12.05.2017

„Wir stehen noch am Anfang“

Frauen sind Männern noch immer nicht gleichgestellt. Welche Bereiche das betrifft und welche Auswirkungen es hat, darüber diskutierten fünf Expert/innen an der ÖAW.

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Wenn es um eine Diskussion über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern geht, darf das angekündigte und bereits viel diskutierte Frauenvolksbegehren nicht fehlen. Sagt es doch: Es hat sich in den letzten zwanzig Jahren nichts geändert.
Noch immer verdienen Frauen in gleichen Positionen weniger als ihre männlichen Kollegen. Noch immer sind zu wenige Frauen in Führungspositionen. Noch immer haben "Familienmütter" einen großen Nachteil gegenüber "Familienvätern" die Karriereleiter nach oben zu klettern.

"Nach dem Gesetz sind wir natürlich alle gleich. Strenggenommen sind wir also gleichberechtigt", erklärte Sylwia Bukowska, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien, bei einer Podiumsdiskussion in der Reihe „Lectures on Gender & Diversity“ im Theatersaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Eine Gleichstellung ist bis heute allerdings nicht erreicht. "Gleichstellung ist das Ziel. Also dass Menschen ihr Leben so gestalten können, wie sie es für richtig und gut halten." Unabhängig von ihrem Geschlecht.

Die Voraussetzung dafür wäre schließlich die Gleichbehandlung. Das heißt, dass Frauen in der Arbeit und in der Gesellschaft gleich wie Männer behandelt werden. Vor allem aber der Punkt Familie und Arbeit sei hier noch problematisch, meinten die Diskutierenden.

Fifty-fifty im Haushalt

"Hier wäre es ein wichtiger Schritt, die Haushalts- und Familienpflichten 50:50 aufzuteilen und nicht 70:30 ", sagte die ehemalige Frauenministerin Maria Rauch-Kallat und fügt hinzu, dass dadurch auch Männer einen Vorteil hätten: Sie könnten eine bessere Beziehung zu ihren Kindern aufbauen und Organisationstalent und Multitasking-Fähigkeiten entwickeln. Das wiederum käme den Unternehmen zugute. Einige Firmen würden das aber immer noch nicht erkennen und Vaterschaftsurlaub nicht gewähren. "Manche wiederum erlauben ihren männlichen Mitarbeitern nur einmal Karenz. Das ist nicht zielführend."


Es wäre ein wichtiger Schritt, die Haushalts- und Familienpflichten 50:50 aufzuteilen und nicht 70:30.


Auch die Wissenschaft schneidet in diesem Punkt nicht gut ab und somit auch nicht beim Thema Gleichbehandlung. "Familien in der Wissenschaft haben es zunehmend schwerer und das liegt am modernen Wissenschaftsbetrieb", kritisierte die Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts der ÖAW, Sabine Ladstätter. Als kontraproduktiv nannte sie die unzähligen Abendveranstaltungen sowie die vielen Auslandsaufenthalte, die für eine wissenschaftliche Karriere heute zwingend vorausgesetzt werden. "Damit sind gewisse Lebensrealitäten von diesen Karrieren ausgeschlossen. Denn um ein Kind neben dem Beruf aufzuziehen, ist ein stabiles soziales Umfeld erforderlich. Im Ausland habe ich das nicht", ergänzt die erfolgreiche Wissenschaftlerin, die selbst spät Kinder bekommen hat. "Viele hochbegabte Frauen werden hier von wissenschaftlichen Karrieren a priori ausgeschlossen. Das gilt es zu hinterfragen", betonte Ladstätter.

Neutrale Erziehung und Bildung

Für gleiche Bedingungen im Berufs- und Privatleben zu sorgen, ist aber nur ein Aspekt am Weg zur "Gleichberechtigung". Schließlich wird der Grundstein für die Gleichstellung bereits in den Kindergärten und Schulen gelegt, darin schien sich das Podium einig. "Es wäre für mich der Idealzustand, wenn es eine absolute Blindheit gegenüber Geschlecht gäbe. Wo das Konzept nicht existiert, wie eine Frau oder wie ein Mann zu sein hat", sagte die Journalistin Sibylle Hamann.


Eine absolute Blindheit gegenüber Geschlecht wäre der Idealzustand.


Denn darunter leiden nicht nur manche Mädchen sondern auch Buben, wie der einzige Mann in der Runde, Philipp Leeb vom Verein zur Förderung gendersensibler Bubenarbeit in Unterricht und Erziehung, deutlich machte. Dennoch sieht er die Entwicklung der Gleichberichtigung „zweckoptimistisch“, wie er selbst sagt. "Man darf nicht vergessen, dass es eine historische Entwicklung ist und wir stehen hier am Anfang." Was ihn so optimistisch stimme? "Ein kleines Beispiel ist, dass längst nicht mehr nur Mädchen die Namen von Pionierinnen wie Marie Curie kennen, sondern auch Jungs wissen, welche Rolle sie gespielt haben und was sie geleistet haben. Mich stimmt das positiv.“

 

„Was ist Gleichberechtigung?“ lautete der Titel einer Diskussion im Rahmen der „Lectures on Gender & Diversity“ der ÖAW, die am 8. Mai 2017 stattfand. Zu Gast am Podium waren: Sylwia Bukowska, Sibylle Hamann, Sabine Ladstätter, Philipp Leeb, sowie Maria Rauch-Kallat.

Lectures on Gender & Diversity