21.12.2018

Wie der Weihnachtsstern zu seinem Schweif kam

Keine Weihnachtskrippe wäre ohne den Stern von Bethlehem komplett: Warum eigentlich? Wie sich die Darstellung des Weihnachtssterns im Lauf der Jahrhunderte verändert hat und ob es eine astronomische Erklärung für ihn gibt, wissen Historikerinnen und Weltraumforscher der ÖAW.

Vatikan, Museo Pio Christiano, Sarkophag-Relief, 4. Jahrhundert nach Christus (© WikiCommons)

„Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“, sollen Sterndeuter laut Matthäusevangelium gesagt haben. Der Stern habe den Weg zum genauen Geburtsort Jesu Christi in Bethlehem gezeigt, so die biblische Erzählung. Mittlerweile wäre Weihnachten ohne dieses Bild undenkbar, längst ist es auch in Brauchtum und Traditionspflege eingegangen, selbst bei Menschen, die mit dem Christentum ansonsten wenig anfangen können.  

Vom Stern zum Kometen im Mittelalter

„Die Darstellung der Heiligen Drei Könige mitsamt Stern gibt es bereits seit dem frühen Christentum“, sagt Maria Theisen, Spezialistin für mittelalterliche Handschriften am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). So wurde im Frühmittelalter der Stern zunächst noch gezackt und sehr einfach dargestellt.

Erst im 14. Jahrhundert wurde er erstmals mitsamt Schweif vom namhaften italienischen Maler Giotto di Bondone (1266–1337) in einem Fresko abgebildet – höchstwahrscheinlich, weil Giotto unter dem Eindruck des damals sichtbaren Halley’schen Kometen gestanden sein dürfte. „Diese Umdeutung war mit Sicherheit höchst umstritten, zumal Kometen zumeist als schlechte Vorzeichen gedeutet wurden. In die allgemeine Ikonographie wurde Giottos Darstellung also nicht sofort aufgenommen“, sagt Theisen. Dennoch setzte sich die Darstellung der Geburtsszene mit dem Kometen am Nachthimmel im Laufe der folgenden Jahrzehnte nördlich der Alpen und auch in Österreich zunehmend durch, während im Süden die Geburt Christi meist bei Tageslicht und ohne Stern der Weisen am Himmel dargestellt hat.

Die Darstellung der Heiligen Drei Könige mitsamt Stern gibt es bereits seit dem frühen Christentum.

„Himmelserscheinungen wurden im Mittelalter üblicherweise als Unheilsbringer interpretiert: Es ist einigermaßen ungewöhnlich, dass sie für Christi Geburt nun positiv besetzt wurden“, sagt auch Bruno Besser vom Institut für Weltraumforschung der ÖAW in Graz, der sich intensiv mit Wissenschaftsgeschichte auseinander gesetzt hat. Immer gab es eine verlorene Schlacht (etwa „Schlacht bei Hastings“ 1066), eine schlechte Ernte oder ein persönliches Unglück, das man mit bestimmten Himmelsereignissen in Verbindung bringen konnte, meistens geschah das auch erst im Nachhinein. In besonderen Fällen wurden stellare Ereignisse aber auch als „Königsgestirne“ angesehen, etwa bei Geburt und Tod von Alexander dem Großen (356–323 v. Chr.) oder von Julius Caesar (100–44 v. Chr.). So auch der Weihnachtsstern: Ausgedrückt wurde in den dazugehörigen Erzählungen, dass mit der Geburt Christi die Zeit der irdischen Könige zu Ende gegangen sei.

Kontroverse Kometendebatte

Auch in der Frühen Neuzeit wurden Kometen meist als göttliche Zeichen betrachtet, berichtet Doris Gruber vom Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW. Die Menschen glaubten, Gott habe Kometen gesandt, um die Menschen zur Buße zu ermahnen und vor göttlichen Strafen für „sündhafte“ Lebensführung zu warnen. Daher schrieb man Kometen auch bestimmte Folgen zu, die mehrheitlich als negativ betrachtet wurden, wie Teuerung, Pest und Krieg. „Dementsprechend wurde durchaus kontrovers diskutiert, ob es sich beim Weihnachtsstern beziehungsweise Stern der Weisen, wie er auch genannt wurde, um einen Kometen gehandelt hat“, sagt Gruber.

Himmelserscheinungen wurden im Mittelalter üblicherweise als Unheilsbringer interpretiert.

Um dieses Thema ging es insbesondere Mitte des 18. Jahrhunderts. Johann Heyn (1709–1746), ein Prediger aus dem sich heute in Brandenburg befindlichen Ort Netzen, versuchte sogar die gesamte Heilsgeschichte auf den Einfluss von Kometen zurückzuführen. Er glaubte nicht nur, der Stern der Weisen sei ein Kometen gewesen, sondern dass auch die Sonnenfinsternis sowie die Erdbeben, die sich im Rahmen der Leiden Christi ereignet hätten, von einem Kometen ausgelöst worden seien.

Viele andere Autoren und Autorinnen sprachen sich jedoch gegen die Theorie des Kometen aus. Man war sich aber uneins, worum es sich bei dem Stern der Weisen sonst gehandelt haben könnte. Christoph Ludwig Obbarius (1709–1763), ein Archidiakon und Universitätsadjunkt in Heringen, betrachtete den Stern als feuriges Luftzeichen und Wunderwerk. Christian Gottlieb Semler (1715–1782), ein Prediger aus Halle, identifizierte den Stern mit einem Engel und ein gewisser Alethaeus Sincerus glaubte sogar, bei dem Weihnachtsstern habe es sich vielmehr um Gott selbst gehandelt.

