05.01.2023 | Münzkunde

Joseph Eckhel - Vater der Numismatik

Der unter Maria Theresia geförderte Gelehrte Joseph Eckhel begründete die Münzkunde als Wissenschaft. Über die spätestens im 19. Jahrhundert zur Kultfigur aufgestiegene Numismatiker-Legende war allerdings lange wenig bekannt. Die ÖAW-Wissenschaftler:innen Bernhard Woytek und Daniela Williams haben das mit einer neuen Publikation geändert. Einzelne Ergebnisse ihrer Forschungen schildern sie im Interview.

Der Gelehrte Joseph Eckhel (im Bild mittig mit Buch) wurde als einer der auserwählten Vertreter der "Wissenschaft und Kunst" im Sockel des Maria-Theresien-Denkmals verewigt. © Adobe Stock

Für Münzbegeisterte ist er eine Kultfigur: Joseph Eckhel (1737-1798) gilt als „Vater der Numismatik“. Über sein Leben, seine Persönlichkeit und die Hintergründe seiner Forschungen wusste man bisher jedoch erstaunlich wenig. Diese Forschungslücke haben der Altertumswissenschaftler Bernhard Woytek und die Numismatikerin Daniela Williams vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun mit ihrem neuen Sammelband „Ars critica numaria“ geschlossen.

Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, wer die Zeitgenossen sind, die am Sockel des Maria-Theresien-Denkmals, das zwischen dem Naturhistorischen und dem Kunsthistorischen Museum in Wien steht, zu sehen sind? Die Bereiche Wissenschaft und Kunst werden unter anderem repräsentiert durch den Arzt Gerard van Swieten, die Komponisten Christoph Willibald Gluck, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Alles bekannte Namen. Aber, wer ist der ebenfalls in dem Denkmal verewigte Joseph Eckhel?

Kultfigur der Numismatik

1737 in Enzesfeld, Niederösterreich, geboren, ist Eckhel eine Kultfigur der antiken Numismatik. Er gilt als Begründer der Münzkunde als Wissenschaft, in seinem achtbändigen Hauptwerk „Doctrina numorum veterum“ präsentierte er sein neues Ordnungssystem für griechische und römische Münzen. Eckhel erhielt seine Schulausbildung von den Jesuiten, schloss sich dem Orden an, und dort wurde auch sein Interesse an der Münzkunde geweckt, auf die er sich schließlich spezialisierte. Seine Forschungen führten ihn später auf eine Italienreise nach Bologna, Rom und Florenz. Als er 1774 nach Wien zurückkehrte, war sein Orden aufgelöst worden. Der Priester suchte einen neuen Job – und wurde Kurator der antiken Münzen im kaiserlichen Münzkabinett von Regentin Maria Theresia. Heute befinden sich diese numismatischen Schätze im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums.

Obwohl Eckhel seit dem 19. Jahrhundert als „Vater der Numismatik“ gefeiert wurde, fand bisher nie eine kritische Auseinandersetzung mit Leben und Werk dieses bedeutenden Wissenschaftlers statt. Das haben Bernhard Woytek und Daniela Williams nun geändert. Im Interview schildern sie Erkenntnisse über das und Anekdoten aus dem Leben von Joseph Eckhel.

Warum weiß man so wenig über das Leben von Joseph Eckhel?

Von Zeitgenossen wird er als liebenswürdig, witzig und geistreich beschrieben."

Bernhard Woytek: Eckhel wird als Gründervater der antiken Numismatik verehrt, schon seine Zeitgenoss:innen haben ihn sehr geschätzt. Im 19. Jahrhundert setzte ein regelrechter Eckhel-Kult ein. Man hat seine Werke intensiv gelesen, aber aus Gründen, die für uns schwer zu verstehen sind, hat es nie eine kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit und seinem Wirken gegeben. Das war eine Forschungslücke, in die wir gestoßen sind. Wir haben eine neue Quelle erschlossen, indem wir uns seine wissenschaftliche Korrespondenz angesehen und diese transkribiert und kommentiert haben.

Daniela Williams: Von Zeitgenoss:innen wird er als liebenswürdig, witzig und geistreich beschrieben. Es sind keine privaten Briefe aus Eckhels Korrespondenz erhalten, aber selbst jene an befreundete Wissenschaftler erlauben uns gelegentlich einen Blick auf seine Persönlichkeit.

