Bereits am 15. März 1938 enthob das Reichsjustizministerium alle Richter und Staatsanwälte, die gemäß der „Nürnberger Gesetze“ als „Voll- und Halbjuden“ galten, ihres Amtes. Ab 31. März 1938 verbot die „Verordnung über die Angelegenheiten der Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare und Patentanwälte in Österreich“ jüdischen AnwältInnen jede weitere Berufsausübung. Am selben Tag wurden sämtliche noch im Justizdienst tätigen Jüdinnen und Juden in den Ruhestand versetzt. Waren am 13. März 2.541 Rechtsanwälte in der Kammer angemeldet, so sank diese Zahl bis Dezember 1938 auf 771. Ausgeschlossen wurden jedoch nicht nur Juden sondern auch Rechtsanwälte dem austrofaschistischen Regime nahestanden.


In Währing hatten elf jüdische Anwälte ihre Kanzlei. 73 weitere wohnten vor dem „Anschluss“ hier, hatten aber ihre Kanzlei in einem anderen Bezirk. Der prominenteste in Währing wohnende Rechtsanwalt war der ehemalige Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Siegfried Kantor (1881-1957), der in Wien 18., in der Geyergasse 8 im eleganten Pötzleinsdorf wohnte. Siegfried Kantor (1881-1957) lebte zusammen mit seiner Frau Irma, geb. Gelbkopf (1897-1966) und den beiden Kindern Alice und Guido in einer Villa in der Geyergasse 8. Hier befand sich auch seine wertvolle Gemälde- und Grafiksammlung. Von 1932 bis zum Ausschluss durch die Gesetzgebung des Austrofaschismus im Jahr 1934 war Kantor Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer.



Kantor führte im 1. Bezirk, Gonzagagasse 23, eine Kanzlei zusammen mit Desider Friedmann (1880-1944 Auschwitz), dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde. Als prominente Mitglieder der jüdischen Gemeinde wurden Kantor und Friedmann kurz nach dem „Anschluss“ verhaftet. Kantor wurde nach drei Monaten unter der Bedingung entlassen, Österreich binnen zwei Wochen zu verlassen. Da die Kantors so rasch aus Wien flüchten mussten, wussten sie nicht, wann und wie sie ihr Wunschziel New York erreichen würden. Daher stellten sie ihren Hausrat und die Kunstsammlung bei einer Spedition unter, bevor sie im August 1938 nach Brünn (Brno) flohen, woher das Ehepaar Kantor stammte. Im September 1939 setzten sie ihre Flucht nach Frankreich fort. Nach der Besetzung Frankreichs flohen sie abermals und kamen schließlich 1941 über Kuba nach New York. Inzwischen hatte die Gestapo das in Wien deponierte Übersiedlungsgut beschlagnahmt und weiterverkauft. In den 1970er Jahren erhoben Alice und Gideon Kantor, die Kinder von Siegfried Kantor, Anspruch aus die Klimt-Zeichnung „Dame mit Hut und Boa“, die sich im Besitz der Albertina befand. Sie mussten sich mit einem Vergleich zufriedengeben und spendeten den erhaltenen Betrag der Israelitischen Gemeinde Wien zugunsten von Holocaustüberlebenden. Erst nach Erlass der Kunstrückgabegesetzes 1998 wurde das Gemälde 1999 restituiert.

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