16.11.2018

Zentraler Regulator für Zellwachstum identifiziert

Wer kontrolliert RAS, einen der entscheidendsten Regulatoren des Zellwachstums? Molekularmediziner/innen der ÖAW und der MedUni Wien konnten einen neuen Mechanismus entschlüsseln, durch den RAS-Proteine, die eine zentrale Rolle in der Krebsentstehung spielen, in ihrer Aktivität und Lokalisierung reguliert werden. Das berichten die Forscher/innen nun online in „Science“.

© CeMM

Von den mehr als 23.000 Genen im menschlichen Genom sind nur einige wenige für die Herstellung von Wachstumssignalen verantwortlich. Drei dieser Gene, die für RAS-Proteine kodieren, sind besonders wichtig, da sie bei über 25 Prozent der menschlichen Krebserkrankungen mutiert sind. Die Prozesse rund um die RAS-Gene sind darüber hinaus auch für eine Vielzahl seltener genetischer Entwicklungsstörungen beim Menschen verantwortlich, den RASopathien. RAS-Proteine sind essentielle Regulatoren des Zellwachstums und der Krebsentstehung, und jeder Regulator von RAS ist von grundlegender Bedeutung für Krebs und andere Erkrankungen.

Schlüssel für seltene Erkrankungen

Wissenschaftler/innen vom CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Medizinischen Universität Wien konnten nun das sogenannte LZTR1-Gen identifizieren und in seiner Funktion analysieren, wie sie online im Fachjournal „Science“ berichten. LZTR1 ist an einer Vielzahl seltener Krankheiten sowie Krebserkrankungen beteiligt. Nun wurde seine Bedeutung in Verbindung mit RAS-Proteinen entdeckt. Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Fortschritt für die Zellbiologie, da sie einen bisher unbekannten Schlüsselregler für einen an sich sehr gut untersuchten zellulären Signalweg aufzeigen. Die neuen Erkenntnisse liefern zudem eine molekulare Erklärung für die Beteiligung von LZTR1 in vielen verschiedenen Erkrankungen. Dazu zählen beispielsweise unterschiedliche Arten von Gehirn- und Kinderkrebserkrankungen aber auch Entwicklungspathologien wie das Noonan-Syndrom.

Das Forschungsteam von Giulio Superti-Furga, wissenschaftlicher Direktor des CeMM der ÖAW, fand heraus, dass das Protein LZTR1 zusammen mit seinem Partner Cullin 3 eine kleine molekulare Markierung namens Ubiquitin an RAS-Proteine anheftet. Das wirkte sich sowohl auf die Menge als auch auf die Lokalisierung der modifizierten RAS-Proteine innerhalb der Zelle aus. Das durch Mutationen von LZTR1 gestörte Gleichgewicht ließ die Aktivität der als Wachstumsregulatoren wichtigen RAS-Proteine aus dem Ruder laufen. Anders ausgedrückt, wirkt intaktes LZTR1 als Bremse der RAS-Proteine.

Mechanismen von Krebsmedikamenten verstehen

„Die Studie ist Teil eines langfristigen Bemühens, den Mechanismus von Krebsmedikamenten zu verstehen, die in der Leukämiebehandlung und darüber hinaus Anwendung finden. Ich finde es wissenschaftlich sehr erfreulich, zur Entdeckung eines neuen, grundlegenden Aspekts der Regulation von RAS-Proteinen beigetragen zu haben, da sie zu den entscheidendsten zellulären Wachstumsregulatoren zählen“, erklärt Giulio Superti-Furga. Johannes Bigenzahn, Postdoktorand und Erstautor der Studie, fügt hinzu: „Es ist sowohl aus medizinischer als auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr spannend, einen Mechanismus zu finden, der hinter so vielen verschiedenen genetischen Erkrankungen und vielen ungewöhnlichen Krebsformen steckt. Es ist zu erwarten, dass unsere Entdeckung in Zukunft zur Entwicklung neuer Therapiestrategien für RAS-abhängige Erkrankungen führen kann."

Die Ergebnisse der Wiener Wissenschaftler/innen werden auch von Kolleg/innen an der belgischen Universität KU Leuven bestätigt. Eine dort durchgeführte Studie bekräftigt die Schlüsselrolle von LZTR1 für die Regulation des Zellwachstums und der Differenzierung.

 

Publikation:
“LZTR1 is a regulator of RAS ubiquitination and signaling”, Johannes W. Bigenzahn et. Al, Science, 2018
DOI: 10.1126/science.aap8210.

Förderung:
Die Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC), dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gefördert.

CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW