05.03.2021 | SARS-COV-2

Mutationen können Immunüberwachung von T-Killerzellen erschweren

Bei der Abwehr von Virusinfektionen spielen neben Antikörpern auch die menschlichen T-Killerzellen eine wichtige Rolle. Wie letztere ihre Wirkung im Zusammenhang mit Impfungen und Mutationen entfalten, hat ein Team aus Wissenschafter/innen der ÖAW und der Medizinischen Universität Wien untersucht. Mit einer Publikation im Journal Science Immunology liefern die Forscher/innen wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung von Impfungen.

Nach einem Jahr Pandemie zeichnet sich für Wissenschaft und Medizin ein immer deutlicheres Bild davon, wie das Immunsystem Menschen vor SARS-CoV-2 schützt. Zwei Akteure spielen dabei eine zentrale Rolle: Antikörper und T-Killerzellen. Während Antikörper direkt an Viren andocken, um diese unschädlich zu machen, erkennen T-Killerzellen virale Eiweiß-Fragmente auf infizierten Zellen. Sie stoppen die Vermehrung der Viren indem sie die befallenen Zellen abtöten.

Mutationen vs. T-Killerzellen

Mutationen an Oberflächenproteinen der Viren – die berühmten Spikes von SARS-CoV-2 – können die Antikörper-Immunantwort schwächen. Ein Team am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Medizinischen Universität Wien hat nun untersucht, ob solche Mutationen auch T-Killerzellen in ihrer Funktion beeinträchtigen.

Die Wissenschaftler/innen haben sich dafür angesehen, inwiefern mutierte Virusproteine von T-Killerzellen erkannt werden. Die entscheidenden Regionen sind dabei „T-Zell-Epitope“. Das sind Strukturen an der Außenseite von Zellen, die in der Lage sind, fremde Proteine der Abwehrmaschinerie zu präsentieren. „Viele Mutationen in SARS-CoV-2 sind nun tatsächlich in der Lage die T-Zell-Epitope so zu verändern, dass sie von den T-Killerzellen nicht mehr erkannt werden, wie wir mithilfe bioinformatischer und biochemischer Untersuchungen sowie Laborexperimenten mit Blutzellen von COVID-19-Patienten zeigen konnten“, fasst Letztautor Andreas Bergthaler von der ÖAW zusammen.

Fokus auf Spike-Protein könnte zu wenig sein

Bei einer natürlichen Infektion mit SARS-CoV-2 kann die körpereigene Immunabwehr auf alle 26 Proteine des Virus mit zahlreichen Epitopen reagieren. Mit bis zu sechs Epitopen aktivieren befallene Zellen die T-Killerzellen, wenn das Virus mittels Spike-Protein angedockt hat. Unabhängig von einer längerfristigen Immunisierung, deren Grundlage Antikörper gegen dieses Spike-Protein sind, müssen die T-Killerzellen rasch auf die Epitope reagieren. Für eine effektive Immunantwort durch T-Killerzellen braucht es also „Breitband-Infos“ über möglichst viele Proteine des Virus.

Diesen umfassenden Virusprotein-Cocktail kann eine Impfung schwer leisten. Aktuell richten sich die meisten Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 ausschließlich gegen das Spike-Protein. „Mutiert nun das Virus in einer dieser wenigen Epitop-Regionen, steigt das Risiko, dass die infizierten Zellen nicht von den T-Killerzellen erkannt werden. Vor allem für die Weiterentwicklung der Impfstoffe müssen wir daher genau im Auge behalten, wie das Virus mutiert und welche Mutationen sich global durchsetzen“, so die Letztautor/innen Johannes Hupe und Judith Aberle von der MedUni Wien. Dennoch haben Wissenschaftler/innen keinen Grund zur Annahme, dass sich SARS-CoV-2 der Immunantwort des Menschen komplett entziehen könnte. Auch gebe es aktuell kaum Hinweise, dass sich Mutationen in T-Killerzell-Epitopen verstärkt verbreiten.

Doch die Resultate derin Science Immunology publizierten Studie geben wichtige Einblicke, wie SARS-CoV-2 mit dem Immunsystem interagiert. „Darüber hinaus hilft dieses Wissen bei der Entwicklung von effektiveren Impfstoffen mit dem Potenzial, möglichst viele T-Killerzellen über eine Vielzahl von Epitopen zu aktivieren. Ziel sind dabei Impfstoffe, die neutralisierende Antikörper und T-Killerzellen-Antworten für einen möglichst breiten Schutz auslösen“, so die Studienautor/innen.

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:

„SARS-CoV-2 mutations in MHC-I restricted epitopes evade CD8+ T cell responses“, Benedikt Agerer, Maximilian Koblischke, Venugopal Gudipati et al., Science Immunology, 2021
DOI: 10.1126/sciimmunol.abg6461

Förderung:

Die Studie wurde unterstützt durch den Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF), den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), die Österreichische Akademie der Wissenschaften, den Medizinisch-Wissenschaftlichen Fonds des Bürgermeisters der Stadt Wien sowie durch das European Research Council (ERC).