GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Helene Jacobi


geb. am 7. Dezember 1878 in Wien, gest. am 26. Mai 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinec bei Minsk (Belarus)

Helene Jacobi war an der Biologischen Versuchsanstalt (BVA) der Akademie der Wissenschaften in Wien tätig. Nach dem „Anschluss“ wurde Jacobi aus rassistischen Gründen verfolgt. Sie wurde im Vernichtungslager Maly Trostinec ermordet.

Jacobi besuchte die Lehrerbildungsanstalt und erlangte die Lehrbefugnis sowohl an Volks- als auch an Bürgerschulen. An der Universität Wien studierte sie naturwissenschaftliche Fächer und erhielt damit im Jahr 1927 auch die Lehrbefähigung für Mittelschulen.

Die Biologin war laut einem Schreiben von Leopold Portheim vom 10. Mai 1923 von 1909 bis 1919 und wieder seit 1922 an der Biologischen Versuchsanstalt tätig. In den im Almanach der Akademie der Wissenschaften in Wien veröffentlichten „Listen der Arbeitenden“ wurde sie von 1916 bis 1923 und von 1927 bis 1933 als tätig in der Botanischen Abteilung (Leitung: Leopold Portheim) der BVA angeführt.

Wenige Tage nach dem „Anschluss“, am 18. März 1938, erhielt Helene Jacobi vom Direktor des Erzherzog-Karl-Bundesrealgymnasiums in Wien-Floridsdorf die Mitteilung: „Aufgrund einer im kurzen Wege vom Stadtschulrat für Wien ergangenen Weisung werden Sie mit dem heutigen Tage ihres Dienstes enthoben.“ In einem Schreiben von 14. August 1938 informierte sie die Israelitische Kultusgemeinde über ihre langjährige Berufserfahrung als Lehrerin in verschiedenen Schultypen. Aus diesem Grund und wegen ihres Alters – sie war zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt – käme für sie nur eine Leiterstelle in Betracht. Helene Jacobi war in der Folge aber nur als Lehrerin für Kinder tätig, die ihre Stammschulen verlassen mussten und in jüdischen Klassen bzw. Schulen zusammengefasst wurden. Zunächst war sie an der jüdischen Volksschule auf der Freyung angestellt, wie aus ihrem Ansuchen vom Dezember 1940 um Wiederverwendung in der – nach Schließung der Schulen auf der Freyung und in der Albertgasse – nunmehr einzigen jüdischen Volks- und Hauptschule Kleine Sperlgasse zu entnehmen ist. Helene Jacobi merkte in diesem Schreiben an, dass sie auch für ihre 64-jährige Schwester und ihren 73-jährigen Bruder zu sorgen habe. Sie benötige daher eine zusätzliche Einkommensquelle neben ihrer Pension von 179 RM.

An der Schule in der Kleinen Sperlgasse waren auch Henriette Burchardt und Leonore Brecher als Lehrerinnen beschäftigt, zwei weitere ehemalige Mitarbeiterinnen der BVA. Vom Dezember 1940 bis zur Schließung der Schule 1941 unterrichteten 21 jüdische Lehrerinnen und 11 Lehrer. Von ihnen überlebte nur ein Pädagoge, der durch seine nichtjüdische Ehefrau geschützt war.

Helene Jacobi wurde am 20. Mai 1942 in das Vernichtungslager Maly Trostinec deportiert und dort am 26. Mai 1942, dem Tag ihrer Ankunft, ermordet.


Schriften (Auswahl)


  • Helene Jacobi, Wachstumsreaktion von Keimlingen, hervorgerufen durch monochromatisches Licht, I. Rot, in: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse. Abt. 1, Bd. 123, Wien 1914, 617.
  • Dies., Beeinflussung des Wachstums morphologisch ungleichwertiger Pflanzenteile durch verschiedene Reize, in: Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse, Bd. 62–63, Wien 1925–1926, 158.
  • Dies., Beeinflussung des Wachstums morphologisch ungleichwertiger Pflanzenteile durch verschiedene Reize, in: Österreichische Botanische Zeitschrift 75, 1–3 (1926), 29–42.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv des Emergency Committee in Aid of Displaced Foreign Scholars records. Manuscripts and Archives Division. The New York Public Library. Astor, Lenox, and Tilden Foundations (File of Jacobi, Helene).
    • Markus Brosch, Jüdische Kinder und LehrerInnen zwischen Hoffnung, Ausgrenzung und Deportation. VS/HS Kleine Sperlgasse 2a, 1938–1941, Diplomarbeit, Universität Wien 2012, 84.
    • Dieter Hecht, Eleonore Lappin-Eppel, Michael Raggam-Blesch, Topographie der Shoa. Gedächtnisorte des zerstörten jüdischen Wien, Wien 2015, 104–105.
    • Maria Rentetzi, Trafficking Materials and Gendered Experimental Practices. Radium Research in Early 20th Century Vienna, New York 2008, 117, 119–121, 123–125.
    • Akademie der Wissenschaften in Wien, Almanach f. d. J. 1917–1938.
    • Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015, 27, 233.


    Datenbanken (Auswahl)


    Person suchen