20.04.2023 | Energiekrise

Trotz Preisrückgang sollte Gas ersetzt werden

Der Nachhaltigkeitsforscher Johannes Schmidt hat im Herbst bei einem Science Update an der ÖAW über Gasverbrauch und Füllstände gesprochen. Nun im Frühling stellt sich die Frage, wie sich die Situation geändert hat. Eines ist klar: Es muss weiter in erneuerbare Energien investiert werden - und: „Grünes Gas“ ist keine Alternative.

Europa ist trotz Gaskrise gut durch den Winter gekommen. Auf Dauer muss der Kontinent aber raus aus Gas als Energieträger. © Adobe Stock

Ob wir ohne Rationierungen durch den Winter kommen – das war im November des Vorjahres ungewiss. Ebenso, wie sich die Gas- und Strompreise entwickeln werden. Klar war schon damals: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss sehr schnell vorangetrieben werden. Das hat Nachhaltigkeitsexperte Johannes Schmidt gemeinsam mit Ökonom Philipp Schmidt-Dengler bei einem Science Update der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Herbst 2022 deutlich gemacht.

ÖAW-Science Update zur Energiekrise

Zum Nachlesen

Im Follow-up-Interview spricht Johannes Schmidt, der an der Universität für Bodenkultur Wien forscht und Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW ist, über die aktuelle Energieversorgung in Österreich, die Entwicklung der Preise, Alternativen zu Gas und warum die Politik jetzt am Zug ist.

Milder Winter, geringerer Gasverbrauch

Der Winter ist vergangen und es gab keine Gaskapazitätsprobleme. Kann man sagen, dass die Gaskrise vorbei ist?

Johannes Schmidt: Das ist jetzt ein guter Moment das Interview zu führen. Zuletzt hat Österreich und auch Europa wieder begonnen Gas einzuspeichern, das heißt die Speicher füllen sich nun langsam wieder. Es kann sich zwar, wenn es nochmal kälter wird, kurz in die andere Richtung entwickeln. Aber im Großen und Ganzen kann man sagen, dass der Winter 22/23 überstanden ist. Das sieht man auch an den Märkten, die sich sehr entspannt haben. Der Gaspreis ist gesunken, auch wenn er noch immer deutlich höher ist als auf Vorkrisenniveau – und zwar mehr als doppelt so hoch.

Es ist deswegen so gut gelaufen ist, weil der Winter so warm war."

Können wir also davon ausgehen, dass wir vor dem kommenden Winter nicht wieder zittern müssen?

Schmidt: Man muss schon sagen, dass es deswegen so gut gelaufen ist, weil der Winter so warm war. Und deswegen ist für den Winter 23/24 noch nicht alles ganz sicher und wir sollten darauf schauen, weiter einzusparen und die Bestrebungen weg vom Gas weiter mit hoher Geschwindigkeit fortzusetzen.

Das heißt, alle Anstrengungen, die letztes Jahr begonnen wurden, müssen auf jeden Fall weitergeführt werden. Denn wäre es heuer ein sehr kalter Winter gewesen, hätte es schon deutlich anders ausgesehen.

Was sind die Faktoren dafür, dass der Gaspreis nun zurück geht?

Schmidt: Der Gaspreis hängt stark vom Speicherstand ab und der ist heuer – wegen des Nachfragerückgangs – sehr gut für diese Jahreszeit. Einerseits aufgrund der hohen Temperaturen im Winter. Andererseits hat es durchaus auch Einsparungen beim Verhalten gegeben und zudem wurde Gas auch substituiert, weil manche Betriebe zum Beispiel Öl oder andere Energieträger eingesetzt haben. Außerdem ist es relativ gut gelungen, alternative Gasmengen nach Europa zu holen. Ein entscheidender Faktor war Flüssiggas, aber auch Pipelinegas aus Norwegen.

EU will raus aus Gas

Wir haben demnach auf weniger russisches Gas gesetzt, aber Gas – auch wenn aus anderen Quellen – ist deswegen als Energieträger immer noch nicht besser, oder?

Schmidt: Genau, es hat es uns ermöglicht, dass wir Europa nicht komplett herunterfahren mussten und wir weiter heizen und produzieren konnten, aber die Klimawirksamkeit des Gases ist teilweise sogar höher. So muss man Flüssiggas eben erst verflüssigen, dann wird es wieder in den gasförmigen Zustand gebracht, das ist relativ energieaufwendig und kann zu höheren Emissionen führen als beim Pipelinegas.

Die EU will den Anteil erneuerbarer Energien mehr erhöhen als zuvor, hat im Emissionshandel noch mal nachgebessert und versucht eine Wasserstoffindustrie aufzubauen."

Vor Kurzem war bei der Europäischen Gaskonferenz in Wien zu hören, dass Gas eine Schlüsselrolle als Brückentechnologie bei der Dekarbonisierung spielen werde. Ist das tatsächlich so?

