegs selbstverständlich.“

Die Präsentation des Buches fand in Form eines Gesprächs zwischen Martin Karplus und Anton Zeilinger statt. Das als Zoom-Webinar stattfindende Gespräch wurde live übertragen.

 

Auf einen Blick

Das Buch

Das Buch „Facetten meines Lebens. Optimismus, Selbstvertrauen und manchmal Glück“ von Martin Karplus wurde aus dem Englischen übersetzt von Sebastian Vogel und ist im Verlag der ÖAW erschienen. Es umfasst 316 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und ist ab 23 Euro erhältlich.
DOI: https://doi.org/10.1553/978OEAW92107

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