Astronomie: Weihnachtsstern ist kein Stern

Aus astronomisch-physikalischer Sicht sieht die Sache natürlich anders aus, wie die Weltraumforscher/innen der Akademie in Graz wissen. „Ein regulärer Stern, also eine Sonne, ist der Weihnachtsstern jedenfalls nicht, denn Sterne stehen fix am Firmament und scheinen sich nur durch die Erdrotation zu bewegen“, erläutert ÖAW-Weltraumforscher  Besser.

Ein regulärer Stern, also eine Sonne, ist der Weihnachtsstern jedenfalls nicht.

Eine mögliche Erklärung sind die Konjunktionen von Jupiter und Saturn, die 7 v. Chr. stattgefunden haben. Insgesamt drei Mal standen Jupiter und Saturn ganz nah nebeneinander am Firmament: im Mai, im Oktober und letztendlich im Dezember. Von der Sonne angestrahlt, erschienen sie wie ein großer, stark leuchtender Stern. Dieses Phänomen passt allerdings nicht mit der christlichen Zeitrechnung zusammen, ereignete sich die Konjunktion doch sieben Jahre vor Christi Geburt.

Aber auch ein Komet könne er nicht gewesen sein, denn dann müsste es Aufzeichnungen oder Überlieferungen auch aus anderen Weltgegenden geben. Zwar wurde der Halleysche Komet, der bis heute alle 75 Jahre wiederkehrt, in Europa, in Nahost und auch im fernen China gesichtet, allerdings im Jahr 12 v. Chr. „Selbst wenn man mögliche Ungenauigkeiten miteinrechnet, geht sich das mit der biblischen Erzählung nicht aus“, ergänzt Besser.

Was Kometen von Asteroiden und Sternschnuppen unterscheidet

Wesentlichster Unterschied zwischen Kometen und Asteroiden sind übrigens Zusammensetzung und Flugbahn: „Kometen verfügen über eine deutlich niedrigere Dichte als Wasser, sind porös und verlassen ihre Geburtsstelle – den Kuipergürtel für kurz-periodische und die Oort’sche Wolke für lang-periodische Kometen – unvorhersehbar. Danach fliegen sie auf parabolischen oder stark elliptischen Umlaufbahnen um die Sonne. Asteroiden hingegen sind massiver, dichter als Wasser und bewegen sich auf Ellipsenbahnen wie auch Planeten“, sagt Martin Volwerk, Plasmaphysiker und Kometenspezialist der ÖAW-Weltraumforschung. „Sternschnuppen“ wiederum sind Meteore, die beim Eindringen in die Erdatmosphäre verglühen und kurz aufleuchten, während Kometen wie etwa der Halleysche Komet durchaus auch für einige Monate nächtens sichtbar sein können.

Kometen verfügen über eine deutlich niedrigere Dichte als Wasser, sind porös und verlassen ihre Geburtsstelle unvorhersehbar.

Der Kometenschweif entsteht übrigens durch das Ausdampfen von Gasen, erklärt Volwerk: „Genau genommen gibt es sogar zwei Schweife: Der besser sichtbare besteht aus aufgewirbeltem Staub, der entlang der Kometenumlaufbahn zurückbleibt, und das Sonnenlicht reflektiert. Der unscheinbarere entsteht, weil sich die ausströmenden Gase mit dem Magnetfeld des Sonnenwindes verbinden. Nah am Kometen wird der Sonnenwind abgebremst und das Magnetfeld faltet sich zusammen mit dem Gas um den Kometenkern. Damit entsteht einen Gasschweif, der immer von der Sonne abgewendet ist und nur sparsam leuchtet.“

Alle Jahre wieder

Derzeit sind rund 100 periodisch wiederkehrende Kometen in unserem Sonnensystem bekannt. So auch der bereits angesprochene Halleysche Komet. Der englische Astronom Edmund Halley (1656–1742) fand durch Berechnungen anhand von Aufzeichnungen historischer Kometensichtungen – und nicht etwa durch Beobachtung – heraus, dass bestimmte Kometen regelmäßig wiederkehren.

So war der Halleysche Komet laut Fotos und Zeitzeugenberichten 1910 gut sichtbar, 1986 aber eher eine Enttäuschung: „Zu sehen war nur ein kleines, verschwommenes Objekt am Himmel“, weiß Augenzeuge Besser zu berichten. Als Weihnachtsstern wäre eine solche Erscheinung eher untauglich. Allerdings sind einige Kometen mit parabolischen und elliptischen Bahnen bekannt, die in der Vergangenheit über mehrere Monate, mit freiem Auge und mitunter sogar bei Tage beobachtet wurden. Ob ein solcher zur Zeit Christi Geburt zu sehen war, bleibt aber zweifelhaft.

Dass wir Weihnachten am 24. Dezember feiern, ist übrigens kein Zufall, fällt doch unser Weihnachtsfest ziemlich genau auf die Wintersonnenwende (21.12.) die lange vor dem Christentum schon mit Festen begangen wurde und ab der die Tage wieder länger werden. So ist es auch heute noch: Zu Weihnachten feiern wir das Ende der Finsternis – symbolisch eben auch durch das Licht des Weihnachtssterns, das uns wenn schon nicht am Sternenhimmel, dann aber in unzähligen Krippenbildern bis heute entgegenleuchtet.

 

Veranstaltungstipp:
Wer wissen will, wie im neuen Jahr die Sterne stehen, kann bei einem Vortrag von ÖAW-Weltraumforscher Wolfgang Voller am 21. Jänner mehr erfahren über „Das Astronomiejahr 2019“. Der Vortrag findet in der URANIA in Graz (Burggasse 4/1) um 19.30 Uhr statt.

Institut für Weltraumforschung der ÖAW

Institut für Mittelalterforschung der ÖAW

Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW