1847

Entstehung

„Wir Ferdinand der Erste (…) haben (…) die Gründung einer Akademie der Wissenschaften in unserer Haupt- und Residenzstadt Wien beschlossen“, schrieb Kaiser Ferdinand I. am 14. Mai 1847 – und schuf damit nach den Vorbildern anderer europäischer Wissenschaftsakademien die Grundlage für eine inzwischen 175-jährige Erfolgsgeschichte.
1857

Baujuwel als Hauptquartier

Ihren heutigen Hauptsitz am Dr. Ignaz-Seipel Platz bezog die Akademie zehn Jahre später: Im geschichtsträchtigen Haus der Alten Universität Wien, die nach dem Revolutionsjahr 1848 das Gebäude verlassen musste, richteten sich die Akademie, ihre Mitglieder und ihr Personal ein. Das bereits unter Maria Theresia entstandene architektonische und kunsthistorische Juwel war von da an Zentrum aller Aktivitäten der Akademie und zugleich Standort der jährlichen Feierlichen Sitzungen der Akademie.
1859

Weltumsegelung

Schon früh war die Akademie entschlossen, nicht in engen Grenzen, sondern weltumspannend zu denken. Früher Ausdruck dieser Haltung war die Expedition des Schiffs SMS Novara, an der die Akademie federführend beteiligt war. Die SMS Novara kehrte 1859 nach einer zweijährigen Fahrt durch die Weltmeere zurück. Der wissenschaftliche Ertrag der Forschungsreise, etwa bei meereskundlichen sowie volkskundlichen Studien, wurde international wahrgenommen und schuf in vielen Bereichen Grundlagenwissen.
1903

Tradition

In den Wissenschaften spielte die Akademie bis zum Ende der Habsburgermonarchie in der höchsten internationalen Liga. Das gelang auch aufgrund mutiger Entscheidungen in der Forschung, etwa mit der Schaffung des Phonogrammarchivs im Jahr 1903, heute das älteste Tonarchiv der Welt. Anlässlich dieser Gründung gelang es sogar, die Stimme des gealterten Kaisers Franz Joseph "in den Apparat" zu bannen und der Tonsammlung hinzuzufügen - heute eine von wenigen erhaltenen Aufzeichnungen von Franz Joseph.
1921

Aufgabe

"Ihre Aufgabe ist es, die Wissenschaft in jeder Hinsicht zu fördern": Mit dieser Anordnung legte der Nationalrat im Bundesgesetz vom 14. Oktober 1921 die bis heute gültige Mission der Akademie fest. In der bis in die Gegenwart aufrechten gesetzlichen Grundlage wurde nicht nur der Arbeitsauftrag der Akademie verankert, sondern auch das Bekenntnis der damals noch jungen Republik Österreich zu ihrer "Akademie der Wissenschaften in Wien".
1933

Nobelpreise

Für die Schaffung von Grundlagen der späteren Quantenmechanik wurde Erwin Schrödinger 1933 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Auch für die Akademie, deren Mitglied Schrödinger war, stellte diese Auszeichnung eine große Ehre dar. Der Physiker reihte sich zugleich in eine lange Reihe von Nobelpreisträgern der Akademie ein, darunter Fritz Pregl (1923), Richard Zsigmondy (1925), Julius Wagner-Jauregg (1927) und wenig später unter anderem Victor Franz Hess (1936).
1938

Dunkle Jahre

Mit dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland begann auch an der Akademie eine dunkle Zeit. Zahlreiche Mitglieder sowie Mitarbeiter/innen wurden Opfer der NS-Verfolgung. 21 Mitglieder mussten die Akademie verlassen, einige davon wurden in Konzentrationslagern ermordet. Die Leitungspositionen der Akademie wurden mit Parteigängern besetzt, die im Nationalsozialismus eine wissenschaftliche Karriere gemacht hatten. ➡️www.oeaw.ac.at/gedenkbuch
1947

Wiederaufbau

Geldmangel, Reorganisation, Wiederaufbau – nach dem Zweiten Weltkrieg galt es für die Akademie zunächst, einen Weg in die Zukunft zu bahnen. 1947 wurde der Grundstein dazu in einer Novellierung eines Bundesgesetzes gelegt, in der die Akademie ihren heutigen Namen „Österreichische Akademie der Wissenschaften“ erhielt. In weiterer Folge nahm der wissenschaftliche Betrieb allmählich wieder Fahrt auf, wenngleich der Aktionsradius im geteilten Europa zunächst vielfach auf Österreich beschränkt blieb.
1950

