GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Wolfgang Pauli, kMI 1935, kMA 1945


geb. am 11. September 1869 in Prag, gest. am 4. November 1955 in Zürich

Wolfgang Pauli (sen.) wurde 1935 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt und von der Akademie ausgeschlossen. Der Physiologe emigrierte 1938 in die Schweiz. 1945 wurde seine Akademiemitgliedschaft reaktiviert.

Pauli wurde als Sohn des Buchhändlers Wolf Pascheles (1839–1897) und seiner Frau Helene (1842–1927) in Prag geboren. Im Jahr 1887 nahm er an der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag das Studium der Medizin auf und promovierte im Jahr 1893. Während seines Studiums arbeitete er am physiologischen sowie am pharmakologischen Institut der Universität. Von 1893 bis 1898 war er an der k.k. Krankenanstalt Rudolfstiftung als Abteilungsassistent tätig. Im Jahr 1899 habilitierte er sich mit seiner Arbeit „Untersuchungen über den Quellungsvorgang“ im Fach der Inneren Medizin an der Universität Wien und wurde Assistent an der Polyklinik. 1907 wurde ihm der Titel des ao. Professors verliehen, 1913 wurde er zum ao. Professor ernannt. 1907 übernahm Pauli die Leitung der Abteilung für physikalische Chemie an der von Hans Przibram, Leopold von Portheim und Wilhelm Figdor (1866–1938) 1902 begründeten Biologischen Versuchsanstalt (BVA) in Wien. 1914 kündigte er die Leitungsfunktion; damit wurde die Abteilung geschlossen. Pauli wechselte im selben Jahr als ao. Professor an die Universität Wien, wo er das Institut für medizinische Kolloidchemie aufbaute und leitete. 1922 wurde er zum o. Professor für biologisch-physikalische Chemie der Universität Wien ernannt. Pauli war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte, der Morphologisch-Physiologischen Gesellschaft sowie der Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie in Wien. Im Jahr 1934 wurde er – mit 65 Jahren – in den Ruhestand versetzt. Die Akademie der Wissenschaften in Wien wählte den Mediziner und Chemiker im folgenden Jahr zum korrespondierenden Mitglied.

Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Pauli nach dem „Anschluss“ jede Lehrtätigkeit untersagt. Er emigrierte im Jahr 1938 in die Schweiz, wo er am Chemischen Institut der Universität Zürich als unbezahlter Mitarbeiter tätig wurde. Wolfgang Pauli, Vater des Physikers und späteren Nobelpreisträgers Wolfgang Ernst Pauli (1900–1958), verstarb im Jahr 1955 in Zürich.

Seine Mitgliedschaft an der Akademie der Wissenschaften wurde 1938 in eine korrespondierende Mitgliedschaft im Ausland umgewandelt. In der Gesamtsitzung der Akademie der Wissenschaften in Wien vom 27. Jänner 1939 wurde der im Dezember des Vorjahres vom Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, Abteilung IV, ergangene Erlass, „nach welchem Juden von den deutschen Hochschulen und wissenschaftlichen Anstalten auszuschließen sind“, referiert. Unmittelbar darauf erging an Wolfgang Pauli und Richard Willstätter die Mitteilung, dass aufgrund der Erlässe des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) bzw. des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, Abteilung IV „ihre Mitgliedschaft als erloschen gelten muss“. Nachdem die Akademie der Wissenschaften in Wien in ihrer ersten Sitzung nach Kriegsende am 18. Mai 1945 die „Rückberufung der wirklichen und korrespondierenden Mitglieder, die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 ausgetreten sind“, beschlossen hatte, kehrte Pauli als korrespondierendes Mitglied im Ausland (kMA) in die Akademie zurück.


Schriften (Auswahl)


  • Wolfgang Pauli, Eiweißkörper und Kolloide, Wien 1926.
  • Ders., Elektrochemie der Kolloide, Wien 1929.
  • Ders., Kolloidchemie der Eiweisskörper, Dresden 1933.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 24. Februar 1939 (A993).
    • Archiv der ÖAW, Protokoll der Gesamtsitzung am 18. Mai 1945 (A994).
    • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York unter der Gesamtleitung von Werner Röder und Herbert A. Strauss, Bd. 2: The Arts, Sciences, and Literature, München [u.a.] 1983, 891.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Judith Merinsky, Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1938. Biographien entlassener Professoren und Dozenten, Dissertation, Universität Wien 1980, 187–188.
    • W. Schwarzacher, k.M. Wolfgang Pauli, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1950, 100. Jg., Wien 1951, 458–460.
    • Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015, 186.
    • Sonja Walch, Sexualhormone in der Laborpraxis: Eugen Steinachs Experimente und seine Kooperation mit Schering (1910–1938), Dissertation, Universität Wien 2011, 53–56.


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