Mithilfe des Very Large Telescopes der Europäischen Südsternwarte wurden nahezu 1000 massereiche Sterne in 30 Doradus, einem gigantischen Entstehungsgebiet von Sternen, beobachtet. Das Team hat etwa 250 Sterne mit der 15- bis 200-fachen Masse der Sonne im Detail analysiert und die Verteilung der Geburtsmassen der Sterne, die sogenannte ursprüngliche Massenfunktion (IMF; engl. „initial mass function“), bestimmt. „Wir waren überrascht, dass die IMF bis 200 Sonnenmassen äußerst dicht bevölkert ist“, sagt Co-Autor Luca Fossati vom IWF. Bis vor kurzem war die Existenz von Sternen mit der 200-fachen Masse der Sonne noch sehr umstritten. Die aktuelle Studie legt nahe, dass die maximale Geburtsmasse von Sternen vermutlich im Bereich zwischen 200 und 300 Sonnenmassen liegt.
In allen bisher untersuchten Regionen des Universums sind Sterne umso seltener, je massereicher sie sind. Weniger als 1% aller Sterne haben mehr als 10 Sonnenmassen. Da massereiche Sterne so rar sind, ist es äußerst kompliziert, deren IMF zu bestimmen. Nur wenige Gebiete im lokalen Universum sind für eine derartige Untersuchung geeignet. Deshalb wurde mit 30 Doradus das größte Sternentstehungsgebiet anvisiert, das 180.000 Lichtjahre entfernt ist und einige der massereichsten Sterne beherbergt. Die Massen der Sterne wurden mit völlig neuartigen beobachtenden, theoretischen und statistischen Methoden bestimmt. So konnte die IMF massereicher Sterne mit bisher unerreichter Genauigkeit ermittelt und gezeigt werden, dass in 30 Doradus deutlich mehr Schwergewichte anzutreffen sind als erwartet.
Sterne sind kosmische Motoren, die nahezu alle chemischen Elemente produziert haben, die schwerer als Helium sind. „Um die Rolle massereicher Sterne im Universum quantitativ zu verstehen, müssen wir wissen, wie viele dieser Giganten im Universum geboren werden“, erläutert Fossati. „Unsere Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für das Verständnis unseres Kosmos. Die Entstehungsrate von schwarzen Löchern ist beispielsweise um 180% erhöht und somit auch die zu erwartende Häufigkeit der Verschmelzung von Doppelsternen, die vor kurzem durch Gravitationswellendetektoren nachgewiesen wurden“, so Fossati. Die Resultate werfen neue Fragen auf, denen die Wissenschaftler in der Zukunft nachgehen wollen: Wie universal sind die Ergebnisse und welchen Einfluss haben sie auf die Evolution unseres Universums?