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In der Ersten Tschechoslowakischen Republik von 1918 bis 1938 wurden die Nationalitäten in Volkszählungen ermittelt. Die Ergebnisse boten die Möglichkeit und Voraussetzung zur nationalen Selbstbestimmung innerhalb der Grenzen des Staates, schlossen aber auch einen gewissen Zwang zum nationalen Bekenntnis ein.

Was die Frage nach Nationalität und Sprache nicht berücksichtigte, waren die gemischten Ehen und Familien, die – wenn man in den Familien zwei Generationen zurückging – in Städten und zweisprachigen Regionen eher die Regel als die Ausnahme darstellten. Sie wurden zum Entweder-Oder gezwungen, obwohl die gemischten Familien das beste Zeugnis für das lebendige Miteinander der Sprach- und Volksgruppen waren.

Bis 1938 hatte die nationale Selbstpositionierung gerade so viel Bewandtnis, wie der Einzelne ihr verleihen wollte. Im öffentlichen Leben schien nicht notwendigerweise auf, ob sich jemand als Tscheche, Deutscher, Slowake, Magyar, Ukrainer, Pole oder – ebenfalls als Nationalität abgefragt – Jude definierte. Die nationale Zugehörigkeit wurde erst durch individuelles Engagement in national geprägten Organisationen sichtbar.

Ab 1938/39 entschied die „Volkszugehörigkeit“ plötzlich über die Existenz jedes Einzelnen. Für viele war es nach wie vor eine Selbstverständlichkeit, wohin sie „gehörten“. Für andere wurden die Entscheidung und der Bekenntniszwang zum Dilemma. Für rassistisch verfolgte Gruppen, also für Juden und Roma, wurde die oktroyierte Zugehörigkeit zum Todesurteil.

Aufgrund eines Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik bestand für einen Teil der Bewohner der Grenzgebiete und des später errichteten Protektorats Böhmen und Mähren eine Optionsmöglichkeit hinsichtlich ihrer Staatsangehörigkeit je nach „Volkszugehörigkeit“, zu der sie sich bekannten. Relevant war das vor allem für zweisprachige Personen und Mitglieder tschechisch-deutsch gemischter Familien, mithin für einen beträchtlichen Anteil der tschechoslowakischen Bevölkerung, die mit dieser Entscheidung auch politische und pragmatische Wahlmöglichkeiten besaß. Die Konsequenzen der Option waren damals jedoch kaum absehbar.