21.02.2017

Wie Medien mit „Hate Speech“ umgehen

Hetze und Diskriminierung provozieren und sorgen für Aufmerksamkeit. Für die ÖAW-Kommunikationswissenschaftlerin Liriam Sponholz bekommen sie in der Öffentlichkeit zu viel Raum. Die Forscherin untersucht, was klassische und soziale Medien anders machen könnten.

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„Was machst Du gerade?“ fragt Facebook seine fast zwei Milliarden Nutzer/innen weltweit, wenn sie in dem Social Media-Netzwerk online gehen. Die Antwort sind nicht immer nur Statusupdates, Urlaubsgrüße oder Essensfotos. Immer öfter werden auch menschenverachtende Inhalte gepostet oder in Kommentaren zu Beiträgen hinterlassen. Für den Hass im Internet hat sich inzwischen auch im deutschen Sprachraum der Ausdruck „Hate Speech“ verbreitet. Doch das Phänomen der Hassrede findet sich nicht nur in den sozialen Medien sondern auch in Zeitungen, Rundfunk oder Fernsehen, sagt Liriam Sponholz.

Seit gut einem Jahr erforscht die brasilianische Kommunikationswissenschaftlerin am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wie Medien – klassische genauso wie neue – mit Hassreden und Hasspostings umgehen, wie sie diese befördern und was sie tun könnten, um dem entgegenzuwirken. Denn der Umgangston wird nicht nur bei privaten Internet-Usern feindseliger – auch manche Politiker/innen lassen ihren diskriminierenden Gedanken freien Lauf.

„Öffentliche Personen verwenden meist eine gewähltere Ausdrucksweise, besonders im Umgang mit traditionellen Medien wie Radio oder Fernsehen. Der Zweck ihrer Aussagen unterscheidet sich aber nicht: Sie stellen bewusst eine Gruppe von Menschen als schlechter und als das genaue Gegenteil von sich selbst dar – das bezeichnet die Forschung als Hassrede oder hasserfüllte Rede“, erklärt Sponholz. 

Werte und Normen im Netz verteidigen

Was also tun gegen den Hass? Facebook, Twitter und Co. standen zuletzt stark in der Kritik nicht genügend gegen Hate Speech vorzugehen und haben inzwischen Besserung versprochen. Sponholz ist überzeugt, dass Hetze und Hass in sozialen Medien durch Werte und Normen konterkariert werden müssen. Diese würden von neuen Medien jedoch oft nicht genug verteidigt, so die Forscherin.

„Es wirkt positiv, wenn man, bevor ein Posting online gestellt wird, die User darauf hinweist, dass ihre Nachricht keine menschenfeindlichen Inhalte enthalten darf.“ Die positive Wirkung einer solchen Maßnahme wurde laut Sponholz bereits in einer Studie bestätigt. „Auch klassische Medien könnten das für ihre Kommentarbereiche verwenden“, ergänzt sie. Allerdings funktioniere hier der kritische Umgang mit Hassreden teilweise besser als auf Social-Media-Plattformen. Insgesamt konstatiert die Kommunikationswissenschaftlerin aber: „Man beginnt jetzt erst, sich Gedanken darüber zu machen, wie man gegen solche Aussagen vorgehen kann.“

Medien als unfreiwillige Helfer

Ein Umdenken sei auch in den traditionellen Medien notwendig, betont Sponholz. Denn Medien leben von Aufmerksamkeit und diese ist durch öffentliche Hassbotschaften aufgrund ihrer Konflikthaltigkeit garantiert. So werden Medien oftmals zu unfreiwilligen Helfern, die diskriminierende Aussagen befördern – das zeigen Fälle wie die Diskussionen um die kontroversen Thesen des deutschen Autors Thilo Sarrazin oder der umstrittenen italienischen Islamkritikerin Oriana Fallaci, erklärt Sponholz. „Wenn man Menschen dazu einlädt, Pro und Contra zu einer menschenfeindlichen Wortmeldung vorzubringen, eröffnet man plötzlich eine Debatte über die Minderwertigkeit anderer Menschen, darüber, ob Menschen mit einer anderen Herkunft oder einer anderen Religion schlechter sind, als andere.“ 

Zudem würden Radiomoderator/innen und Fernsehjournalist/innen diesen Personen und ihren Provokationen damit eine große Bühne bieten, so Sponholz. „Das Problem ist nicht, dass man es medial thematisiert, denn skandalöse Meldungen haben für Medien einen gewissen Nachrichtenwert. Aber es stellt sich die Frage, wie man damit umgeht und eine Diskussion über den Inhalt solcher Aussagen ist kontraproduktiv.“

Besser wäre vielmehr, wenn Medien derartige Aussagen zwar melden, gleichzeitig aber auch klar machen, dass sie normwidrig sind. „Damit meine ich nicht, dass es gegen Rechtsnormen verstößt, wohl aber gegen die Werte und Ethik einer Gesellschaft“, erklärt Sponholz und verdeutlicht die problematischen sozialen Folgen, die Hate Speech andernfalls verursacht: „Es muss klar gemacht werden, dass solche Inhalte nicht in Ordnung sind, weil sie Menschen erniedrigen und den Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen in einer Gesellschaft schaden.“

 

Liriam Sponholz ist Senior PostDoc am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW. Sie promovierte an der Universität Leipzig mit einer Arbeit zu journalistischer Objektivität. Sponholz forschte u.a. an der Universität Erfurt und war Gastprofessorin an der Complutense University of Madrid in Spanien sowie an der Federal University of Santa Catarina in Brasilien.

„Minorities at issue“ ist der Titel eines aktuellen Forschungsprojekts von Liriam Sponholz, bei dem sie untersucht, wie soziale Gruppen und Minderheiten in den Medien dargestellt werden und welche Auswirkungen dies auf gesellschaftliche Konflikte und Debatten hat. Zu dem Thema veröffentlicht Sponholz 2017 auch das Buch „Hate Speech in den Massenmedien. Die Medienkontroversen um Oriana Fallaci und Thilo Sarrazin“.

Minorities at issue

Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW