GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Alfred Francis Přibram, kMI 1919


geb. am 1. September 1859 in London, gest. am 7. Mai 1942 in London

Alfred Francis Přibram wurde 1919 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt. Im Dezember 1938 erklärte Přibram seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Der Historiker konnte im Jahr 1939 nach Großbritannien emigrieren.

Přibram wurde als Sohn des Kaufmannes Heinrich Přibram (gest. 1889) und seiner Frau Sophie (gest. 1905), geb. Wehle, in London geboren. Im Jahr 1878 nahm er die Studien der Geschichte und Philosophie an der Universität Wien auf und promovierte 1882 im Fach Geschichte. In den Jahren 1881 bis 1883 absolvierte Přibram den Ausbildungskurs am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (IFÖG). 1887 habilitierte er sich für allgemeine neuere Geschichte an der Universität Wien. 1894 wurde er ao. Professor. Im Jahr 1900 wurde dem Historiker der Titel eines o. Professors an der Universität Wien verliehen. 1897 nahm Přibram an der Gründungsversammlung der „Provisorischen Commission für die Herausgabe von Acten und Correspondenzen zur neueren Geschichte Österreichs“ teil. Im Jahr 1913 wurde er zum o. Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Wien bestellt. Zwischen 1921 und 1924 unternahm Přibram Vortragsreisen nach England (unter anderem nach Oxford 1922 und 1929) und übte Gastprofessuren an der Stanford University (1926) und (1927/28) an der Harvard University aus.

In seiner Forschungsarbeit beschäftigte sich der Historiker insbesondere mit der Zeit Leopold I. sowie mit der Geschichte des Ersten Weltkrieges. Dabei brachte Přibram Dokumentensammlungen zur jüngeren österreichischen Geschichte aus dem Österreichischen Staatsarchiv zur Herausgabe. Přibram war Österreich-Repräsentant der Rockefeller Foundation und zwischen 1924 bis 1928 allein für die Auswahl der österreichischen Stipendiaten zuständig. Unter anderem protegierte er Charlotte Bühler (1893–1974).  Zu seinen Freunden zählte er Sigmund Freud (1856–1939), den Juristen und Politiker Josef Redlich (1869–1936) und den Historiker Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Seit 1930 war er Mitglied der English Historical Society.

Die Akademie der Wissenschaften wählte ihn im Jahr 1919 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI).

Im Jahr 1930 emeritierte Přibram an der Universität Wien. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Přibram durch Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 22. April 1938 von der Universität Wien die Lehrberechtigung entzogen. Im Dezember 1938 erklärte Přibram seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Anfang 1939 konnte er nach Großbritannien zu seinen dort lebenden Söhnen emigrieren. In seinen letzten Lebensjahren war er an der Londoner School of Economics tätig. Alfred Francis Přibram verstarb im Jahr 1942 in London.


Schriften (Auswahl)


  • Alfred Francis Přibram, Österreich und Brandenburg, 2 Bde., Prag 1884–85.
  • Ders., Die Berichte des kaiserlichen Gesandten Franz von Lisola aus den Jahren 1655–1660, Wien 1887.
  • Ders., Franz Paul Freiherr von Lisola 1613–1674 und die Politik seiner Zeit, Leipzig 1894.
  • Ders., Österreichische Staatsverträge (=Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 3, 12), Wien 1907–1913.
  • Ders., Urkunden und Akten zur Geschichte der Juden in Wien. Erste Abteilung, Allgemeiner Teil 1526–1847 (1849) (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich 8, 1.2.), Wien 1918.
  • Ders., Die politischen Geheimverträge Österreich-Ungarns 1879–1914, Wien 1920 [= Ders., The Secret Treaties of Austria-Hungary, 2 Bde. Cambridge, MA und London 1920] 1879–1914].
  • Ders., Austrian Foreign Policy 1908–18, London 1923.
  • Ders., England and the international Policy of the European Great Powers 1871–1914. Oxford 1931.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York unter der Gesamtleitung von Werner Röder und Herbert A. Strauss, Bd. 2: The Arts, Sciences, and Literature, München [u.a.] 1983, 927.
    • Otto Brunner, k.M. Alfred Francis Pribram, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1949, 99. Jg., Wien 1950, 240–247.
    • Christian Fleck, Transatlantische Bereicherungen. Zur Erfindung der empirischen Sozialforschung (stw 1823), Frankfurt am Main 2007, 73, 74, 79, 101, 108, 147, 155, 167–175, 178, 179.
    • Gernot Heiss, Zwischen Wissenschaft und Ideologieproduktion. Geschichte an der Universität Wien 1848–1965, in: Karl Anton Fröschl – Gerd B. Müller – Thomas Olechowski – Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.), Reflexive Innensichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 4), Göttingen 2015, 311–324, hier: 315.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 8, Wien 1983.
    • Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015, 113, 212.
    • Christine Zouzelka, Alfred Francis Pribram (1859–1942). Leben und Werk als Historiker, Dissertation, Universität Wien 1969.


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