Woytek: Aus ihnen geht hervor, dass er ein Mann voll Esprit und Wortwitz gewesen sein muss ­­– abgesehen von seiner enormen humanistischen Bildung. Er war beliebt bei vielen Kolleg:innen und Freund:innen. Aber er war natürlich auch ein absolutes Arbeitstier.

Numismatische Todsünden

Gibt es konkrete Beispiele für seine Scharfzüngigkeit?

Williams: Eine Münzsammlerin aus Deutschland, Gräfin Bentinck, schickte einen Brief an den Münzkenner in Wien. Er stellte aufgrund ihrer Beschreibungen fest, dass viele ihrer Münzen Fälschungen sein mussten. Und spielte im Antwortschreiben ironisch mit seiner Rolle als Priester: die Gräfin habe ihm numismatische Todsünden gebeichtet, und er als ihr Beichtvater müsse noch überlegen, ob sie mit einer leichten Buße davonkommen werde.

Woytek: Eckhel war ein kritischer Geist, in jeder Hinsicht. Die meisten Bücher hat er auf Latein verfasst, eine Ausnahme ist ein kleines Einführungswerk auf Deutsch, ein Lehrbuch für Studierende an der Universität Wien, wo er Numismatik unterrichtet hat. Da spöttelt er etwa über die byzantinischen Kaiser, dass sie sich theologischen  Grübeleien hingegeben und einander im  Eifer des Herrn gegenseitig die Augen ausgestochen haben. Das sind Töne, wie man sie von einem Priester nicht erwarten würde. Eckhel war keineswegs ein verknöcherter, strikt religiöser Gelehrter. Er hatte eine kritische Distanz zu vielen Dingen, ganz im Sinne des Zeitalters der Aufklärung, auch als „Zeitalter der Kritik“ bekannt.

Wissenschaftlicher Weltruhm

Was war seine Aufgabe im kaiserlichen Münzkabinett?

Das Wiener Münzkabinett war ein Ort für Gastforscher:innen (...). Aber auch für Reisende, die in Europa unterwegs waren, wie Adelige oder Münzliebhaber:innen."

Woytek: Die Münzsammlung der Habsburger war im 18. Jahrhundert eine der wichtigsten auf der ganzen Welt. Eckhel hat binnen weniger Jahre sämtliche antike Münzen nach einem neuen System geordnet, das er zum Teil selbst entwickelt hat. Und er hat diese neue Ordnung zuerst in einem großen zweibändigen Katalog dargelegt, der 1779 publiziert wurde – nur fünf Jahre nachdem er seinen Dienst im Münzkabinett angetreten hatte. Das war sein wichtigster Schritt zu wissenschaftlichem Weltruhm.

Williams: Er hat aber auch Forscher:innen und andere Besucher:innen in der Sammlung empfangen. Das Wiener Münzkabinett war durchaus ein Ort für Gastforscher:innen, wie wir das heute nennen würden. Aber auch für Reisende, die in Europa unterwegs waren, wie Adelige oder Münzliebhaber:innen. Eckhel gab regelmäßig Führungen und er hat viele Forschende geprägt. Die Idee, dass er allein im sprichwörtlichen Elfenbeinturm der Wissenschaft saß und Münzen neu ordnete, stimmt einfach nicht.

Woytek: Unser Ansatz war, Eckhel zu kontextualisieren und in der europäischen Republik der gelehrten Numismatiker präzise zu verorten. Bisher wurde er zu oft als isolierte Erscheinung wahrgenommen. Wir wollen zeigen, welche Einflüsse er ausgeübt hat, aber vor allem auch, welche Einflüsse auf ihn gewirkt haben.

 

Auf einen Blick

Im Sammelband „Ars critica numaria“, herausgegeben von Bernhard Woytek und Daniela Williams, beleuchten internationale Expert:innen unterschiedliche Aspekten von Eckhels Biographie und seinen Werken. Die 2022 erschienene Arbeit ist im Verlag der ÖAW erhältlich und steht auch als E-Book zum Gratis-Download bereit.

"Ars critica numaria" im Verlag der ÖAW