18.11.2022 | Krebsforschung

Brustkrebszellen gezielt schwächen

Brustkrebszellen sind – ebenso wie gesunde Zellen – bei ihrer Vermehrung auf DNA-Reparaturmechanismen angewiesen. Forscherinnen der ÖAW haben nun jenen Reparaturmechanismus, bei dem das Gen POLΘ und das entsprechende Enzym DNA-Poymerase theta die Hauptrollen spielen, unter die Lupe genommen. In ihrer in Cell Reports publizierten Studie zeigen sie, dass Zellen des erblichen Brustkrebs von POLΘ letal abhängig sind, und dass das Inhibieren des Gens ein spezifischer Therapieansatz ist.

Sara Bernardo © Dominik Kirchhofer, Joanna I. Loizou und Anna Schrempf © Klaus Pichler, Laura Alvarez/CeMM

Personen, die an erblichem Brust- oder Eierstockkrebs erkranken, weisen oft eine charakteristische Mutation im Breast Cancer Gene 1 bzw. 2 (BRCA1/BRCA2) auf. Damit verlieren die Zellen, in denen die mutierten Gene aktiv sind, die für körpereigene Reparaturmechanismen wichtigen Proteine, was schließlich unkontrollierte Teilungen und somit die Entwicklung von Krebsgewebe begünstigt. Doch auch Tumoren sind bei ihrem Wachstum auf DNA-Reparaturmechanismen angewiesen.

Einen dieser Mechanismen haben Forscher:innen am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zusammen mit Joanna Loizou, vormals Forschungsgruppenleiterin am CeMM sowie Associate Professor am Comprehensive Cancer Center der Medizinischen Universität Wien, genauer untersucht. In der im Journal Cell Reports publizierten Studie haben Anna Schrempf und Sara Bernardo und ihre Kolleg:innen eine neue Funktion des Enzyms DNA-Poymerase theta, das vom Gen POLΘ codiert wird, beschrieben.

Synthetische Letalität als Therapiekonzept

Bekannt war bereits, dass die DNA-Polymerase theta eine Schlüsselrolle bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen innehat. In der aktuellen Studie haben die Forscher:innen gezeigt, dass die DNA-Polymerase theta auch beim DNA-Einzelstrangbruch, der häufig bei BRCA1-mutierten Zellen auftritt, aktiviert wird – und dadurch die Krebszelle schützt. Der Zusammenhang zwischen BRCA1-Mutation und der Aktivierung ist so groß, dass im Gegenzug eine medikamentöse Hemmung des Gens POLΘ zum Absterben der Krebszelle führt.

Wir hemmen dabei jene Gene, von denen ein mutiertes BRCA1 abhängig ist. Derartige Therapiekonzepte haben im Allgemeinen viele Vorteile gegenüber traditioneller Chemotherapie.

In der molekularen Medizin wird ein Zusammenhang wie dieser als "synthetische Letalität" bezeichnet und wird in bestimmten Fällen bereits als Therapiekonzept genützt, wie Joanna Loizou erläutert: "Die Synthetische Letalität als Therapiekonzept zur Behandlung von Brust- und Eierstockkrebs erlaubt es, spezifisch die Teilung von Krebszellen zu unterbinden, während gesunde Zellen davon nicht betroffen sind. Wir hemmen dabei jene Gene, von denen ein mutiertes BRCA1 abhängig ist. Derartige Therapiekonzepte haben im Allgemeinen viele Vorteile gegenüber traditioneller Chemotherapie."

Mit der Inhibierung des Gens POLΘ und dem dadurch erreichten Fehlen der DNA-Polymerase theta gibt es nun in Krebszellen des erblichen Brustkrebses einen weiteren Angriffspunkt zum Ausnützen der synthetischen Letalität: Ein bereits seit Längerem bekannter ist "PARP". Er ist ähnlich wie POLΘ letal mit BRCA1 verknüpft. Da sich dabei aber im Rahmen der Therapie Resistenzen entwickeln, ist es umso wichtiger, die Prozesse der DNA-Reparaturmechanismen genau zu verstehen und zusätzliche, potenzielle Therapiepfade zu identifizieren, so Loizou.

 

AUF EINEN BLICK

Publikation:
Anna Schrempf, Sara Bernardo, Joanna I. Loizou et al.: "POLΘ processes ssDNA gaps and promotes replication fork progression in BRCA1-deficient cells": Cell Reports, 17.11.2022, DOI: 10.1016/j.celrep.2022.111716