GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Walter Häuslmayer


geb. am 15. September 1912 in Oderberg (Schlesien, heute Bohumín, Tschechische Republik), gest. nach 1975

Walter Karl Häuslmayer forschte von 1936 bis 1938 an der Biologischen Versuchsanstalt (BVA) der Akademie der Wissenschaften in Wien. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt und konnte seine Tätigkeit an der Akademie nicht mehr fortsetzen. Er überlebte die Jahre des Nationalsozialismus in Wien.
 
Häuslmayer wurde als Sohn des Oberbahnrates Franz Häuslmayer und seiner Frau Else, geb. Natzler, in Oderberg (Schlesien, heute Bohumín, Tschechische Republik) geboren. Er maturierte 1930 an der Bundeserziehungsanstalt für Knaben (Neusprachliche Oberschule) in Wien-Hietzing. Ab 1931 studierte er Zoologie und Urgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien und promovierte am 20. Juli 1938 mit seiner Dissertation über „Die chemische Entwicklung der Schmetterlingszeichnung“. Im Rahmen seines Dissertationsprojekts arbeitete Häuslmayer von 1936 bis 1938 an einem Laborplatz der Zoologischen Abteilung der BVA unter Hans Przibram.

In der nach dem „Anschluss“ erstellten „Liste der Arbeitenden“ der BVA ist Walter Häuslmayer als „Nicht-Arier“ vermerkt. Am 13. April 1938 wurde die BVA vorübergehend geschlossen. Ab der Wiedereröffnung am 26. April war der Zutritt nur noch für die „inzwischen auf Ansuchen mit Zulassungsscheinen beteilten Arbeitenden“ möglich, so die Mitteilung in einem Schreiben des designierten Akademiepräsidenten Heinrich Srbik (1883–1981) und des kommissarischen Rektors der Universität Wien Fritz Knoll (1883–1981), der mit der „Wahrnehmung der Interessen der Landesleitung der NSDAP für die Akademie der Wissenschaften“ betraut worden war. Damit wurde jüdischen Forschenden spätestens mit 13. April 1938 der Zutritt zur BVA praktisch verweigert.

Im folgenden Juli promovierte er, allerdings nicht im Rahmen einer so genannten „Nichtarierpromotion“. Seine Lebensumstände während der Zeit des Nationalsozialismus sind weitgehend unbekannt. Ab September 1938 wohnte er in der Wohlmutstraße 26 in Wien-Leopoldstadt. Ab Mai 1939 war Häuslmayer wissenschaftlicher Mitarbeiter verschiedener reichsdeutscher Firmen, später wurde er aus rassistischen Gründen zum Lohnverrechner und schließlich zum Hilfsarbeiter degradiert. Laut Tagblatt-Archiv (Wienbibliothek im Rathaus) war er im antifaschistischen Widerstand aktiv. Häuslmayer war von Jugend an in der Sozialdemokratie aktiv, zunächst als Mitglied im Bund Sozialistischer Mittelschüler Österreichs, später in der Akademischen Legion und als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei.

Anfang Mai 1945 trat Walter Häuslmayer der Kommunistischen Partei (KPÖ) bei. Er arbeitete als Bezirkskorrespondent der Österreichischen Volksstimme in Wien-Alsergrund und war 1946 kurzfristig Chefredakteur der KPÖ-Zeitung Salzburger Tagblatt. Laut biographischem Eintrag im Tagblatt-Archiv war Häuslmayer nach 1955 als Chemiker in Wien tätig.


Schriften (Auswahl)


  • Walter Häuslmayer, Die chemische Entwicklung der Schmetterlingszeichnung, Dissertation, Universität Wien 1938.
  • Ders., Die Verfemten haben gesiegt, in: Tagebuch (Wien) 25, 7 (20.12.1952).


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Bestand BVA.
    • Archiv der ÖAW, NL Fritz Knoll, K. 1, Mappe 2, Konv. „Akten (1935)1938“ („Liste der Arbeitenden“).
    • Archiv der Universität Wien, Phil. Fak. Nationale SS 1934–WS 1936/37, Rigorosenprotokoll 14309, Rig. Akt. 14309.
    • Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv, Häuslmayer, Walter, Chemiker, Journalist, [o.J.].
    • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Meldeauskunft, Walter Häuslmayer.
    • Zentrales Parteiarchiv der KPÖ, Walter Häuslmayer, Lebenslauf 1945.
    • Stadtarchiv Salzburg, Meldeauskunft.
    • Akademie der Wissenschaften in Wien, Almanach f. d. J. 1937.
    • Fritz Hausjell, Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus. Eine kollektiv-biographische Analyse der beruflichen und politischen Herkunft der österreichischen Tageszeitungsjournalisten am Beginn der Zweiten Republik (1945–1947) (= Europäische Hochschulschriften 40: Kommunikationswissenschaft und Publizistik 15), Frankfurt am Main–Bern–New York–Paris 1989, Teil 1, 213.
    • Waltraud Jakob, Salzburger Zeitungsgeschichte (= Salzburg-Dokumentationen 39), Salzburg 1979, 277, 321.
    • Friedrich Scheu, Ein Band der Freundschaft. Schwarzwald-Kreis und Entstehung der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler, Wien–Köln–Graz 1985.
    • Klaus Taschwer, Vertrieben, verbrannt, verkauft und vergessen, in: derStandard.at, 19.2.2013.
    • Klaus Taschwer, Vertrieben, verbrannt, verkauft, vergessen und verdrängt. Über die nachhaltige Vernichtung der Biologischen Versuchsanstalt und ihres wissenschaftlichen Personals, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 105–115, hier: 111.

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