24.02.2022 | Weltfrauentag

Mit Meereswind den Klimawandel bekämpfen

Die Zukunft der Windkraft liegt auf dem Meer. Davon ist die US-amerikanische Technologie-Expertin Lucy Pao überzeugt. In Zukunft sollen leistungsstärkere Turbinen auf dem Wasser der Tiefsee schwimmen. Denn dort weht nicht nur mehr Wind, es wird auch kein Land mit Windrädern verbaut. Am Weltfrauentag am 8. März war Pao für einen Vortrag an der ÖAW in Wien zu Gast.

Windfarmen sind auf dem Meer effizienter als an Land. © Nicholas Doherty/Unsplash

„Ohne Windenergie wird es nicht gehen“, sagt Lucy Pao. Damit meint die Elektrotechnikerin von der University of Colorado die Klimawende. Doch auf dem Weg dorthin sind bei der Windkraft noch einige technische Hürden zu überwinden. So braucht es etwa Turbinen mit mehr Leistung und größeren Rotorblättern, die am besten auf dem Ozean schwimmen.

Was heute bereits möglich ist und wie die Zukunft der Windkraft im Kampf gegen den Klimawandel aussehen könnte, erzählte Lucy Pao, die Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist, am Weltfrauentag am 8. März in ihrem Vortrag “Efficient Wind Energy Systems: Challenges and Opportunities to Enable a Clean Energy Future” in Wien.

Windenergie wächst

Wo stehen wir heute global beim Ausbau der Windenergie?

Lucy Pao: Wir sehen weltweit ein gesundes Wachstum. Mittlerweile können wir auch große Turbinen bauen, die effizienter betrieben werden können. Eine 100-Megawatt-Windfarm ist einfacher zu betreiben und zu steuern, wenn sie nur aus vier Turbinen besteht statt aus 25. Wir brauchen weniger Stromkabel und die Wartung ist nicht so aufwändig.

In den kommenden zehn Jahren wird die Zahl der Windfarmen in tiefem Gewässer stark ansteigen.

Das klingt vielversprechend. Wo liegen die Herausforderungen?

Pao: Wir möchten Windturbinen in Zukunft hauptsächlich im Meer platzieren, weil der Wind dort üblicherweise konstanter und stärker bläst. Der beste Wind weht aber leider dort, wo das Meer sehr tief ist. Dort müssen die Turbinen auf schwimmenden Plattformen installiert werden, weil eine Mastenkonstruktion auf dem Meeresboden nicht ökonomisch sinnvoll wäre. 

Das ist technisch schwierig zu bewältigen?

Pao: In den kommenden zehn Jahren wird die Zahl der Windfarmen in tiefem Gewässer stark ansteigen. Derzeit nutzen wir aber noch schwere und sehr teure schwimmende Plattformen nach dem Vorbild der Öl- und Gasindustrie. Die sind zwar stabil, aber wir können leichtere und weniger teure Konstruktionen bauen. Zudem brauchen wir Möglichkeiten, die Plattformen am Meeresboden zuverlässig und mit wenig Aufwand zu verankern.

Größere Turbinen notwendig

Wie sieht es mit der Größe der Turbinen aus? Passiert da noch etwas?

Pao: Wir versuchen, das Limit auszuloten. Im Kraftwerksbetrieb gibt es Turbinen, die 14 Megawatt liefern. Wenn wir Windenergie günstiger machen wollen, müssen die Windräder aber weiter wachsen. Wir glauben, dass wir Turbinen mit einer Leistung von 50 Megawatt bauen können, aber wo die Grenze exakt liegt, ist noch nicht klar.

Es gibt also noch keine 50-Megawatt-Turbinen?

Pao: Nicht im Kraftwerksbetrieb. Aber wir haben Modelle erstellt, die Rotorblattlängen von über 200 Meter vorsehen. Die größten heute kommerziell verfügbaren Blattlängen liegen bei etwas über 100 Meter. Der nächste Sprung ist möglich, weil es entsprechende Fortschritte in der Materialwissenschaft gab. Ob das weiterhin der Fall sein wird, wissen wir nicht. Das könnte ein limitierender Faktor werden. 

Wenn wir Windenergie günstiger machen wollen, müssen die Windräder aber weiter wachsen.

Was kann man noch tun, um große Turbinen zu bauen?

Pao: Moderne Windturbinen stehen heute gegen den Wind, sodass die Kraft frontal auf die Rotorblätter wirkt. Diese müssen steif genug sein, damit sie bei starken Böen nicht den Mast touchieren. Wenn wir den Wind von hinten bekämen, könnten wir leichtere, flexiblere Rotorblätter verwenden. Solche Turbinen brauchen aber eine andere Blattgeometrie. Hier stecken wir noch in der Entwicklungsphase, aber in der Theorie funktioniert es. Wir arbeiten auch an Konzepten, die Klappen auf den Rotorblättern vorsehen, für eine einfache und effiziente Änderung der aerodynamischen Eigenschaften, wenn sich die Windverhältnisse ändern.