Forschung

Von den Hohen Tauern bis zum Lunzer See: Die Schwerpunkte der neu belebten Forschungsaktivitäten der Akademie lagen zunächst vielfach in Österreich. Neben den bestehenden Instituten wurden mit neu übernommenen Einrichtungen wie dem Hochgebirgsobservatorium auf dem Hohen Sonnblick und der Biologischen Station in Lunz am See neue Forschungsfelder erschlossen.
1966

International

Vor dem Hintergrund der Rolle des neutralen Österreichs zwischen West und Ost kehrte auch die Akademie wieder auf das internationale Parkett zurück. Dies wurde etwa deutlich mit der Gründung des Instituts für Hochenergiephysik 1966, Österreichs Beteiligung am europäischen Kernforschungszentrum CERN. Auch später geschaffene Einrichtungen wie das Institut für Weltraumforschung oder das Institut für Iranistik waren Ausdruck einer erneut gestärkten internationalen Ausrichtung der Akademie.
1999

Spitze

Mit der Gründung neuer Institute in den Life Sciences, der Quantenphysik und der Mathematik schloss die Akademie weiter zur globalen Spitzenforschung auf. Einen Höhepunkt stellte die Gründung des Instituts für Molekulare Biotechnologie im Jahr 1999 dar. Zugleich etablierten sich mehrere der vielfältigen ÖAW-Kommissionen nach ihren Umwandlungen zu Instituten als international sichtbare Forschungsstätten, etwa in der Sozialanthropologie sowie insbesondere der Archäologie.
2022

Mitten in der Gesellschaft

Der Dialog mit der Öffentlichkeit ist der Akademie seit jeher ein zentrales Anliegen. Bei öffentlichen Aktivitäten, darunter großen Veranstaltungen wie der Langen Nacht der Forschung, die 2022 wieder gefeiert wird, zeigt sich, wie gut dieser Austausch in der Mitte der Gesellschaft funktioniert. Mit dem „Campus Akademie“ entsteht zudem ein neues Zentrum des Wissens im Herzen Wiens, der ab Mai 2022 öffentlich zugänglich ist – pünktlich zum 175. Gründungsjubiläum der Akademie!

Große Wissenschaftlerinnen

Frauen waren in der Geschichte der Wissenschaften und auch an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften lange unterrepräsentiert. Die erste Frau wurde im Jahr 1948 in die Reihen der Akademiemitglieder aufgenommen. Wie neue Studien zeigen, war der Einfluss von Frauen auf die historische Entwicklung der Akademie in zahlreichen Fällen von wesentlicher Bedeutung.

Nachdem Universitäten und Fakultäten ab Ende des 19. Jahrhunderts Hochschulstudien für Frauen geöffnet hatten, trugen Wissenschaftlerinnen wie Elise Richter oder Marietta Blau schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Forscherinnen an den Akademieinstituten maßgeblich zu Erfolg und Ansehen der Akademie bei, in vielen Fällen unbezahlt. Darüber hinaus nahmen Frauen auch über das Stiftungswesen Einfluss auf die Entwicklung der Akademie. So wurde unter der Ägide prominenter Frauen des öffentlichen Lebens bereits im Jahr 1871 mit dem Grillparzer-Preis der erste Literaturpreis Österreichs geschaffen, mit dessen Verwaltung Katharina Fröhlich, Lebenspartnerin und Erbin von Franz Grillparzer, die Akademie betraute.  Witwen wie Melanie von Zepharovich, Lilla Scholz oder Ernestine Figdor waren zudem an der Gründung von Akademiestiftungen beteiligt, etwa an der Victor-Ritter-von-Zepharovich-Stiftung im Jahr 1893, dem Dr.-Franz-Scholz-Legat 1906 oder der Gustav-Figdor-Stiftung 1933. Finanziell unterstützte darüber hinaus Margaret Stonborough-Wittgenstein die Akademie, als sie nach dem Ersten Weltkrieg gemeinsam mit ihrem Gatten Jerome Stonborough hohe Beträge für die Fortführung von Akademiesitzungen bereitstellte.