Schmidt: Bis 2050 will die EU klimaneutral werden, da ist dann natürlich nicht mehr viel Platz für Erdgas. Es war lange so, dass Erdgas als Brückentechnologie gegolten hat, die uns hilft, bis 2050 durchzukommen. Und bis zu einem gewissen Grad wird das notwendig sein, zum Beispiel in der Strom- und Wärmeproduktion und in der Industrie. Aber die EU hat mit dem REPowerEU-Plan, den sie 2022 herausgegeben hat, deutlich gemacht, dass man eigentlich früher aus dem Gas herauswill. Man will den Anteil erneuerbarer Energien mehr erhöhen als zuvor, hat im Emissionshandel noch mal nachgebessert und man versucht eine Wasserstoffindustrie aufzubauen.

Grünes Gas nicht besser für das Klima

Als mögliche Alternative wird oft „Grünes Gas“ genannt. Was bedeutet das eigentlich?

Schmidt: Darunter versteht man alle Gase, die nicht fossil sind. Das ist z.B. Biogas, das wir in Österreich schon produzieren. Es können aber auch neue Gase sein, wie zum Beispiel aus Wasserstoff oder auch e-Gas, also elektrisch erzeugtes Gas.

Es heißt „grüner“, aber ist es tatsächlich besser fürs Klima?

Schmidt: Begrenzt. Gerade bei allem, was aus der Biomasse kommt, gibt es harte Limits, das sollte man nicht übertreiben, denn man muss dabei den ganzen CO2-Zyklus im Kopf behalten. Für Biogas muss man, wenn man keine Reststoffe nutzen kann, auf großen Flächen Pflanzen anbauen, um dann daraus Gas herzustellen. Das kann in Folge dazu führen, dass Nahrungsmittelproduktion verdrängt wird und diese dann in anderen Gebieten stattfindet und es zum Beispiel zu Entwaldung kommt. In Summe kann der CO2-Effekt also sogar negativ sein.

Man sollte von Verbrennung auf Elektrifizierung umstellen, etwa im Mobilitätsbereich und nur in Sektoren, wo es wirklich unbedingt notwendig ist, sollten grüne Gase zum Einsatz kommen."

Und bei Gas aus Wasserstoff gilt Ähnliches?

Schmidt: Elektrische Gase, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden, sind natürlich klimatechnisch besser als Erdgas, aber trotzdem sehr viel ressourcenintensiver in der Herstellung als Strom direkt zu verwenden.

Deshalb sollte man zuerst von Verbrennung auf Elektrifizierung umstellen, etwa im Wärme- als auch im Mobilitätsbereich und nur in den Sektoren, wo es wirklich unbedingt notwendig ist, sollten grüne Gase zum Einsatz kommen. Ein Beispiel dafür wäre etwa der Sektor Stahlindustrie, aber auch im Flug- oder Schiffsverkehr kann ich mir vorstellen, dass es ein Thema wird, weil das dort mit Strom bzw. mit Batterie wahrscheinlich nicht klappen wird.

In Österreich boomt Photovoltaik

In unserem letzten Gespräch hatten Sie die Hoffnung, dass durch die Gaskrise der Ausbau alternativer Energien ansteigt. Ist das passiert?

Schmidt: Es ist in punkto Ausbau erneuerbarer Energien sehr viel in Europa passiert. Er war wahrscheinlich 2022 so hoch wie nie zuvor. Wir haben auch in Österreich einen Boom an Photovoltaik. Das sind natürlich Dinge, die Zeit brauchen, aber wenn dieser Trend weitergeht oder sogar weiterbeschleunigt wird, dann haben wir zumindest mittelfristig die Chance, diese Abhängigkeit doch deutlich zu reduzieren.

Wenn wir rauswollen aus den fossilen Energieträgern, muss diese Niedrigpreisphase von fossilen Energieträgern für immer vorbei sein."

Glauben Sie, dass wir noch einmal so niedrige Gas- und Strompreise wie früher haben werden?

Schmidt: Eines muss uns klar sein: Wenn wir rauswollen aus den fossilen Energieträgern, muss diese Niedrigpreisphase von fossilen Energieträgern für immer vorbei sein. Auch die CO2-Bepreisung wird man spüren, das heißt, dass auch der Strompreis eigentlich mittelfristig nicht mehr auf das Niveau von 2020 oder 2021 fallen kann.

Das ist aus einer Konsument:innenperspektive natürlich ein Problem und wird nicht begrüßt, aus der Klimaschutzperspektive aber absolut notwendig, weil wir jetzt ganz klar das Signal brauchen, dass es sich nicht mehr auszahlen darf, noch weiter in fossile Infrastruktur zu investieren. Deshalb bedarf es neben dem CO2-Preis auch noch andere politische Maßnahmen.

Apropos politische Maßnahmen – was wäre Ihre Botschaft an die politischen Entscheider:innen?

Schmidt: Wir hatten umfangreiche Fördermaßnahmen, die wir in unserem ersten Gespräch auch schon kritisiert haben, weil sie zu sehr dem Gießkanne-Prinzip folgten. Nun ist es so, dass die Preise fallen und auch wenn das noch nicht bei den Konsument:innen angekommen ist, sollte das im nächsten halben Jahr passieren. Ich glaube, dass man deshalb jetzt sehr gut nachdenken muss, wann und in welcher Form man diese Subventionen, wie die betrieblichen Förderungen oder die Strompreisbremse, auslaufen lässt, und wen man weiter fördern will.

 

AUF EINEN BLICK

Johannes Schmidt ist Assoziierter Professor am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur Wien und Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).