Wie steht es um die Netzanbindung der Windfarmen?

Pao: Das ist vor allem auf dem Meer eine Herausforderung. Derzeit verlegt jede Operation ihr eigenes Netz. Es würde aber Sinn machen, das organisiert zu planen. Optimal wäre auch, wenn es Stromspeicher vor Ort gäbe. Der Windstrom könnte dann genutzt werden, wenn Nachfragespitzen auftreten. Ich denke, dass die Speicherlösungen hier in den kommenden Jahren günstig genug werden könnten. 

Das Meer ist die Zukunft

Wie ist das Verhältnis zwischen Windfarmen an Land und im Meer?

Pao: Vier Prozent der gesamten Kapazität sind auf dem Meer installiert. In den kommenden zehn Jahren erwarten wir aber, dass der Zuwachs auf dem Meer etwa doppelt so hoch sein wird wie an Land. Viele Länder planen mit Windkraft vom offenen Meer, die Technologie wird deshalb gerade mit Hochdruck zur Reife entwickelt. Dazu kommt, dass auf dem Meer kein wertvolles Land genutzt wird und sich dort weniger Menschen an den Turbinen stören. 

Auf dem Meer wird kein wertvolles Land genutzt und die Turbinen stören weniger Menschen. 

Werden sich Tiefwasserwindfarmen durchsetzen?

Pao: Im flachen Wasser kann man heute günstiger Turbinen aufstellen. Es gibt zwar noch technische Herausforderungen bei schwimmenden Turbinen, aber die scheinen lösbar. Wir können die Turbinen prinzipiell im Hafen fix und fertig zusammenbauen und dann mit Booten an ihren Bestimmungsort ziehen. Das wäre sehr effizient. Im Moment gibt es schon einige Dutzend schwimmende Turbinen weltweit, allerdings fast ausschließlich im Forschungs- oder Demonstrationsbetrieb.

80 Prozent des Energiebedarfs durch Wind und Sonne

Warum ist es wichtig, dass hier weiter geforscht wird?

Pao: Wir brauchen Windenergie, um den Klimawandel zu bekämpfen und ich hoffe, dass wir in Zukunft in der Forschung mehr internationale Kooperation sehen. Photovoltaik und Windenergie sind unsere verlässlichsten nachhaltigen Technologien und haben das größte Wachstumspotenzial. Wir hoffen, dass Wind und Sonne etwa 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs decken werden. Die restlichen 20 Prozent kommen hoffentlich aus anderen nachhaltigen Quellen wie Geothermie oder Wasserkraft. Der Ausbau von Windenergie ist einer der direktesten und effektivsten Wege zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft. Ohne Windenergie wird es nicht gehen.

Wir brauchen Windenergie, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Wie macht eine Elektrotechnikerin Windturbinen intelligenter?

Pao:  Ich modelliere und steuere dynamische Systeme, dazu gehören auch Windturbinen und ganze Windfarmen. Wir suchen zum Beispiel Wege, um die Effekte von Verwirbelungen durch Anpassungen der Flügelstellung in Echtzeit zu minimieren. Wir wollen einen möglichst effizienten Betrieb, der gleichzeitig das Stromnetz stabil hält. Zudem müssen wir auch andere Anforderungen berücksichtigen, wie den Lärm. Die Turbinen drehen sich oft langsam, damit der Lärmpegel nicht zu hoch wird. Wenn Fledermäuse oder Vögel in der Nähe sind, verlangsamen wir die Turbinen ebenfalls, damit die Tiere sie besser erkennen und ihnen leichter ausweichen können.

Ihr Vortrag findet am Weltfrauentag statt. Haben Sie eine Botschaft für angehende Wissenschaftlerinnen?

Pao: Ich möchte alle Mädchen und jungen Frauen ermutigen, ihrer Leidenschaft zu folgen. Als Wissenschaftlerinnen können wir die Zukunft der Welt gestalten. Die Dinge kommen zwar nur langsam in Bewegung, aber Fortschritt passiert, wenn junge Wissenschaftlerinnen ihrem Herzen folgen.

 

AUF EINEN BLICK

Lucy Pao ist Professorin am Department of Electrical, Computer, and Energy Engineering der University of Colorado, Boulder. Sie studierte Elektrotechnik an der Stanford University. Forschungsaufenthalte führten sie u.a. an die Harvard University, die University of California Berkeley sowie das National Renewable Energy Laboratory. Sie ist korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Ihr Vortrag “Efficient Wind Energy Systems: Challenges and Opportunities to Enable a Clean Energy Future” fand am 8. März 2022 im Rahmen der Reihe „8tung auf Frauen“ um 17.30 Uhr statt.