Einen ersten Wendepunkt auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und der Anerkennung der Leistungen von Frauen in der Akademie stellte die Wahl der Physikerin Lise Meitner zum ersten weiblichen korrespondierenden Mitglied (im Ausland) im Jahr 1948 dar. Die herausragende und international vielfach ausgezeichnete Atomphysikerin jüdischer Abstammung, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg vor dem nationalsozialistischen Terror hatte fliehen müssen, hatte mit ihren Forschungsleistungen einen maßgeblichen Beitrag zur Erforschung der Radioaktivität sowie der Kernspaltung geleistet.

Lise Meitner, Atomphysikerin

1878 - 1968

Die brillante Atomphysikerin Lise Meitner untersuchte nach ihrem Studium an der Universität Wien Fragen der Radioaktivität. 1938 im erzwungenen Exil in Schweden gelang ihr mit der theoretischen Interpretation der Kernspaltung der größte wissenschaftliche Durchbruch, für den sie später wiederholt als Kandidatin für den Physik-Nobelpreis gehandelt wurde. Die erklärte Pazifistin war in vielerlei Hinsicht eine Pionierin, so wurde sie bereits 1925 als erste Wissenschaftlerin mit dem Ignaz L. Lieben-Preis der ÖAW ausgezeichnet und 1948 zum ersten weiblichen Mitglied der Akademie gewählt. Sie verstarb im Jahr 1968 nach einer Laufbahn, die im Zeichen herausragender wissenschaftlicher Leistungen, höchster Auszeichnungen und Ehrungen stand, in Cambridge.

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Lise Meitners Wahl ebnete den Weg für die Aufnahme weiterer Wissenschaftlerinnen als Mitglieder der Akademie - wenn auch mit Verzögerung. Mit Berta Karlik, die mit Lise Meitner in engem akademischen Austausch stand, wurde im Jahr 1954 die zweite Frau und zugleich die zweite Physikerin zum korrespondierenden Mitglied der ÖAW gewählt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm Karlik zudem die zunächst provisorische, später offizielle Leitung des Instituts für Radiumforschung. Sie wurde damit zum ersten weiblichen Vorstand eines Akademieinstituts und übte diese Funktion bis 1974 höchst erfolgreich aus. Ein Jahr zuvor erfolgte schließlich Karliks Wahl zum ersten weiblichen wirklichen Mitglied der ÖAW, eine Auszeichnung, mit der mehr Möglichkeiten zu Einflussnahme und Mitsprache innerhalb der Akademie verbunden sind.

Berta Karlik, Physikerin

1904–1990

Berta Karlik galt als eine der namhaftesten Expert/innen auf dem Gebiet der Kernphysik. Insbesondere mit der Entdeckung der drei Isotopen des Elements 85 (Astat) in radioaktiven Zerfallsreihen gewann sie internationale Anerkennung sowie eine Vielzahl an Auszeichnungen. Sie schrieb als erste Leiterin eines Akademieinstituts ab 1945, als erste ordentliche Professorin an der Universität Wien ab 1956 sowie als erstes weibliches wirkliches Mitglied der ÖAW ab 1973 Geschichte. Darüber hinaus beriet sie die österreichische Bundesregierung zu Fragen der Atomenergie und vertrat die Republik dazu in der UNO. Auf diese Weise wurde sie zu einem Vorbild für nachkommende Generationen akademisch wie gesellschaftlich engagierter Wissenschaftlerinnen.

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Die mit den Physikerinnen Lise Meitner und Berta Karlik verbundene Öffnung der Akademie für Forscherinnen wurde mit einigen Jahren Verspätung auch in den geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Fächern initiiert. Im Jahr 1964, als mit der Chemikerin Erika Cremer bereits die dritte Aufnahme einer Wissenschaftlerin in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich erfolgte, wurde mit der Theaterwissenschaftlerin Margret Dietrich erstmals ein korrespondierendes Mitglied auch in den geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich gewählt. Bereits im darauffolgenden Jahr begrüßte die Akademie ein weiteres korrespondierendes Mitglied in diesen Disziplinen: die Medizinhistorikerin Erna Lesky. Sie hatte sich durch exzellente interdisziplinäre Arbeiten auf den Gebieten der Medizin, Philologie und Geschichte internationale Anerkennung erworben.

