GEDENKBUCH

für die Opfer des Nationalsozialismus
an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Fassade und Siegel der Akademie der Wissenschaften. Bild: ÖNB-Bildarchiv, Sign. L 32.608-C bzw. Siegelsammlung des Archivs der ÖAW

Berthold Hatschek, kMI 1896, wM 1932


geb. am 3. April 1854 in Kirwein (Mähren, heute Skrbeň, Tschechische Republik), gest. am 18. Jänner 1941 in Wien

Berthold Hatschek wurde 1896 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) und 1932 zum wirklichen Mitglied (wM) der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Nach dem „Anschluss“ wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt. Im Dezember 1938 erklärte der Zoologe seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Er verstarb 1941 in Wien.

Hatschek wurde als Sohn von Jakob Hatschek (gest. 1910) und seiner Frau Rosa (1827–1911), geb. Back, in Kirwein (Mähren, heute Skrbeň, Tschechische Republik) geboren. Im Jahr 1872 nahm er an der Universität Wien die Studien Medizin und Naturwissenschaften auf. Er promovierte mit seiner Dissertation „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren“ im Jahr 1877 und habilitierte sich im Fach Zoologie 1879. 1885 wurde er als Ordinarius an die Zoologische Lehrkanzel der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag berufen, auf Friedrich von Stein (1818–1885) folgend. Im Jahr 1896 wurde Berthold Hatschek zum Leiter des neu begründeten II. Zoologischen Instituts der Wiener Universität ernannt. In seinen Forschungen beschäftigte sich der Zoologe unter anderem mit vergleichender Morphologie, insbesondere vergleichender Embryologie. Für Forschungen an Meerestieren verbrachte er zahlreiche Aufenthalte an zoologischen Meeresstationen am Mittelmeer. Hatschek wurde Förderer der österreichischen Zoologischen Station in Triest. Er emeritierte im Jahr 1925. Von der Akademie der Wissenschaften in Wien wurde Berthold Hatschek im Jahr 1896 zum korrespondierenden Mitglied im Inland (kMI) und 1932 zum wirklichen Mitglied (wM) gewählt.

Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Berthold Hatschek durch Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 22. April 1938 seine Lehrbefugnis an der Universität Wien entzogen. Am 31. Dezember des selben Jahres erklärte er  – dem Ausschluss zuvorkommend – seinen Austritt aus der Akademie der Wissenschaften. Berthold Hatschek und seine Ehefrau, die Künstlerin Marie Rosenthal-Hatschek (geb. 1869) wurden gezwungen, ihre Wohnung in Wien-Josefstadt zu verlassen und in eine Pension in der Währingerstraße zu übersiedeln. Berthold Hatschek verstarb im Jahr 1941 im Alter von 87 Jahren, Marie Hatschek-Rosenthal wurde nach dem Tod ihres Mannes in ein unbekanntes Lager im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien deportiert und ermordet.

Hatschek war seit 1886 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle an der Saale und der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.


Schriften (Auswahl)


  • Berthold Hatschek, Lehrbuch der Zoologie. Eine morphologische Übersicht des Tierreiches zur Einführung in das Studium der Wissenschaft, Jena 1888–1891.
  • Ders., Medizin, Naturwissenschaften und Gymnasialreform, Lotos 1896.
  • Ders., Die Krisis des Darwinismus, Wien 1902.
  • Ders., Studien zur Segmenttheorie des Wirbeltierkopfes, 1. Mitteilung: Das Acromerit des Amphioxus, in: Morphologisches Jahrbuch 1–2, 35 (1906), 1–14.
  • Ders., Das neue zoologische System, Leipzig 1911.
  • Ders., Studien zur Segmenttheorie des Wirbeltierkopfes. Über die Mesodermsegmente der zwei Kopfregionen bei Petromyzon fluiatilis, in: Morphologisches Jahrbuch 61 (1929), 257–303.


Quellen und Literatur (Auswahl)


    • Archiv der ÖAW, Personalakt.
    • Rosemarie Burgstaller, Oliver Rathkolb, Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Machtübernahme 1938 auf die Mitglieder des Künstlerhauses. Vorläufige Erhebung, (Anhang Beitrag von Oliver Rathkolb: Der kulturpolitische Kontext 1930–1960: Brüche, Kontinuitäten und Transformationen), in: Peter Bogner – Richard Kurdiovsky – Johannes Stoll (Hg.), Das Wiener Künstlerhaus. Kunst und Institution, Wien 2015.
    • Herbert Matis, Ausschluss von Mitgliedern, in: Johannes Feichtinger – Herbert Matis – Stefan Sienell – Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013, 55–62.
    • Gerd B. Müller – Hans Nemeschkal, Zoologie im Hauch der Moderne. Vom Typus zum offenen System, in: Karl Anton Fröschl – Gerd B. Müller – Thomas Olechowski – Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.), Reflexive Innensichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 4), Göttingen 2015, 355–369, hier: 355, 357–365.
    • Wolfgang L. Reiter, Das Jahr 1938 und seine Folgen für die Naturwissenschaften an Österreichs Universitäten, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft (= Emigration – Exil – Kontinuität. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung 2), Münster 22004, 664–680, hier: 667.
    • Otto Storch, k.M. Berthold Hatschek, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach f. d. J. 1949, 99. Jg., Wien 1950, 284–296.
    • Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015, 121, 212, 213, 230.


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