Erna Lesky, Medizinhistorikerin

1911–1986

Erna Lesky war in mehrfacher Hinsicht eine herausragende Akademikerin. Als interdisziplinär denkende Forscherin verband sie in ihren Forschungsarbeiten in idealer Weise die natur- und geisteswissenschaftlichen Richtungen in der Medizin. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland fungierte sie unter anderem als Leiterin des Mutter- und Kinderheims der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) in Igls, Tirol. Mit ihren zahlreichen Veröffentlichungen trug sie nach 1945 zur internationalen Reputation der österreichischen Medizin wesentlich bei. Darüber hinaus zeichnete sie für die erfolgreiche Reorganisation des Instituts für Geschichte der Medizin (Josephinum) verantwortlich, das sie von 1960 an leitete. Für ihre Leistungen wurde sie vielfach ausgezeichnet. 1965 ernannte die Akademie sie zum Mitglied und 1973 zum ersten weiblichen Ehrenmitglied.

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Dank Pionierinnen wie diesen konnte auch der formale Einfluss von Frauen auf die Geschicke der Akademie in den darauffolgenden Jahrzehnten nach und nach erhöht werden. So sticht als eines von insgesamt 13 neu aufgenommenen weiblichen Mitgliedern in den 1970er Jahren die 1976 zum korrespondierenden Mitglied gewählte Elisabeth Lichtenberger hervor. Ihr gelang es unter anderem mit der Gründung des Instituts für Stadt- und Regionalforschung zu verdeutlichen, welche Gestaltungsmöglichkeiten auch innerhalb der Akademie sich Wissenschaftlerinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkämpft hatten.

Elisabeth Lichtenberger, Geographin

1925-2017

Elisabeth Lichtenberger war die unbestrittene Doyenne der geographischen Forschung in Österreich. Mit kompromisslos interdisziplinärem Ansatz untersuchte sie unterschiedlichste Forschungsfelder und erlangte vor allem mit Studien zum Themenkomplex "Stadt" hohe Anerkennung. Diese spiegelte sich nicht zuletzt in zahlreichen nationalen wie internationalen Mitgliedschaften, Ehrungen und Auszeichnungen wider. 1976 zum korrespondierenden und 1987 zum wirklichen Mitglied der ÖAW ernannt, wirkte sie an der Akademie als Gründerin des Instituts für Stadt- und Regionalforschung und nahm ins hohe Lebensalter aktiv an der Weiterentwicklung der ÖAW und ihrer Forschungseinrichtungen teil.

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Wie in der gesamten Gesellschaft ist auch an der Akademie der Weg hin zu Gleichstellung und Parität zwischen den Geschlechtern noch nicht abgeschlossen. Die Fortschritte, die in den vergangenen Jahrzehnten gelangen, konnten jedoch in der jüngsten Vergangenheit noch einmal intensiviert werden. So wurden bei den jährlichen Akademiewahlen der letzten Jahre bereits mehrfach mehr Wissenschaftlerinnen als Wissenschaftler mit einer Mitgliedschaft der ÖAW ausgezeichnet. Seit mehreren Jahren liegt zudem der Anteil der mit Stipendien der ÖAW geförderten Jungwissenschaftlerinnen um oder über der 50-Prozent-Marke. Und auch unter den Leitungen der ÖAW-Institute wird der Anteil von Direktorinnen beständig höher. Zahlen wie diese zeigen, dass Frauen nicht nur in der Geschichte der Akademie eine entscheidende Rolle gespielt haben - sondern das auch in der Zukunft tun werden.

Literatur

  • Veronika DUMA, Frauenkarrieren in der Männerwelt: Möglichkeiten, Ausschlüsse und Vertreibung. Zu den ersten zehn weiblichen Mitgliedern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In: Geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Anzeiger 155. Jahrgang 2020, Heft 1+2, 63-110.

Neuerscheinungen zur Geschichte der Akademie

Die Geschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird 2022 in zwei eigens zum Jubiläumsjahr erarbeiteten Publikationen unter neuen Perspektiven und Schwerpunktsetzungen beleuchtet:

DIE ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 1847–2022

Eine neue Akademiegeschichte
Herausgegeben von Johannes Feichtinger und Brigitte Mazohl

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SAPERE AUDE. DIE ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN SEIT 1918

Berichte, Fakten, Analysen – ein Kompendium
Herbert Matis und Arnold Suppan

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